Viele träumen davon, manche machen es: Nach vielen Jahren des Arbeitslebens die Brocken einfach hinwerfen und etwas Neues anfangen – jenseits des Konsumdenkens und jenseits jeglicher Komfortansprüche. Der Engländer Kenneth More hat es getan. Mit 67 könnte sich der Elektroingenieur eigentlich aufs Altenteil zurückziehen, doch das wollte er nicht. Er wollte noch etwas tun, aber nicht mehr in seinem Beruf. Und so mistet er jetzt Schweineställe aus und erklärt Brückenauer Schülern den Bauernhof.
Seine Arbeit beginnt morgens um 6 Uhr. Dann sieht er zunächst nach den Schweinen. Er verrichtet danach alle möglichen Arbeiten, die auf dem Hof anfallen und ihm zugeteilt werden. Beispielsweise war während seines Aufenthalts eine Schulklasse aus Bad Brückenau zu Besuch.
More half Hofbesitzer Dietmar May bei den Stationen, an denen die Schüler über die Tätigkeiten auf einem Bauernhof informiert werden. Dass sie es dabei mit einem Engländer zu tun hatten und die Erklärungen auf Englisch erhielten, war für die jungen Gäste eine besondere Herausforderung, schien sie aber anzuspornen.
Und dem Engländer schien die Sache auch Spaß zu machen. Er hatte erst einmal vor, drei Wochen zu bleiben, „aber vielleicht komme ich wieder“. Viel muss der Mann mit den kurzen grauen Haaren in seinem Leben schon gesehen haben.
Nur ein paar Brocken Deutsch beherrscht er und erzählt in seiner Geburtssprache von vielen asiatischen Ländern, Bohrplattformen, Gasanlagen, seiner letzten Station, einer Ölfirma in Libyen, dass er selbst schon eine Farm auf den Philippinen besessen hatte. Von seiner Scheidung, die offensichtlich noch nicht so lange zurückliegt, spricht er nur kurz.
Am Ende des Arbeitslebens fiel er in ein Loch, wollte aber noch aktiv sein. Erst gab er Computerkurse, „doch dann merkte ich: Das will ich nicht mehr“. Zunächst schloss er sich in London einer Hilfsorganisation an, die Bedürftige von der Straße betreute. Doch dann bekam er einen Tipp für Leute, die ihr Leben verändern möchten, und er wurde ein „Wwoofer“ und kam auf den Hof von Familie May in Junkershausen.
Wwoofer ist eine Organisation mit einer Internetplattform für ökologisch geführte Höfe und Menschen, die für ein paar Wochen Erfahrungen in der Landwirtschaft sammeln wollen, erklärt Clara May.
Aus allen Himmelsrichtungen und aus allen beruflichen Feldern und von Menschen aller Altersstufen kommen die Anfragen. Bei ihr habe sich beispielsweise ein Student aus Arizona, ein Franzose aus Montana und ein Australier gemeldet. Sie sei zwar schon längere Zeit angemeldet, ihre Tochter, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Afrika arbeitete, habe sie dann aber gedrängt, doch einmal einen Praktikanten aufzunehmen. So erlebte sie mit dem Engländer ihre Premiere und war nicht enttäuscht.
Dem Aussteiger More ging es nicht anders. Er liebt die Natur und das Landleben ohne den Druck des Berufsalltags. Seine Wahl bei Wwoofer sei auf den Hof in Junkershausen gefallen, weil er Bayern schon kenne, im Freistaat schon öfter beruflich zu tun gehabt habe und ihm das Land dabei ans Herz gewachsen sei. Dass er dabei auch arbeiten muss, mache ihm nichts aus – übrigens nur für Kost und Logis, wie es bei der Organisation üblich ist.