
Seit acht Jahren ist Andre Nagelsmann der Kreisspielleiter für den Fußballkreis Rhön. Dass der 48-Jährige aber nicht nur ein respektierter Funktionär im Bayerischen Fußballverband , sondern eben auch der Bruder des aktuellen Bundestrainers ist, hat sich in der Region längst herumgesprochen. Damit hausieren geht der Zoll-Beamte nie, für ein Interview stand uns der gebürtige Oberbayer aber zur Verfügung.
Herr Nagelsmann, die Saison im Fußballkreis Rhön ist mit der Relegation zu Ende gegangen. Zeit zum Durchschnaufen für den Kreisspielleiter. Oder sind Sie froh, dass der Ball ab Freitag weiterrollt mit dem Beginn der Europameisterschaft?
Andre Nagelsmann: Gerade das Ende einer Saison und die Vorbereitung einer neuen Saison sind mit sehr viel Arbeit verbunden. Die Planung und Austragung der Relegation ist fordernd, aber auch immer wieder schön. Ich denke, wir haben wieder tolle Spiele vor unglaublichen Zuschauerkulissen zu sehen bekommen. Mit der EM habe ich zum Glück ja nur als Fan zu tun und kann das dann auch genießen, wenngleich die neue Runde schon vorbereitet und geplant werden muss.
In welchem Umfang und in welcher Umgebung werden Sie die EM-Spiele anschauen?
Die meisten Spiele werde ich am Fernseher verfolgen. Für die Vorrunde habe ich Karten für die Begegnung Deutschland gegen die Schweiz in Frankfurt. Ich gehe aber davon aus, dass das deutsche Team länger als nur in der Gruppenphase im Turnier bleibt. Mal schauen, was sich dann noch tut und ob ich Gelegenheit zum Besuch weiterer Spiele haben werde.
Ihr jüngerer Bruder Julian ist seit September 2023 der Bundestrainer. Was haben Sie seinerzeit gedacht, als der Wechsel zum DFB beschlossene Sache war?
Ehrlich gesagt habe ich zu dem Zeitpunkt gedacht, dass das eine Mammutaufgabe wird, da die Mannschaft doch ziemlich schwach aufgetreten ist. Mittlerweile blicke ich dem Ganzen aber zuversichtlich entgegen. Ich denke mir immer: Der wird des schon machen.
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Gibt es während oder erst nach der EM ein Wiedersehen? Nach Herzogenaurach ins Quartier der Nationalmannschaft wäre es ja nicht so weit…
Während der EM wird es sicherlich keine große Möglichkeit geben, höchstens nach einem Spiel mal kurz. Die Termine und das mediale Interesse sind so enorm, dass wir als Familie uns ohnehin mit „Forderungen“ nach Zeit zurückhalten. Telefoniert wird sicher mal.
Wie oft sehen Sie sich eigentlich?
Wir sehen uns aufgrund der Entfernung nicht so sehr oft, aber dennoch mehrmals im Jahr. Dafür wird recht regelmäßig telefoniert.
Wäre Ihr Bruder für einen Ausflug in die nahe Rhön zu begeistern?
Sicherlich wird Julian uns mal besuchen, wenn der EM-Trubel vorbei ist und wieder etwas ruhigere Zeiten kommen.
Was uns brennend interessiert und was Sie hoffentlich verraten dürfen: Wo haben Sie Gemeinsamkeiten wo sind die Unterschiede? Der Altersunterschied beträgt immerhin elf Jahre.
Gemeinsamkeiten liegen sicher in der Art des Humors, den wir haben. Auch teilen wir viele Ansichten. In seinen ersten Lebensjahren habe ich fast meine komplette Freizeit mit Julian verbracht, das merke ich ihm heute noch oft an. Große Unterschiede liegen wahrscheinlich nur im fußballerischen Talent (lacht).
Worin Sie sich augenscheinlich unterscheiden, ist die Wahl der Klamotten. Wie würden Sie ihren bevorzugten Stil beschreiben und wie den von Julian?
Ich kleide mich eher etwas konservativer, bin ja aber auch ein paar Jahre älter.
Ist Ihre Arbeit als BFV-Kreisspielleiter für den Fußballkreis Rhön mitunter auch Gesprächsthema? Oder sind Sie beide froh, wenn es mal nicht um Fußball geht?
Wir unterhalten uns sehr selten über Fußball. Jeder will in seiner Freizeit nicht immer unbedingt was machen oder darüber reden, was der berufliche Alltag ist. Manchmal ist es aber ein zumindest kleines Thema.
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Sie erzählten neulich, dass es immer wieder Menschen gibt, die vor Ihrem Haus in Bad Brückenau auftauchen und sich angeregt unterhalten, wer denn da wohnt. Hat das vor der EM zugenommen?
Tatsächlich ist es glücklicherweise recht ruhig zur Zeit.
Wie unangenehm ist Ihnen das?
Es stört nicht sonderlich. Viel schlimmer finde ich Leute, die ich nicht mal gut kenne, die aber dennoch meinen, ich könne, überspitzt ausgedrückt, schnell mal Tickets für das Finale für einen ganzen Bus besorgen. Dem ist nämlich nicht so. Viele haben hier falsche Vorstellungen von der Realität.
Bei 80 Millionen Bundestrainern: Wie nahe geht Ihnen Kritik an Julian?
Man braucht in dem Geschäft ein dickes Fell. Da man das sogar als Kreisspielleiter braucht, weil man es nie allen Recht machen kann, hat Julian als Bundestrainer natürlich erst recht ein dickes Fell.
Dürfen wir Ihnen abschließend noch einen EM-Tipp entlocken? Wer wird im Finale stehen und wie tippen Sie?
Ich bin ganz schlecht im Tippen. Aber ich würde mich über ein Finale Deutschland gegen Italien oder Frankreich freuen. Wer dann die Nase vorn hat, ist tagesformabhängig. Ganz schön finde ich aber auch immer Überraschungsteams, mit denen keiner gerechnet hat. Auch so eines darf gern im Finale gegen Deutschland verlieren…