Bad Kissingen
Irre Frisur und viele Facetten
Kinderschreck und Kultfigur: Mit dem Struwwelpeter beschäftigt sich eine neue Ausstellung im Museum Obere Saline.
"Wenn die Kinder artig sind, kommt zu ihnen das Christkind;
wenn sie ihre Suppe essen und das Brot auch nicht vergessen,
wenn sie, ohne Lärm zu machen, still sind bei den Siebensachen,
beim Spaziergehn auf den Gassen von Mama sich führen lassen,
bringt es ihnen Gut's genug und ein schönes Bilderbuch."
Würden die Texte, die der Frankfurter Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann 1844 verfasst hat, so unbedarft harmlos weiterfließen wie auf dem Umschlag, das Buch hätte kaum Eingang in Millionen Kinderzimmer gefunden und bewegte noch 173 Jahre nach seinem Erscheinen Kinder, Eltern und Psychologen. Aber man weiß ja, dass es schon in der ersten Geschichte durchaus deftiger zur Sache geht, als auf dem weihnachtlich gestalteten Cover. Hoffmann hatte seinem dreijährigen Sohn ein Buch geschenkt, das er selbst gezeichnet und gereimt hatte, weil er kein passendes Kinderbuch gefunden hatte. Der mahnende Zeigefinger ist auch schon in diesen Zeilen zu sehen, aber immerhin geht die Geschichte hier gut aus: Das artig, nett und adrette Kind der Biedermeierzeit bekommt vom Christkind, eben weil es "folgt", ein schönes Bilderbuch. Nein, der Titel des Buches "Der Struwwelpeter oder lustige Geschichten und drollige Bilder" lässt nicht vermuten, was ungezogenen, widerspenstigen, unangepassten Kindern, wie Hans-Guck-in-die-Luft und Paulinchen, Daumenlutscher, Suppenkaspar oder Zappelphilipp widerfahren kann. Ob den Nervenarzt, ein wenig Angst vor der eigenen Courage veranlasste, dass er als Autor "Das Alles malte und beschrieb - der lustige Reimerich Kinderlieb" auf die ersten Veröffentlichungen drucken ließ?
Kulturreferent Peter Weidisch freut sich in seiner Begrüßung über den guten Besuch und präsentiert ein lebendiges Museum, das neben den Dauerausstellungen auch immer wieder einlädt, sich mit anderen kulturellen Themen zu befassen. Denn kaum sind die Karikaturen des Martin Perscheid abgehängt, lockt "Struwwelpeter - Kinderschreck und Kultfigur" ins Museum. Dass Reichskanzler Bismarck auch in dieser Präsentation eine, wenn auch nur kleine Rolle spielt, werden die Gäste der Ausstellungseröffnung noch erfahren, so Weidisch. Oberbürgermeister Kay Blankenburg hatte dem Museumsteam um Helena Scharf und Peter Weidisch gedankt, die nach der Glitzerwelt der "Barbie" im letzten Jahr nun als Gegenstück den "Kinderschreck eines Nervenarztes" als Sonderausstellung präsentieren.
Die Kuratorin der Ausstellung, Simone Michel-von Dungern, fächerte den durchaus zwiespältig diskutierten Struwwelpeter sehr sachkundig und doch amüsant auf. Mit Text- und Filmeinspielungen nimmt sie -spannend wie in einem Hörbuch- die interessierte Kunstschar im Museum Obere Saline gefangen, zeigt hier den Kinderschreck, vor dem nicht wenige Kinderpsychologen ob der drastischen Darstellung warnen, während die andere Hälfte meint, dass gerade die Deutlichkeit und die eingehende Sprache eine Art Schutzschild bei den Kindern aufbaut. Und dann ist da eben auch die Kultfigur Struwwelpeter, das am längsten verlegte Kinderbuch, ein "wertvoller Beitrag zur Sozialisation" in der ausgehenden Biedermeierzeit, wie sie meint: Struwwelpeter als Mutmacher, der eine surreale Welt beschreibt, in der Individualität und "Anders-sein" zugelassen wird, "weil die Welt eben auch asozial sein kann".
Beim Rundgang staunen die Besucher über die Vielfalt der Exponate, die zeigen, wie die Kinder aus der Mitte des 19. Jahrhunderts das Bilderbuch in Händen hielten und wie sich die Darstellung im Laufe der Jahrzehnte verändert hat. Stadträtin Karin Renner erkennt in einer Vitrine die Ausgabe aus den 1950er Jahren, aus der ihr vorgelesen wurde, Werner Eberth und OB Blankenburg studieren aufmerksam die Abteilung mit den Struwwelpetern, die unverkennbar Gesichtszüge prominenter historischer Zeitgenossen wie Kaiser Wilhelm II., Adolf Hitler und Franz -Josef Strauß aufweisen. Entsprechend bissige Kommentare inbegriffen. Dass dabei auch der eiserne Kanzler auftaucht, hatte Peter Weidisch ja schon angedeutet.
Die Ausstellung im Museum Obere Saline ist zu den üblichen Öffnungszeiten bis zum 18. März 2018 zu sehen.
wenn sie ihre Suppe essen und das Brot auch nicht vergessen,
wenn sie, ohne Lärm zu machen, still sind bei den Siebensachen,
beim Spaziergehn auf den Gassen von Mama sich führen lassen,
bringt es ihnen Gut's genug und ein schönes Bilderbuch."
Würden die Texte, die der Frankfurter Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann 1844 verfasst hat, so unbedarft harmlos weiterfließen wie auf dem Umschlag, das Buch hätte kaum Eingang in Millionen Kinderzimmer gefunden und bewegte noch 173 Jahre nach seinem Erscheinen Kinder, Eltern und Psychologen. Aber man weiß ja, dass es schon in der ersten Geschichte durchaus deftiger zur Sache geht, als auf dem weihnachtlich gestalteten Cover. Hoffmann hatte seinem dreijährigen Sohn ein Buch geschenkt, das er selbst gezeichnet und gereimt hatte, weil er kein passendes Kinderbuch gefunden hatte. Der mahnende Zeigefinger ist auch schon in diesen Zeilen zu sehen, aber immerhin geht die Geschichte hier gut aus: Das artig, nett und adrette Kind der Biedermeierzeit bekommt vom Christkind, eben weil es "folgt", ein schönes Bilderbuch. Nein, der Titel des Buches "Der Struwwelpeter oder lustige Geschichten und drollige Bilder" lässt nicht vermuten, was ungezogenen, widerspenstigen, unangepassten Kindern, wie Hans-Guck-in-die-Luft und Paulinchen, Daumenlutscher, Suppenkaspar oder Zappelphilipp widerfahren kann. Ob den Nervenarzt, ein wenig Angst vor der eigenen Courage veranlasste, dass er als Autor "Das Alles malte und beschrieb - der lustige Reimerich Kinderlieb" auf die ersten Veröffentlichungen drucken ließ?
Kinderschreck und Kultfigur
Kulturreferent Peter Weidisch freut sich in seiner Begrüßung über den guten Besuch und präsentiert ein lebendiges Museum, das neben den Dauerausstellungen auch immer wieder einlädt, sich mit anderen kulturellen Themen zu befassen. Denn kaum sind die Karikaturen des Martin Perscheid abgehängt, lockt "Struwwelpeter - Kinderschreck und Kultfigur" ins Museum. Dass Reichskanzler Bismarck auch in dieser Präsentation eine, wenn auch nur kleine Rolle spielt, werden die Gäste der Ausstellungseröffnung noch erfahren, so Weidisch. Oberbürgermeister Kay Blankenburg hatte dem Museumsteam um Helena Scharf und Peter Weidisch gedankt, die nach der Glitzerwelt der "Barbie" im letzten Jahr nun als Gegenstück den "Kinderschreck eines Nervenarztes" als Sonderausstellung präsentieren.
Spannend wie ein Hörbuch
Die Kuratorin der Ausstellung, Simone Michel-von Dungern, fächerte den durchaus zwiespältig diskutierten Struwwelpeter sehr sachkundig und doch amüsant auf. Mit Text- und Filmeinspielungen nimmt sie -spannend wie in einem Hörbuch- die interessierte Kunstschar im Museum Obere Saline gefangen, zeigt hier den Kinderschreck, vor dem nicht wenige Kinderpsychologen ob der drastischen Darstellung warnen, während die andere Hälfte meint, dass gerade die Deutlichkeit und die eingehende Sprache eine Art Schutzschild bei den Kindern aufbaut. Und dann ist da eben auch die Kultfigur Struwwelpeter, das am längsten verlegte Kinderbuch, ein "wertvoller Beitrag zur Sozialisation" in der ausgehenden Biedermeierzeit, wie sie meint: Struwwelpeter als Mutmacher, der eine surreale Welt beschreibt, in der Individualität und "Anders-sein" zugelassen wird, "weil die Welt eben auch asozial sein kann".
Kaiser Wilhelm, Bismarck und Strauß
Beim Rundgang staunen die Besucher über die Vielfalt der Exponate, die zeigen, wie die Kinder aus der Mitte des 19. Jahrhunderts das Bilderbuch in Händen hielten und wie sich die Darstellung im Laufe der Jahrzehnte verändert hat. Stadträtin Karin Renner erkennt in einer Vitrine die Ausgabe aus den 1950er Jahren, aus der ihr vorgelesen wurde, Werner Eberth und OB Blankenburg studieren aufmerksam die Abteilung mit den Struwwelpetern, die unverkennbar Gesichtszüge prominenter historischer Zeitgenossen wie Kaiser Wilhelm II., Adolf Hitler und Franz -Josef Strauß aufweisen. Entsprechend bissige Kommentare inbegriffen. Dass dabei auch der eiserne Kanzler auftaucht, hatte Peter Weidisch ja schon angedeutet. Die Ausstellung im Museum Obere Saline ist zu den üblichen Öffnungszeiten bis zum 18. März 2018 zu sehen.
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