Zum Markenzeichen der traditionellen Osteraufführung gehört es, dass sich die Akteure bei ihrem eindrucksvollen Spiel keiner bekannten literarischen Vorlage bedienen. Das Exposé, wie immer ein Unikat, wurde von einem Mitarbeiter-Team der evangelischen Kirchengemeinde eigens für diesen Zweck geschrieben. Die Gesamtleitung der Präsentation des Mysterienspiels "Der Glasmeister" am Samstag, 20. April, 20 Uhr, in der Bad Brückenauer Friedenskirche liegt wieder in den Händen von Pfarrer Gerd Kirchner.
Bei den letzten Proben in der Woche vor dem Karsamstag steht den Laienschauspielern die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Denn schließlich will jeder an die publikumswirksamen Erfolge der Vorjahre anknüpfen, als beispielsweise der Reformator Martin Luther in Person von Martin Hentschel mit den Gottesdienstbesuchern eine heitere Zeitreise unternahm, oder mit der ehemaligen Bahnstrecke von den Darstellern die Seele eines Landstrichs beleuchtet wurde. Da wird dann auch noch einmal kurzfristig improvisiert, und die eine oder andere Textpassage sinnvoll umgestellt, bis die Spielszene endgültig steht.
Stralsund und Karl Rahner
Die Idee zu dem Stück basiert laut Kirchner gleich auf zwei Säulen. Da war einmal die spontane Inspiration auf einem Bummel durch Stralsund, bei dem der Rhöner Geistliche eine Kirche aus einer für ihn ungewöhnlichen Perspektive betrachten konnte. Zweitens ging ihm ein Zitat von Karl Rahner , der als einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts gilt, nicht aus dem Kopf. Dieser hatte nämlich nachdrücklich postuliert, "dass der Fromme der Zukunft ein Mystiker sein wird oder gar nicht mehr sein wird". In diesem Gespür würden die vielen Osternachtfeiern landauf, landab zu wichtigen Kerngottesdiensten im Kirchenjahr, ist sich der Bad Brückenauer Seelsorger sicher.
Die aktuelle Inszenierung beschreibt über mehrere Tage die Begegnungen eines Touristen mit einem Glasmaler und Mosaikkünstler in einem Dom in einer deutschen Großstadt. Der Glasmeister ersetzt dort die im Krieg zerstörte Fensterfront mit seinen eigenen Entwürfen. Im Laufe von tiefgründigen Gesprächen, die durchaus einige Überraschungen in sich bergen, führt der belesene Handwerker den unbedarften Zeitgenossen in die Bedeutung der Bilder ein. Und mehr noch, bald bewegt sich das Duo fast wie von selbst auf der Ebene der mystischen Begegnung mit uralten christlichen Bildnissen im wahrsten Sinne des Wortes. Der Glasmeister vermittelt seinem Gegenüber, mit dem ihn inzwischen fast eine Freundschaft verbindet, interessante Einblicke in Gottes Wesen und dessen Reich. "Die Person des Touristen verwandelt sich und lernt die Herzensschau", beschreibt Kirchner äußerst plakativ diese Entwicklung.
Unerwartete Wendungen
Natürlich gibt es auch diesmal im Verlauf der Aufführung einige unerwartete Wendungen, die an dieser Stelle aber noch nicht verraten werden sollen. Kein Geheimnis ist es dagegen, dass in dem Stück "Der Glasmeister" wieder eine breite Palette von Themen zum Tragen kommt, die sowohl historische, als auch zeitgenössische und sogar ganz brandaktuelle Bezüge haben.
Auswahl der richtigen Requisiten
Großen Wert haben die Verantwortlichen auf die Auswahl der richtigen Requisiten gelegt, die neben dem gesprochenen Wort und der dazugehörigen Mimik und Gestik für Pfarrer Kirchner das sprichwörtliche Salz in der Suppe sind. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wollen der Geistliche als künstlerischer Leiter und seine Laienschauspieler dem Betrachter eine Anleitung geben, "wie das Mystische im eigenen Leben einen Platz bekommen kann", und zu frischen Entdeckungen ermuntern. Das soll aber alles fernab jeglichen Dogmas passieren, so dass für jeden einzelnen Zuschauer ganz individuelle Interpretationsmöglichkeiten bleiben.
Das Mysterienspiel "Der Glasmeister" wird am Samstag, 20. April, im Rahmen der Osternacht in der Bad Brückenauer Friedenskirche aufgeführt. Beginn ist um 20 Uhr.