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Bad Kissingen
Insekten unter der Lupe
Wer die Fauchschabe und die Blattschneiderameise immer noch nicht kennt, der hat etwas verpasst: den Vivariumstag am Jack-Steinberger-Gymnasium.
Der Blick ins Mikroskop offenbart erstaunliche Dinge. Thomas Ahnert       -  Der Blick ins Mikroskop offenbart erstaunliche Dinge. Thomas Ahnert
| Der Blick ins Mikroskop offenbart erstaunliche Dinge. Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 06:45 Uhr
Fauchschabe? Kennen Sie die? Schon mal gehört? Nein? Oder vielleicht Gromphadorrhina portentosa? So nennt sie sich, wenn sie gebildet wirken will. Auch nicht? Aber es gibt sie wirklich, die Fauchschabe, eine entfernte Verwandte unserer vertrauten Küchenschabe. Sie lebt in den Trockenwäldern von Madagaskar, wird bis zu acht Zentimeter lang und drei Jahre alt und ernährt sich von allem, was nicht davonlaufen kann: Gemüse, Fleisch, Früchte, Baumrinde, Blätter, Menschen bisher noch nicht. Die hören normalerweise auch das Fauchen nicht. Das kriegt vor allem ein Fauchschabenmännchen zu hören, das sich erdreistet in das Revier eines anderen Fauchschabenmännchens und seines Sozialverbandes einzudringen. Das muss natürlich wieder weggeschoben werden, und das geht erheblich leichter, wenn ihm das Fauchen so richtig Angst macht.
Oder kennen Sie die Blattschneiderameise, noch weniger bekannt als Acromyrmex ambiguus, aus Uruguay? Die verankert sich mit ihrem Hinterteil an einem Blatt, fräst, sich im Kreis drehend, mit ihren Schneidewerkzeugen am Kopf ein nicht immer rundes Stück heraus und schleppt es in den Bau. Dort wird die Beute keineswegs an die Hungernden verteilt, denn für ein Festmahl hätte ohnehin niemand Zeit, weil alle unterwegs sind. Und die Ameisen würden das Grünzeug auch gar nicht vertragen. Aber sie zerkauen die Blätter und Stängel trotzdem, um daraus einen Kompost zuzubereiten. Und darauf wachsen dann Schimmelpilze, die sie mit Begeisterung fressen.
Ein enormer Aufwand, denn es wird viel Material gebraucht. "So eine Ameise kann das Zehnfache ihres Körpergewichts tragen und das Hundertfache ziehen", sagt Mael. Respekt! Aber es gibt auch Menschen, die das können, die mit Seil und Stirnband und hochrotem Kopf einen schweren Lkw ein kleines Stück ziehen - aber nicht, hochgerechnet auf ihre Körpergröße, von der Ludwigsbrücke bis Großenbrach. Und sie kehren auch nicht gleich wieder um, um den nächsten zu holen. Von Zerkauen wollen wir gar nicht reden.
Wer die Fauchschabe und die Blattschneiderameise immer noch nicht kennt, der hat etwas verpasst: den Vivariumstag am Jack-Steinberger-Gymnasium, der jedes Jahr einmal durchgeführt wird. Da hatten die beiden jahrgangsübergreifenden Wahlkurse "Vivarium" mit ihrer Lehrerin Agnes Brath wieder eine kleine, aber feine und höchst interessante Ausstellung aufgebaut. Sie zeigte das, womit sich die Schülerinnen und Schüler im vergangenen Jahr beschäftigt hatten: mit der Frage, wie Insekten, Käfer oder Skorpione eigentlich leben und welche Rolle sie in der Natur spielen. Eines der Ergebnisse war die Präsentation, mit deren Vorbereitung schon im vergangenen Schuljahr bereits begonnen worden war.
Da gab es nicht nur Schmetterlinge und Käfer zu sehen, sondern auch die kleine Dornschrecke oder den Doppelfüßler - sozusagen eine Kreuzung aus Blindschleiche und Tausendfüßler, oder afrikanische Rosenkäfer oder ein riesiges verlassenes Wespennest und vieles mehr. Eine Makrokamera zur genauen Beobachtung kam ebenso zu m Einsatz wie ein Mikroskop. Manche Tiere konnten die Besucher, natürlich unter Anleitung, auch in die Hand nehmen. Besondere Attraktion waren natürlich die Blattschneiderameisen auf ihrer "Rennbahn", die, wie auch die Rossameisen, Dr. Oliver Geißler mitgebracht hatte, der an der Universität Würzburg über diese Tiere forscht. Und in kleinen Referaten der Schüler über Themen wie "Mimikri", "Massenvermehrung" oder die "Entwicklung der Insekten" und mehr gab's zusätzliches Basiswissen.
Die jungen Leute, die sich hier engagieren, wollen nicht zwangsläufig alle später Biologie studieren. Für sie ist das ein Hobby, sogar eine Leidenschaft. "Diese Tiere gibt es überall in so großer Zahl. Sie haben die Welt erobert", sagt Andrea. "Es gibt sie von den kältesten bis zu den heißesten Zonen. Die meisten Menschen wissen gar nichts über die enorme Vielfalt." Dass die Teilnahme an dem Kurs auch Verantwortung bedeutet, ist allen klar. Das regelmäßige Füttern, Kontrollieren, Saubermachen, Beobachten ist für alle zur Selbstverständlichkeit geworden. Das begehrteste Futter sind Heimchen, die die Schüler selber züchten. Man muss den Tieren nicht jeden Tag etwas geben. Die meisten fressen immer nur so viel wie sie brauchen. "Aber", erinnert sich Clair, "wir hatten mal eine karierte Strumpfbandnatter (die heißt wirklich so!), die konnte nie genug Fisch fressen. Die ist richtig fett geworden. Wir haben sie dann auf Diät gesetzt."
Und wofür wurden bei dem Vivariumstag Spenden gesammelt? "Wir wollen uns eine Bartagame kaufen", erklärt Andrea. Das ist eine australische Echsenart. Was so etwas kostet? "Das wissen wir noch nicht genau. Das kommt auf die Art an. Wir hatten schon mal eine Zwergbartagame, die hat auf einer Messe 25 Euro gekostet." Und dann suchen sie ein vivariumstaugliches Chamäleon. Aber die sind bekanntlich schwer zu entdecken.
Die jungen Leute haben in dem Kurs nicht nur biologisches Wissen gelernt, sondern auch Verantwortungsbewusstsein und Angstfreiheit im Umgang mit den Tieren. Das eine oder andere würden sie sich auch mit nach Hause nehmen: "Aber bestimmt keine Ameisen!"
 
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