
Wer sich bei den Elektrogärten von „else!³“ einen Strom bis zum Umfallen vorstellt, liegt daneben. Denn es geht um zarte magnetische Flüsse. Da strömt auch etwas, und die Auswirkungen dieser Ströme werden bereits seit rund 250 Jahren erfasst und untersucht.
Der Magnetismus ist Teilgebiet des Elektromagnetismus. Die zu Grunde liegende Kraft heißt elektromagnetische Wechselwirkung . Aber auch wer von Physik nichts versteht, kennt die Kräfte von Magneten. Fische, Vögel und Meeresschildkröten orientieren sich am Erdmagnetfeld . Wir Menschen können sie spüren. Warum sollen sie nicht auch im Pflanzenanbau eine Rolle spielen? Corinna Wagner und Inka Schottdorf, die zusammen in Halle Kunst studiert haben, widmen sich diesen Fragestellungen im Treibhaus von „else!³“.
Corona: Viel zeit im Garten
Zur Themenfindung ihres Projekts habe auch die Coronazeit beigetragen, so Wagner. Vielen ging es vielleicht ähnlich wie ihr, die während des Lockdowns im Garten einen Frei-Raum fand und eine noch nie dagewesene Gartenintensität erlebte. Vielleicht war es ein wenig dieser Zeit geschuldet, dass sozusagen das Wachsen des Grases hörbar wurde, das Zittern der erdmagnetischen Strahlen spürbar wurde? Menschen, die mit dem Mond gärtnern, haben mit dem Thema keine Berührungsängste.
Der Begriff Elektrokultur sei irreführend, so Schottdorf, aber sie ist als solche ein Teil der wissenschaftlichen Disziplin Elektrotechnik und zeitige durchaus messbare, auch sichtbare Ergebnisse. Der Umgang mit dem Magnetismus werde dennoch weitgehend im Raum der Kunst oder der Science Fiction verortet.
Sehr interessante Objekte
Dabei hat das Thema bereits eine lange Geschichte: 1910 gab es in Rennes einen Elektrokultur-Kongress, unterschiedliche Personen befassten sich mit den Auswirkungen des Magnetismus bis hinein in den professionellen Pflanzenanbau.
„Wir fanden die wunderlichsten Bilder und Beschreibungen dieser Methode, die auch den großen Raum hin zur Kunst aufmachten,“ so Schottdorf. „Die künstlerisch sehr interessanten Objekte verstärken zum Teil den Erdmagnetismus, um das Pflanzenwachstum anzuregen.“
Zwei Vergleichsfelder
Ganze Äcker werden bereits nach dieser Methode angelegt. So weit gehen die beiden Künstlerinnen im „else!³“-Projekt nicht, jedoch richteten sie jeweils zwei Vergleichsfelder in und an den Treibhäusern ein, um das Wachstum der Pflanzen mit gründlichem Blick zu begleiten.
„Wir haben das alles mit dem Kompass ausgelotet“ so Wagner, „unsichtbar in der Erde versteckt sind die zylindrischen Magnetantennen, es gibt aber auch pyramidenförmige Metallgebilde, die über den Pflanzen aufgestellt werden.“ In der ersten Versuchsreihe habe es Unstimmigkeiten gegeben, denn die dicken Eisenrohre unter den Tischen hätten die feinen Instrumente beeinflusst. „Einzig korrekt ausgerichtet waren in dieser Versuchsanordnung die Salatköpfe, und hier haben wir auch die deutlichsten Unterschiede feststellen können“, so Schottdorf.
Lust auf Forschung
„Aber es wird weiter experimentiert!“, so die beiden Künstlerinnen , die mit viel Lust und Akribie ihre Forschung betreiben und dabei gerne den Austausch pflegen, ihre Ergebnisse anhand von Salatköpfen und Radieschen kommunizieren, und wer noch nie ein Salatblatt einmal ganz bewusst und gründlich ohne Marinade geschmeckt hat, wird erstaunt sein! Auch im Geschmack der Pflanzen lassen sich Unterschiede erkennen, erschmecken.
Weils einfach besser schmeckt!
Der konventionelle Salat ist minimal bitterer, so die einhellige Aussage der Testenden, bei den Radieschen ist die Übereinstimmung noch deutlicher: Sie sind zarter im Schmelz und kräftiger im Geschmack. Im weiteren Verlauf des Experiments dokumentieren die Künstlerinnen auch noch Aussagen über den Wasserbedarf der Pflanzen . Der soll tatsächlich geringer sein, das wäre doch eine Zukunftsperspektive angesichts des Klimawandels, so die Künstlerinnen .
Auch unsere Nervenaktivität besteht unter anderem aus elektrischem Strom, was für ein weites Feld ist da geöffnet und noch nicht bis zum Ende durchforscht! Wer weiß, vielleicht lässt das Elektrogarten-Projekt bei den ein oder anderen Besuchern die Antennen wachsen für neue Wahrnehmungen. Eine Schulklasse aus Oerlenbach jedenfalls hat begeistert mitgemacht und anschließend zwei große Leinwände künstlerisch gestaltet.
Termine für else!3
Die beiden Künstlerinnen sind im Projekt „else!³“ jeweils noch am Samstag, 1., und Sonntag, 2. Juli sowie Freitag, 14., und Samstag, 15. Juli, vor Ort. Auch die Auswertung des Kartoffelexperiments im Herbst wird vor Ort stattfinden.
Das Programm von „else!³“ sowie Kontaktdaten sind außer zu den Öffnungszeiten auch unter projekt-else.de erhältlich.
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