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Landkreis Bad Kissingen
Bad Kissingen: Wie geht es ukrainischen Flüchtlingen im Landkreis?
Der Krieg in der Ukraine geht ins dritte Jahr. Wie geht es ukrainischen Flüchtlingen im Landkreis Bad Kissingen? Wie haben sie sich eingelebt? Welche Hoffnungen haben sie? Olena Albert gibt Einblicke.
Olena Albert       -  Olena Albert hat zu Beginn des Ukrainekriegs vielen ukrainischen Flüchtlingen geholfen.
Foto: Isolde Krapf; Montage | Olena Albert hat zu Beginn des Ukrainekriegs vielen ukrainischen Flüchtlingen geholfen.
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 06.03.2024 02:56 Uhr

Ein weiteres Jahr Krieg ist vergangen. Der russische Angriff auf die Ukraine jährt sich nun schon zum zweiten Mal. Und kein Ende ist in Sicht.

Olena Albert, Bad Kissingerin mit ukrainischen Wurzeln, hat zu Kriegsbeginn Kundgebungen organisiert, Hilfslieferungen angestoßen, Ausstellungen mit ukrainischen Künstlerinnen veranstaltet, einen Pfarrer für eine ukrainisch-orthodoxe Gemeinde gesucht und ihren Vater nach Deutschland geholt.

Die 53-Jährige ist in Saporischschja geboren, lebt seit 25 Jahren in Deutschland und unterrichtet Deutsch als Zweitsprache in Integrationskursen. Wir haben sie gefragt, wie sich das Leben ihrer Landsleute hier im Landkreis entwickelt hat.

 

Frau Albert, der russische Angriff auf ihr Heimatland geht nun ins dritte Jahr: Wie geht es Ihnen nach zwei Jahren Krieg?

Olena Albert: „Schlecht. Die ständige Traurigkeit, die einen begleitet, ist nicht weniger geworden, sondern eher größer. Sie ist immer im Hintergrund. Das geht nicht nur mir so. Ein Gefühl von ungetrübtem Glück wie vor dem Krieg gibt es nicht mehr. Ich frage mich jeden Tag, warum brauchen die Russen diesen Krieg?“

 

Wie ist die Stimmung unter den Ukrainern im Landkreis Bad Kissingen? Haben sie die Hoffnung bald in die Heimat zurückzukehren aufgegeben?

„Nein, die haben sie nicht aufgegeben, die Hoffnung ist nach wie vor groß. Sie wissen aber nicht, wie lange sie hierbleiben werden und versuchen sich mehr oder weniger ein normales Leben einzurichten. Sie lernen die Sprache, viele haben eine eigene Wohnung. Viele arbeiten und sind motiviert, andere arbeiten nicht oder können aufgrund bürokratischer Hürden ihren Beruf nicht ausüben. Manche verstehen nicht, dass sie hier auf Kosten der deutschen Steuerzahler leben, wenn sie nicht arbeiten. Das ist ganz unterschiedlich. Es ist natürlich schwierig für die ukrainischen Flüchtlinge, nicht in ihrem Heimatland sein zu können. Sie verstehen nicht alle Gepflogenheiten in Deutschland und wer die Sprache nicht kann, wird oft auch nicht so gut behandelt. Auch hier gibt es Deutsche, die ungeduldig sind mit Fremden. Die Ukrainer sind unterschiedlich und die Deutschen auch, aber das ist normal. Auf jeden Fall sind die Ukrainer sehr dankbar dafür, dass Deutschland sie aufgenommen hat.“

 

Welche Strukturen für Ukrainer haben sich in den letzten zwei Jahren im Landkreis entwickelt?

„Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hier in Bad Kissingen ist ein wichtiger Treffpunkt für Ukrainer, sie ist ein Stück Heimat. Im Schnitt kommen 30 bis 50 Leute zum Gottesdienst, an großen Feiertagen bis zu 200 Gläubige. Ansonsten gibt es eine Sportgruppe; aber weitere Treffpunkte sind mir nicht bekannt. Ich weiß aber, dass der Bedarf und das Interesse da sind, es muss nur organisiert werden.“

 

Wie ist das Zusammenleben mit der russischstämmigen Bevölkerung im Landkreis?

„Es sind Parallelgesellschaften, man versucht sich nicht zu kreuzen. Es gibt aber einige russischstämmige Menschen, die gegen Putin sind, die den ukrainischen Flüchtlingen geholfen haben. Von Konflikten habe ich noch nicht gehört, höchstens von einem verbalen Angriff.“

Die Ukrainerin Olena Albert bei der Begrüßung der Kundgebungsteilnehmer auf dem Bad Kissinger Marktplatz. Foto: Sigismund von Dobschütz       -  Die Ukrainerin Olena Albert bei der Begrüßung der Kundgebungsteilnehmer auf dem Bad Kissinger Marktplatz Anfang 2022. Foto: Sigismund von Dobschütz
| Die Ukrainerin Olena Albert bei der Begrüßung der Kundgebungsteilnehmer auf dem Bad Kissinger Marktplatz Anfang 2022. Foto: Sigismund von Dobschütz

Gibt es eine nachlassende Hilfsbereitschaft seitens der Deutschen?

„Ja, auf jeden Fall. Deswegen haben wir auch keine Demo dieses Jahr geplant, sondern nur einen Gedenkgottesdienst zum zweiten Jahrestag. Er findet am Sonntag, 25. Februar um 10 Uhr in der Marienkapelle in Bad Kissingen statt und jeder ist eingeladen.“

 

Was haben die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus mit Ihnen und den Ukrainern gemacht?

„Wir waren dabei, unsere orthodoxe Gemeinde stand auf der Liste als Mitorganisator. Mit der ukrainischen Flagge haben wir gezeigt, dass wir für die Demokratie kämpfen. Rechtsextremismus und die russische Regierung sind für uns dasselbe.“

 

Zuletzt: was sagen Sie zum Tod des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny ?

„Ich hatte selbst einen Freund, der ein oppositioneller Journalist in Russland war. Er hatte sich in einer Talkshow kritisch geäußert. Drei Tage später war er tot. Das war dieselbe Vorgehensweise wie bei Alexej Nawalny .“

Das Interview führte Angelika Despang.

 

Zahlen zu ukrainischen Flüchtlingen im Landkreis Bad Kissingen:

  • Laut Landratsamt Bad Kissingen sind seit Beginn des Krieges 2036 Personen aus der Ukraine in den Landkreis geflüchtet. Darunter sind nicht nur ukrainische Staatsangehörige, sondern auch einige wenige Personen, die in der Ukraine ein längerfristiges Aufenthaltsrecht hatten, beispielweise Familienangehörige von Ukrainern.
  • Insgesamt 275 Kinder und Jugendliche besuchen Schulen im Landkreis – von der Grundschule bis zur Berufsschule.
  • 678 ukrainische Flüchtlinge haben den Landkreis inzwischen wieder verlassen. Sie sind entweder ins Ausland verzogen oder in einen anderen Landkreis/Stadt innerhalb des Bundesgebiets.
 
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