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Münnerstadt
Bestatter-Ausbildung: Manchmal wie im „Tatort“
Im Bundesausbildungszentrum der Bestatter gefällt den Azubis die Vielseitigkeit des Berufs. Sie betreuen Tote – manchmal geht es wie im Krimi zu.
Die Auszubildenden üben, eine Trauerfeier für einen Mann einzurichten, der in der Feuerwehr sehr aktiv gewesen ist – sie dekorieren mit Schlauch und Helm.       -  Die Auszubildenden üben, eine Trauerfeier für einen Mann einzurichten, der in der Feuerwehr sehr aktiv gewesen ist – sie dekorieren mit Schlauch und Helm.
Foto: Vincent Poschenrieder (POW) | Die Auszubildenden üben, eine Trauerfeier für einen Mann einzurichten, der in der Feuerwehr sehr aktiv gewesen ist – sie dekorieren mit Schlauch und Helm.
Redaktion
 |  aktualisiert: 21.01.2025 15:26 Uhr

Zwei junge Menschen schleppen eine Trage in einen dunklen Keller. An der Tür wartet ein Polizist. „Ihr seid vom Bestattungshaus?“ Schnellen Schrittes zeigt er den beiden den Raum, in dem ein toter Mann vor einer Werkbank sitzt. Vermutlich ist er an einem Stromschlag gestorben. „Wir müssen noch die Sicherung rausnehmen“, erklärt die Bestatterin . „Ihr müsst euch schon ein bisschen beeilen“, entgegnet der Polizist. „Wir machen das so schnell wie nötig“, sagt der Bestatter , lässt sich aber doch dazu hinreißen, den Verstorbenen anzufassen.

Die Leiche ist eine Puppe

„Ihr könnt aufhören. Ihr seid tot“, sagt Volker Winkels, der kein Polizist, sondern Dozent am Bundeszentrum der Bestatter in Münnerstadt ist. Der „ Verstorbene “ stand noch unter Strom, aber zum Glück war das nur eine Übung und die „Leiche“ eine Puppe. In Münnerstadt lernen Auszubildende alles, was zum Beruf „Bestattungsfachkraft“ dazugehört. Aus Betrieben in ganz Deutschland kommen hier Menschen zusammen, um praxisnahe Erfahrungen zu sammeln. Auch Fortbildungen können sie hier absolvieren oder sich zur Meisterin oder zum Meister qualifizieren.

Wie im „Tatort“-Krimi

Winkels lockt seine Auszubildenden nicht in diese Falle, um sie vorzuführen, sondern damit sie etwas lernen, was sie später im Beruf nie mehr vergessen werden. Bei Winkels erfahren die Auszubildenden auch, wie sie Tote hygienisch versorgen. Der Raum erinnert an einen Obduktionsraum im „Tatort“-Krimi.

Auf der metallenen Liege sollen Tote versorgt werden. Dabei gilt: „Ohne Schutzkleidung zu arbeiten ist wie mit einer Turnhose Motorrad fahren.“ Wenn die Auszubildenden sich im Beruf um Tote kümmern, sollen sie sich keine Krankheiten einfangen.

Ein würdiges Aussehen

Auf einem Rollwagen stapeln sich Desinfektionsmittel, Shampoo, Rasierschaum und ein Kamm. Winkels bereitet seinen Kurs auch auf den Fall vor, dass Verstorbene zum Beispiel durch einen Unfall entstellt wurden. Mit Naht- und Schminktechniken lernen die Auszubildenden , wie sie Verstorbenen wieder ein würdiges Aussehen verleihen. Dabei sei es wichtig, durchblicken zu lassen, was vorher passiert sei, sonst könne das auf die Angehörigen verstörend wirken, erklärt Winkels.

Er findet nicht, dass solche Fälle seine Auszubildenden belasten würden. Die jungen Menschen seien engagiert bei der Sache. Das Fach Warenkunde ist wichtig für die Arbeit mit Kunden. In einem Klassenzimmer stehen Sargmodelle in Regalen. Davor hängen lange Totengewänder. An einer Seitenwand steht außerdem ein Regal mit Urnen. An der vorderen Wand hängen Decken an einem Ständer, die bei einer Bestattung in den Sarg gelegt werden.

Eine von diesen bestimmt die Auszubildende Laura Kerws (25) gerade. „Das ist eine weiße Viskose-Satin-Decke mit Präsentationsschlaufen und einer einfachen Wellensteppung“, beschreibt sie.

Im Fach Warenkunde setzen sich die Azubis so genau mit Bestattungswäsche, Gewändern und Sarggriffen auseinander, damit sie ihren Kunden später verschiedene Möglichkeiten zeigen können. Kerws macht eine Umschulung zur Bestatterin : „Ich wollte als Kind schon immer mal im Leichenwagen sitzen. Also vorne.“ Die Abwechslung in ihrer Arbeit mache ihr „super viel Spaß“.

Praktikum hilft bei der Entscheidung

Kerws erzählt aber auch, dass der Start in den Beruf nicht einfach für sie war. Der tägliche Umgang mit dem Tod ist nicht für jede und jeden etwas. Deshalb empfiehlt es sich, vor der Ausbildung erstmal ein Praktikum zu machen. Gleich am ersten Praktikumstag in ihrem späteren Ausbildungsbetrieb habe es eine emotional herausfordernde Situation für Kerws gegeben. Dort habe man sie nach Berührungspunkten mit dem Tod gefragt. „Der Mann meiner Schwester hat erweiterten Suizid begangen und meinen Neffen mit in den Tod genommen“, erzählt sie.

Ähnlichen Situationen werde sie in ihrem Beruf nicht entgehen können, deshalb habe ihr Team sie ins kalte Wasser geworfen und ihr angeboten, am nächsten Wochenende bei der Beisetzung eines frühgeborenen Kindes dabei zu sein. „Da habe ich gemerkt, dass der Kopf es schlimmer macht, als es ist. Das war eine Form der Aufarbeitung.“ Dabei habe ihr Team gut auf sie geachtet.

„Eher interessant als belastend“

„Wir sind wie eine kleine Familie. Wir verbringen den Tag zusammen und reden viel darüber, falls es belastende Situationen gibt. Außerdem gibt es das Angebot zur professionellen Hilfe. Das habe ich aber noch nicht in Anspruch genommen.“  Kerws findet ihren Beruf „eher interessant als belastend“. Auch im Ausbildungszentrum  werden die Auszubildenden auf den psychischen Umgang mit dem Tod vorbereitet.

„Irgendwann wird es immer einen Fall geben, der einen nicht loslässt“, erklärt Jessica Beitzel. Sie unterrichtet Trauerpsychologie und Beratung. Dort lernen die jungen Menschen, wie sie mit ihrer Trauer umgehen können. „Man kann nur gute Unterstützung leisten, wenn man mit der eigenen Trauer im Reinen ist“, stellt Beitzel fest.  Im besten Fall könnten sich die Auszubildenden wie Laura Kerws in ihrem Betrieb über schwierige Fälle austauschen. Oder sie können mit Freunden oder Familie reden. Wo das nicht so ist, zeigt Beitzel professionelle Anlaufstellen. 

Ein Feuerwehrhelm neben dem Sarg

Jessica Beitzel ist auch Dozentin für Aufbau und Dekoration. Sie hat ihrer Gruppe den Auftrag gegeben, die Halle für die Trauerfeier eines engagierten Feuerwehrmannes auszuschmücken. Deshalb platzieren die Azubis einen Feuerwehrhelm und einen Feuerwehrschlauch an der Seite des silbernen Sargs.
 Jannis Lassen (20) wollte zuerst Polizist werden. „Mein Onkel ist Bestatter, aber sonst hatte ich dazu keinen Bezug“, erzählt er.

Als es bei der Polizei nicht geklappt hat, habe er Praktika bei seinem Onkel gemacht und entdeckt, dass der Beruf des Bestatters genauso vielseitig sei. Auch er erwähnt sein Team, mit dem er sich austauschen könne, falls ihn eine Situation im Beruf belaste. Lassen sieht hier kein Problem: „Ich denke häufig nicht so lange darüber nach. Ich nehme das auch nicht mit nach Hause.“ 

Auch das Graben wird geprobt

Auf dem Lehrfriedhof  erfahren sie, wie sie Gräber richtig ausheben und zur Beisetzung vorbereiten. Wie das geht, zeigt Dominik Mauer, Dozent für Grabtechnik und Warenkunde. Auf den freien Fleck Erde neben dem Grabstein legt er links und rechts blecherne Schalungen, um die Grube vor einem Einsturz zu sichern. Danach steigt er in einen Bagger und beginnt, ein Loch auszuheben.

 Es fällt auf, dass viele der Auszubildenden über ihre ersten Berührungspunkte mit dem Tod zu ihrem Berufswunsch gefunden haben. Bei Angelina Göbel (19) war das der Tod ihres Opas: „Das war einer der schlimmsten Tage in meinem Leben. Dann kam der Tag der Trauerfeier. Und da ist tatsächlich das Unmögliche passiert.“

In der Trauerhalle sei alles wunderschön hergerichtet gewesen. Außerdem sei ihr Opa leidenschaftlicher Motorradfahrer gewesen, was die Urne widerspiegelte. „Dann kam das, wovon ich gedacht habe, das wird so schnell nicht mehr passieren: Ich musste einfach lachen.“ Alles habe so schön ausgesehen und habe so gut zu ihrem Opa gepasst, dass sie in ihrer Trauer trotzdem einen wunderschönen Moment erlebt habe. Für Göbel sei damit klar gewesen, dass sie den Menschen in den schlimmsten Momenten ihres Lebens auch so einen Moment ermöglichen möchte.
 Vincent Poschenrieder (POW)

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Damit sie ihre Kundschaft fachgerecht beraten können, müssen sich die Auszubildenden zum Beispiel auch mit Sarggriffen auskennen.       -  Damit sie ihre Kundschaft fachgerecht beraten können, müssen sich die Auszubildenden zum Beispiel auch mit Sarggriffen auskennen.
Foto: Vincent Poschenrieder (POW) | Damit sie ihre Kundschaft fachgerecht beraten können, müssen sich die Auszubildenden zum Beispiel auch mit Sarggriffen auskennen.
 
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