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Oberwildflecken
Im Rhöner Wald wird Inventur gemacht
In einem deutschlandweiten Großprojekt werden die Bäume erfasst - auch in der Rhön. Davon profitieren nicht nur Waldbesitzer und Sägewerke.
Bei der Bundeswaldinventur erfassen Joachim Eßlinger und Laura Winckelmann auch Daten wie die Höhe des Baumes und dessen Stammdurchmesse. Foto: Steffen Standke       -  Bei der Bundeswaldinventur erfassen Joachim Eßlinger und Laura Winckelmann auch Daten wie die Höhe des Baumes und dessen Stammdurchmesse. Foto: Steffen Standke
| Bei der Bundeswaldinventur erfassen Joachim Eßlinger und Laura Winckelmann auch Daten wie die Höhe des Baumes und dessen Stammdurchmesse. Foto: Steffen Standke
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 17.08.2022 03:50 Uhr

Am Fuße des Kreuzbergs, bei Oberwildflecken , gibt es im Moment zwei Menschen, die sich besonders für den Wald interessieren. Sie schlingen Maßbänder um Stämme, blicken mit seltsamen Geräten in Baumkronen, begutachten und vermessen bemooste, halb vermoderte Stümpfe. Die Daten tragen sie in ein Laptop ein.

Joachim Eßlinger und Laura Winckelmann vom Bayerischen Landesamt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF) tun das, weil sie einen klaren Auftrag haben. Und der heißt Bundeswaldinventur. Alle zehn Jahre wird im ganzen Land ermittelt, was an Bäumen im Wald steht. Art und Alter der Bäume wird unter anderem erfasst, aber auch Stammdurchmesser, Höhe und was an Verjüngung und Bodenvegetation da ist - insgesamt 150 Parameter.

Die Inventur dauert insgesamt zwei Jahre. Erhoben wird der Ist-Zustand; Interpretationen wie "Der Wald ist krank" werden nicht vorgenommen.

Aber die Ergebnisse werden laut Oliver Kröner, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Bad Neustadt, nützlich für verschiedene Gruppen sein: für Forstleute und Waldbesitzer, für Naturschützer , aber auch Betreiber von Sägewerken, die wissen wollen, mit wie viel und mit welchem Holz sie künftig auf dem Markt rechnen können. Aber auch Politiker dürften die Daten interessieren. Geht es doch angesichts des Klimawandels um den Erhalt und Ausbau des Waldes als Kohlenstoffspeicher.

Natürlich können die 19 speziell geschulten Forstleute in den zwei Jahren nicht jeden Baum in Deutschland erfassen. Deswegen wurde ein Raster aus Flächen von vier mal vier Kilometern über das Land gelegt. Darauf wurden "Inventurpunkte" abgetragen. "Liegt ein Inventurpunkt im Wald , so wird er von den Försterinnen und Förstern für die Aufnahmen aufgesucht", heißt es in einer Pressemitteilung von AELF und LWF. In Bayern seien rund 8000 solcher Orte aufzunehmen; mehr als 100 000 Bäume würden vermessen.

Joachim Eßlinger und Laura Winckelmann bringen die Waldinventur in Unterfranken voran, aber auch in den Landkreisen Coburg und Neustadt/Aisch. Für Eßlinger ist es die dritte; er verfügt über große Erfahrung.

Mehrere Wochen beackert der "Inventurtrupp" Winckelmann/Eßlinger auch die Rhön, so den Wald am Fuße des Kreuzbergs. Ihre Arbeit beginnt immer mit der Suche nach einem sogenannten "Eisen". Das ist ein Metallstück, das an einer bestimmten Stelle innerhalb des Rasters im Boden "versteckt" sitzt. Es dient als Referenz- und Ausgangsort für die folgenden Untersuchungen. Gar nicht so einfach, das kleine Metall im Unterholz zu finden, zumal gerade in der Rhön viele magnetische Steine das Suchgerät ablenken.

Der zweite Schritt ist die "Verjüngungsaufnahme". Dabei wird ermittelt, was in einem Zwei-Meter-Radius um einen bestimmten Punkt unter den Kronen an jungen Bäumchen nachkommt. Stämmchen bis sieben Zentimeter Durchmesser werden erfasst, die Sprösslinge Höhenkategorien zugeordnet. Aber auch Schäden durch Wildverbiss nehmen die Forstleute auf.

Der Verjüngungs- folgt die Totholzaufnahme. Im Umkreis von fünf Metern um das Eisen werden Baumstubben sowie liegendes und stehendes totes Holz nach bestimmten Parametern kartiert und der Zersetzungsgrad bestimmt. Er reicht von "unzersetzt" über "beginnende Zersetzung" und "starke Zersetzung" bis "vermodert". Dies ist wichtig, um Rückschlüsse zu ziehen, wieviel Kohlenstoff im Wald gebunden ist und bald freigegeben wird.

Bei der Winkelzählprobe werden nach einem etwas komplizierten Ausschlussprinzip die größeren, lebenden Bäume erfasst. Aufgeschrieben werden Baumart, Standort, Stammdicke, aber auch, wieviel grüne Krone vorhanden ist. Forstexperten können daraus ableiten, wie aktiv die Bäume bei der Photosynthese - und damit beim Binden von Kohlenstoff - sind und wie stark der Wald wächst. Anhand der Daten der Bundeswaldinventur von 2012 lässt sich vergleichen, welche Bäume von damals noch da sind und welche gefällt wurden.

Auch die Höhenmessung erwachsener Bäume gehört zur Inventur. Dafür klettert niemand die Stämme hinauf. Vielmehr peilt Joachim Eßlinger per Ultraschall aus circa 35 bis 40 Metern Abstand mit einem Entfernungs- und Höhenmessgerät einen am Stamm angebrachten Transponder und den höchsten Punkt der Krone an - den Rest errechnet das Gerät . Dafür braucht Eßlinger aber freie Sicht - im dichten Wald oft schwer zu finden.

Neben diesen Standarddaten vermerken die Inventurleute Besonderes: Schäden an Stämmen, Rückeschäden, durch Blitzeinschlag entstandene Rinnen, Totholz, das noch im Baum hängt.

Ein bis zwei Stunden dauert die Erfassung an einem Inventurpunkt. Das kann zum Beispiel davon abhängen, wie schnell das Team das Eisen findet. Oder ob es einen freien Blick für die Höhenmessung findet. Orientierungsschwierigkeiten haben die Prüfer auch auf Flächen, die zuvor - zum Beispiel wegen Borkenkäferbefalls - vollständig von Bäumen befreit werden mussten.

2024 sollen die Ergebnisse der Inventur vorliegen. Der bayerische Inventurleiter Wolfgang Stöger will dem nicht vorgreifen. Aber eine Aussage wagt er doch: "Der Anteil der Laubwälder in Deutschland wird zunehmen."

 
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