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Bad Brückenau
Aufmarsch der Unzufriedenen
200 Menschen versammeln sich am sonnigen Sonntagmittag zu einer Demo mitten in Bad Brückenau. Es geht laut, aber friedlich zu. Doch wofür oder wogegen sind die Demonstranten eigentlich?
In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt       -  In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt. Der Zug führte durch die Unterhain- und die Ludwigstraße.
Foto: Benjamin Wildenauer | In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt. Der Zug führte durch die Unterhain- und die Ludwigstraße.
Benjamin Wildenauer, Steffen Standke
 |  aktualisiert: 16.03.2024 02:44 Uhr

Die Organisatoren - sie hatten die Brückenauer Faschingsrunde gewählt: vom Platz am Alten Rathaus die Unterhainstraße hoch - und dann die Ludwigstraße wieder runter. Beim unbedarften, entfernten Beobachter konnte der Eindruck entstehen, bei der von einigen Schleppern begleiteten, trommelnden und trillerpfeifenden Menschenmasse würde es sich um einen verspäteten närrischen Zug handeln. Das war es überhaupt nicht. Es ging um Protest.

Die Anmelder um die Bad Brückenauerin Claudia Wawerzinek hatten sich sehr bemüht, möglichst viele Menschen für ihre Demo zu gewinnen. "Aus der Mitte für die Mitte" hieß es auf der seit mindestens zwei Wochen in sozialen Netzwerken kursierenden Ankündigung. Jeder sei willkommen, und: "Wir sind weder rechts noch links."

Demo "gegen die aktuelle Bundesregierung" 

Die Ankündigung versprach einen reichhaltigen Mix an Themen. An erster Stelle stand der Protest "gegen die aktuelle Bundesregierung". Es folgten Losungen wie "gegen die Spaltung der Gesellschaft", gegen "künstlich erzeugtes Fleisch aus der Chemiefabrik" und eine Tierwohlsteuer, aber auch für "bezahlbare(n) Lebensmittel, (Wohnraum)" und "bezahlbare Energie", für "Aufhebung der Subvention Streichung", für "Remigration Krimineller Zuwanderer", "unsere Steuergelder für die Deutschen", für MwSt Senkung" und für "neutrale Berichterstattung".

Ein Bild von einem Traktor und eins von einem LKW legten nahe, dass auch Landwirte und Brummifahrer willkommen waren.

Polizei: 200 Teilnehmer und 22 Traktoren

Dieser Bausatz aus Themen zog rund 200 Menschen und 22 Traktoren an; Transparente wurden ausgegeben. So zählte es Thomas Vöth, Leiter der Bad Brückenauer Polizeiinspektion, am Rande des Protestzugs. Einige Demonstranten seien per Bus bis zu 150 Kilometer angereist.

Damit erfüllten sich die Hoffnungen der Initiatoren trotz des malerischen Frühlingssonntags nicht, mehr Menschen auf die Straße zu bringen als das Bündnis "Bad Brückenau ist bunt" am 4. Februar. Damals waren bei scheußlichem Regenwetter zwischen 400 und 500 Menschen am Alten Rathaus zusammengekommen.

Mehr Teilnehmer als bei "Montagsdemos", weniger als bei "Demo gegen rechts"

Immerhin versammelten die Veranstalter der jetzigen Demo mehr Teilnehmer als zuletzt zu den Protestspaziergängen montags beziehungsweise freitags. Bei der Auftaktveranstaltung Anfang Januar waren rund 50 Menschen mitgegangen; zuletzt waren es 15 bis 20.

Nachdem die Menge am Sonntag eine reichliche halbe Stunde durch die Kernstadt gezogen war, ging es am Alten Rathaus in den Redenteil über. Nebenbei konnten sich die Teilnehmer an einem Grillstand stärken, der am Denkmal für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs vor sich hinbrutzelte.

Reden gegen Regierung, Europa und den Wolf

Die Reden zeigten eine klares Weltbild: gegen die Bundesregierung, gegen die Europäische Union, die Nato und die Weltgesundheitsorganisation, gegen die Ukraine, gegen den Wolf.

In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt       -  In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt. Die Botschaften waren klar gegen die aktuelle Regierung und die EU gerichtet.
Foto: Benjamin Wildenauer | In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt. Die Botschaften waren klar gegen die aktuelle Regierung und die EU gerichtet.

Eine Rednerin aus Gersfeld wandte sich gegen die Energieerzeugung durch Windkraft. Sie meinte, Windkraftanlagen würden für Luftverwirbelungen sorgen, die wiederum für ausbleibenden Regen verantwortlich seien.

Eine weitere Rednerin behauptete, Deutschland weise die höchste Wolfsdichte weltweit auf.  Sie deutete an, dass bei der Identifikation von Wolfsrissen von den Behörden verschleiert und gemogelt werde. Auch sprach sie von Drohungen, wenn jemand einen solchen Riss meldet.

Redner sah Ukraine als "korruptesten Staat Europas"

Ein Redner aus Schweinfurt, nach eigenen Angaben "Politikwissenschaftler mit abgeschlossenem Studium", stellte den Weg der Schweiz zu mehr Volksdemokratie vor. Er begann in der Zeit der Bauernkriege um 1525, als die Schweizer sich und ihre Mitbestimmungsrechte - anders als die Deutschen - gegen die Adeligen und Feudalherren durchsetzten.

Ein weiterer Redner aus Schweinfurt bezeichnete die Ukraine als "korruptesten Staat in Europa". Er sprach von der "Großkapitalfirma", die massiv Geld und Waffen an das Kriegsland liefere - und sich längst "die Rechte am Wiederaufbau" nach dem Ende des für die Ukraine ohnehin verlorenen Waffenganges gesichert habe.

Redenbeitrag: Schuld auch bei Angela Merkel

Schließlich forderte noch ein Redner, die westlichen Politiker nur mal kurz in die Schützengräben zu schicken, damit sie wüssten, wie Krieg sich anfühlt. Er bemühte das Gleichnis der Ampel, die nicht nur die Farben rot, gelb und grün, stellvertretend für SPD, FDP und Grüne trage. Sie bestehe aus einem schwarzen Gehäuse. Damit sprach er Angela Merkel (CDU) als Problemschafferin in ihrer 16-jährigen Amtszeit als Bundeskanzlerin an.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits knapp die Hälfte derjenigen von der Demo verabschiedet, die am Umzug durch die Kernstadt teilgenommen hatte. Das bestätigte die mit mehreren Einsatzwagen präsente Polizei. 

Betreiberin des Würzburger Hauses sah "Hetzkampagne"

Schon zu Beginn des Redeteils hatte Julia Reuter als Mitbetreiberin des Würzburger Hauses die Chance genutzt, mit dem früheren Grünen-Landtagskandidaten Mark Decker abzurechnen (der ebenfalls vor Ort war). Dieser hatte den Rhönklub-Zweigverein Würzburg als Eigentümer des beliebten Ausflugslokals über zwei AfD-Posts informiert, die auf einer Facebook-Seite namens "Würzburger Haus" erschienen waren.

In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt       -  In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt. Aus diesem Anlass rollten auch Traktoren durch die Ludwigstraße.
Foto: Benjamin Wildenauer | In Bad Brückenau fand eine Demo mit 200 Teilnehmern statt. Aus diesem Anlass rollten auch Traktoren durch die Ludwigstraße.

Reuter warf Decker eine "Hetzkampagne", unterstützt durch die lokale Presse, vor. Sie stellte ihr Unternehmen als Musterbeispiel für Integration dar und fragte, wie Decker Menschen integriere.

Die Bad Brückenauerin forderte unter Beifall "ein klares Statement zu setzen" und: "Wir wollen diese Regierung nicht mehr. Diese Ampel muss weg." Sie drängte auf sofortige Neuwahlen. Es gebe immer noch einige Menschen, die sich nicht trauten, mit den Anwesenden auf die Straße zu gehen. Nicht, weil sie an die Ampel-Regierung glaubten, "sondern weil sie Angst haben, rechts zu wirken". Die Demo-Teilnehmer seien nicht rechts und auch keine Rassisten. Warum dürften Italiener und Amerikaner stolz auf ihre Nation sein; aber den Deutschen sei das verboten?

Russland-freundliche Sichtweise

Zum Thema Krieg in der Ukraine verbreitete Reuter eine Sichtweise, die so mehr oder weniger auf Russland- und Putin-freundlichen (Propaganda-)Kanälen verbreitet wird. Die deutsche Regierung habe kein Interesse daran zu erfahren, ob die verzweifelten und verängstigten Flüchtlinge aus der Ukraine eine Fortsetzung des Krieges wünschten. Sie hätten Angst, in ein zerstörtes Land zurückzukehren, wo "absolute Korruption" herrsche. Diese Menschen seien weder der deutschen, noch ihrer eigenen Regierung wichtig. "Hier geht es nur noch um Macht, komme was wolle."

Was zwischen der Ukraine und Russland passiere, sei Sache der dortigen Regierung. Fakt sei, dass dort unschuldige Menschen sterben würden, die sich den Konflikt nicht ausgesucht hätten. Genauso sei es zwischen Palästina und Israel. Die westlichen Außenminister hätten nicht zu bestimmen, welche Regierung im Recht sei und welche nicht. Sie hätten für Frieden zu sorgen, mit vernünftigen Gesprächen. Waffenlieferungen sollten verweigert werden - in alle Kriegsgebiete.

Außer Stumpe kein Vertreter von Stadt und Stadtrat da

Ein Vertreter der Stadt Bad Brückenau war bei der Demo nicht zugegen. Bürgermeisterkandidat Dirk Stumpe schaute sich die Veranstaltung zumindest an, nach dem Motto: Die Stimmen aller in der Stadt hören, den Dialog suchen, um Konflikte zu vermeiden.

 
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Kommentare
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  • Peter Wagner
    Die Rednerin Julia Reuter besitzt die Unverfrorenheit Herrn Decker und die Mainpost einer Hetzkampagne zu beschuldigen und stilisiert sich zum Opfer anstatt sich für die AfD-Posts auf der Homepage des Würzburger Hauses zu entschuldigen.
    Julia Reuter und ihr Mann sind nicht nur Pächter des Würzburger Hauses, sondern auch Eigentümer der Gaststätte Brauhaus am See in Thulba.
    Hier trifft sich regelmäßig die AfD zum Stammtisch. Auf der Seite der AfD Unterfranken-Nord wird für den 14.03. wieder zu einem geselligen Abend unter Gleichgesinnten, mit interessanten Gesprächen in lockerer Atmosphäre ins Brauhaus am See eingeladen.
    Man hört, dass das Brauhaus scherzhaft schon das Brau(ne) Haus am See genannt wird.
    Jeder sollte sich gut überlegen, auf welcher Demo er "mit"-läuft und in welchem Rhöner Gasthaus man etwas verzehrt.
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  • Peter Wagner
    Auf eigenen Wunsch hin gelöscht
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  • Emily-Sophie Schrodt
    Herr Wagner hat sich telefonisch bei uns gemeldet und um Löschung gebeten, ich habs schon mal gemacht...
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  • Jürgen Huller
    "...ihrem handeln", "...verpißt..." "Sie sähen nicht. sie ernten nicht. aber ..."

    Die deutsche Rechtschreibung und Grammatik hat an der Demo jedenfalls nicht teilgenommen.
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