Am 7. Juli 2014 um exakt 3.33 Uhr in der Nacht hat das größte Abenteuer im Leben von Monique, Daniel, Juliane, Sebastian, Stefan und Andreas seinen Lauf genommen.
Juliane hatte auf ihren Schlaf verzichtet, den Computer rechtzeitig angeworfen und sich bereit gemacht. Als die Uhr jene Zeit von 3.33 Uhr anzeigte, drückte sie die nötigen Tasten – und ihre Clique vom „Opel Team KG“ hatte sich erfolgreich beworben für eine Autorallye, die von Oberstaufen im Allgäu bis nach Amman in Jordanien führte.
„In vier Minuten waren die 111 Startplätze für die regulären Teams vergeben“, lacht Juliane Then aus Windheim bei Münnerstadt. Die vier Minuten waren die kürzeste Etappe bei diesem großen Abenteuer „Rallye Allgäu-Orient“.
Denn dann stand erst einmal ein Jahr Vorbereitungszeit an, bis die Gruppe am 10. Mai um 11.11 Uhr von Oberstaufen im Allgäu loslegen konnte.
„Zuerst einmal mussten die Fahrzeuge organisiert werden“, erzählt Sebastian Ziegler aus Windheim. Und mit Stefan Seiffert aus Haselbach wurde der sechste Mann gefunden für das abenteuerliche Rennen. Er ist der einzige nicht-Opel-Freak im Team. „Was, ihr startet mit Opel? Ganz schön mutig!“, mit solchen und ähnlichen Worten des Spotts musste das sechsköpfige Team zu Beginn leben.
Die kuriose Startbedingung, dass die Fahrzeuge entweder älter als 20 Jahre sein mussten oder nicht mehr wert als 1111 Euro sein durften, wurde locker erfüllt. Drei Opel Omega B aus dem Baujahr 1995 haben die Freunde der Rüsselsheimer Automarke im Hessischen aufgetrieben und klar für die Rallye gemacht. „Wir haben auch einen Unterboden angeschweißt, der uns eine große Hilfe war“, erzählt Juliane.
Den Papierkram erledigte zum Großteil das Allgäuer Organisationsteam, Impfungen zum Beispiel gegen Hepatitis wurden in der Rhön erledigt. Kennenlerntreffen im Allgäu wurden 2014 absolviert, im März 2015 ging es noch mal nach Oberstaufen zur Teamvorstellung. Dann, am 10. Mai, einem Sonntag, um 11.11 Uhr fiel der Startschuss für die sechs jungen Leute aus Rhön-Saale. „Da war schon Herzklopfen dabei, jedes Team wurde bei der großen Start-Party von einem Moderator persönlich verabschiedet“, erinnert sich Sebastian.
„Im Gepäck hatten wir Dachziegel, Holzbretter und Schulranzen, alles für ein Kinderprojekt in Jordanien“, berichtet Monique Grable aus Haselbach, die mit ihrem Freund Daniel Holzheimer das Sechser-Team perfekt machte. Dann ging es los über Österreich und Kroatien an der Küste entlang Richtung Türkei. In Bulgariens Hauptstadt Sofia hatten sie ihr erstes Erlebnis zur Hilfsbereitschaft in den Balkanstaaten. „Wir waren auf einmal mitten in Sofia und es gab kein Schild weit und breit, das uns aus der Metropole half“, erzählt Stefan Seiffert. Kurzerhand haben sie einen Taxifahrer in der Nähe angesprochen und der hat die drei Fahrzeuge im Mini-Konvoi aus dem Moloch auf die richtige Überlandstraße geleitet. Autobahnen und die Nutzung eines Navigationsgerätes waren tabu für die wagemutigen Rallye-Piloten.
Nach vier Tagen haben die vier Jungs und zwei Mädels Istanbul erreicht, das ehemalige Konstantinopel. „Ich habe nie gedacht, wie lange 500 Kilometer sein können“, sagt Seiffert über so manche beschwerliche Tagesetappe. Ein paar Stunden am Mittelmeer waren natürlich auch drin für das Opel Team KG, aber es mussten doch auch viele Aufgaben gelöst und Museen besucht werden auf der Fahrt.
Wie einen Schatz hüten die Rallye-Teilnehmer das Road-Book. Es wurde ihnen zu Beginn der Tour ausgehändigt und enthält die Aufgabenstellungen und Navigations-Anweisungen für die Teams. Ergänzt um eigene Bilder, Quittungen von Campingplätzen oder andere Fundstücke von diesem transkontinentalen Abenteuer.
Andreas Miller: „Das Gute war, dass wir immer in Kontakt mit den Menschen kommen mussten.“ Zum Beispiel bei der Sache mit der Kupplung. Die war bei einem der Fahrzeuge kaputt gegangen. Über einige Ecken ist es ihnen gelungen, eine Opel-Werkstatt ausfindig zu machen. „Der Mechaniker ist heute unser Facebook-Freund“, schmunzelt Sebastian Ziegler aus Windheim.
An der berühmten Blauen Moschee von Istanbul hat der Pulk von 111 Rallye-Teams ein Nachtlager aufgeschlagen – selbstverständlich mit Duldung der örtlichen Behörden. Auch denen ist die Orient-Rallye besonders wichtig als Zeichen der Völkerverständigung. „Beim Weckruf des Muezzin um 5 Uhr standen wir Gewehr bei Fuß“, lacht Monique Grable.
In Istanbul wurden sie immerhin die Bretter los, die für ein Istanbuler Jugendheim gedacht waren. Nach Istanbul mussten gewisse Checkpunkte passiert werden, für die Teams. Von Adana in der Südtürkei aus wurden die Fahrzeuge mit einer Fähre ins israelische Haifa gebracht, die Teams reisten per Flugzeug und über Tel Aviv hinterher.
In Haifa übernachteten die Rhöner zusammen mit einem weiteren Team, also zu zwölft, bei einer netten Israelin, die spontan ihre Wohnung zur Verfügung stellte, eine unvergessliche Geste.
In Haifa gab es auch das größte Problem für die Rhöner. „Es gab ein Missverständnis mit der grünen Versicherungskarte. Bei einem Fahrzeug bestand kein Versicherungsschutz für Israel“, erinnert sich Andreas Miller an bange Stunden bei den Zollbehörden. Eine Reihe von Telefonaten mit Deutschland und Stunden des Wartens gehörten dazu.
Irgendwann beschloss das Team, dass zwei Fahrzeuge schon mal vorausfahren und Andreas Miller am Hafen von Haifa wartet, bis die Formalitäten geklärt sind. „Das war Chaos hoch 39“, erinnert sich der Bad Kissinger. Nach neuneinhalb Stunden ging es endlich weiter für ihn und seinen Opel Omega B.
Das eher europäisch geprägte Israel und Palästina waren beeindruckende Stationen für die Rhöner Rallye-Fahrer. „Jerusalem war eine ganz andere Welt und ganz beeindruckend“, erzählt Monique Grable. Übernachtet hat das Team auch in der Geburtsstadt Jesu im heute palästinensischen Bethlehem.
Das Ziel Jordanien war jetzt nicht mehr allzu weit weg. Aber die Teams mussten noch ganz in den Norden fahren, weil nur ein Grenzübergang nach Jordanien auf den Ansturm vorbereitet war. „Witzig war das Begrüßungsschild am Grenzübergang. Die hatten 'Al-goy Rally' darauf geschrieben“, schmunzelt Sebastian Ziegler.
Das Nachtlager in Jordanien, erinnert sich Monique Grable, glich einem Militärlager. Der Schutz der europäischen Gäste hatte hohe Priorität und wurde womöglich gleich für eine Art Militärübung genutzt, glauben die Männer und Frauen des Teams.
In Jordaniens Hauptstadt Amman war das Ende der Reise fast erreicht. Dort wurden die Schulranzen und Dachziegel für das Kindermuseum von Amman abgeliefert, ein Teil des sozialen Aspektes der Rallye. Die Freundlichkeit der Menschen entlang der Route wird unvergessen bleiben für die Rhöner Abenteurer. „Wir haben uns manchmal wie Popstars gefühlt“, schmunzelt Monique Grable.
Das richtige Ende der Reise war nach 21 Tagen aber am Toten Meer erreicht. Dort wurden die Autos aller Teilnehmer ausgeschlachtet, um Gelder für Hörgeräte und Operationen zu sammeln. Eine Nacht im Hotel am Toten Meer entschädigte für die Strapazen der Rallye, die Tage bis über 40 Grad im Schatten bescherte. Der Clou: Die Rhöner Novizen errangen den dritten Platz unter 111 Teams.
„Erst jetzt in der Rückschau bemerkt man eigentlich, welche einmaligen Erlebnisse wir hatten“, sagt Andreas Miller. Die Frage, ob sie sich schon bald wieder für die Rallye bewerben wollen, verneinen die sechs aber einstimmig. Und schmunzeln hinterher: „In zehn Jahren vielleicht noch einmal.“
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