Den Samstagvormittag im Januar hatten sich die Bewohner des Michelsgrundes ein wenig anders vorgestellt. Gegen 10.30 Uhr wurden sie zunächst durch einen lauten Knall aufgeschreckt, wie mehrere Anwohner unabhängig voneinander gegenüber unserer Zeitung berichteten. Schnell war klar, es handelte sich um einen Schuss, dem etwa zehn Minuten später drei bis vier weitere Schüsse folgten.
Die Betroffenen wohnen im Michelsgrundweg unmittelbar am Wald und damit auch in unmittelbarer Nähe zum Thoraxzentrum Bezirk Unterfranken und zum Premiumwanderweg „Michelsberg“, der gerade zur Wahl steht für den schönsten Wanderweg Deutschlands.
Sie hat nach dem ersten Schuss aus dem Fenster gesehen, berichtet eine Anwohnerin. Im Dickicht des Waldes hat sie dann einen Jäger bemerkt und eine Frau sprechen hören. Ein Wildschwein lief weg, berichtet sie, dann hat sie gesehen, dass etwas auf der Wiese lag. Also auf einem Grundstück neben dem Haus, das zur Straße hin eingezäunt ist, zum Wald allerdings nicht. „Auf der Wiese lag ein totes Schwein.“
Polizei gerufen
Auf ihrem Grundstück gibt es ein Häuschen, in dem ihre Kinder spielen, sagt die Münnerstädterin. Der Abstand zwischen diesem Häuschen und dem toten Wildschwein betrug 20 Meter. Sie hat dann die Polizei gerufen, die auch nach rund einer halben Stunde vor Ort war. Nach etwa zwei Stunden seien Jäger erschienen, die die Sau weggetragen haben.
Von Schüssen, die „sehr, sehr nah“ gewesen seien, berichtet auch ein anderer Nachbar. Er habe geschaut, was los ist und eine Person mit Hund gesehen. Auch ein flüchtendes Reh hat er zu Gesicht bekommen. Was ihn und seine Nachbarin am meisten stört: „Es kam ohne Vorwarnung, und warum steht da kein Schild?“
Informationen erwünscht
Die beiden haben sich auch mit anderen Nachbarn unterhalten, die allesamt entsetzt über die Vorkommnisse gewesen seien. Vor allem im Hinblick auf die nahe Bebauung, den Premiumwanderweg und die Klinik können sie nicht verstehen, dass dort gejagt werden darf oder hätten sich zumindest gewünscht, dass sie vorher darüber informiert werden.
Auf die Frage, ob eine Treib- oder Drückjagd so nah an der Wohnbebauung und noch dazu an einem beliebten Wanderweg durchgeführt werden darf, antwortet das Landratsamt Bad Kissingen mit einem klaren Ja.
Es gibt örtliche Verbote
Und wie viel Abstand muss gewahrt werden? „Hierzu gibt es keine entsprechende Vorschrift. Die Jagdausübung ist lediglich in befriedeten Bezirken untersagt (Paragraf 6 Bundesjagdgesetz in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 Bayerisches Jagdgesetz)“, heißt es aus der Behörde. In Paragraf 20 des Bundesjagdgesetzes würden zudem „örtliche Verbote“ thematisiert. Dabei gehe es im Wesentlichen um die „öffentliche Ruhe“, beispielsweise während Gottesdiensten oder Beisetzungen.
Des Weiteren dürfe laut dieses Gesetzes die „ öffentliche Sicherheit “ und das Leben von Menschen nicht gefährdet werden. Das bedeute: Pflügt beispielsweise der Landwirt das Feld, darf der Jäger dort nicht jagen; sind weder Landwirt oder eine andere Person auf dem Feld, kann der Jäger dort jagen.
Keine Veröffentlichung nötig
Da stellt sich natürlich die Frage, ob solche Drückjagden nicht vorher öffentlich gemacht werden müssen, damit sich Anwohner und eventuell auch Wanderer darauf einstellen können. Aber auch hier ist die Antwort aus dem Landratsamt eindeutig: „Nein, eine solche Vorschrift gibt es nicht.“
Aber muss dann ein derart bejagtes Gebiet nicht zuvor abgesperrt werden? „Grundsätzlich nicht, es empfiehlt sich aber, an den Zugangswegen Sperren/Hinweise anzubringen“, heißt es aus der Behörde. Auf die Frage, was getan wird, um Wanderer beziehungsweise Anwohner zu schützen, verweist das Landratsamt auf die Antworten zuvor. „Außerdem ist jeder Jäger für seinen Schuss verantwortlich, das heißt er darf den Schuss nur abgeben, wenn er sich vergewissert hat, dass er niemanden gefährdet.“
Diesmal keine Schilder
Es habe keine Gefährdung gegeben, sagt der zuständige Jagdpächter auf Anfrage unserer Zeitung. Es seien auch schon bei solchen Jagden Warnschilder aufgestellt worden, in diesem Fall allerdings nicht. Schon früher sei das Areal auf diese Weise bejagt worden, da gab es aber die Häuser noch nicht, sagt er.
Ein Kommentar dazu:
Das lässt sich wohl nur damit erklären, dass unter der Jägerschaft besonders viele politisch Aktive zu finden sind. Offensichtlich wird von dieser Gruppe die Gesetzgebung sehr jägerfreundlich "gestaltet".
Jagden ohne Absicherung dürfte es überhaupt nicht geben. Was ist mit Radfahren und Spaziergängern?
Erst am 6.1.2022 gab es in Volkach einen tödlichen Jagdunfall bei welchem ein Jäger von einem anderen getötet wurde. So ungefährlich ist das Ganze wohl dann doch nicht.
Und letztendlich sollte der gesunde Menschenverstand allein ausreichen um derartige Gefährdungen von Mitmenschen zu unterlassen - auch ohne Gesetz.
Unabhängig von der Gefährdung durch die Schussabgaben durch die Jäger sind flüchtende bzw. angeschweißte Sauen in einem Wohngebiet auch nicht ungefährlich.
Unabhängig von der Gefährdung durch die Schussabgaben durch die Jäger sind flüchtende bzw. angeschweißte Sauen in einem Wohngebiet auch nicht ungefährlich.
Jetzt gibt es dort aber Häuser. Es gibt Menschen, die dort leben. Kinder, die dort spielen. Wanderer, Besucher und Patienten des Toraxzentrums und vom Haus Windsburg, die die Wege nutzen. Also mitten durch das bejagte Gebiet laufen. Da müsste man doch bei gesundem Menschenverstand schön von ganz alleine auf die Idee kommen, Warnschilder aufzustellen. Müsste man...
Unmittelbar gefährdet wurde diesmal wohl niemand. Gerade noch Glück gehabt, wenn man das unübersichtliche Gelände kennt. Vor knapp drei Jahren ein Tal weiter war das nicht so. Gleiches Jagdrevier, gleicher Jagdpächter: https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/kugel-verfehlt-nur-knapp-zwei-menschen-art-10399662
Man fragt sich dann halt schon, ob das in der Form so nah am Wohngebiet wirklich sein muss!!