
Noah (5) und Sabine (4, Name geändert, Anm. d. Red.) trainieren ihr Immunsystem den ganzen Tag an der frischen Luft. Sie besuchen mit 23 Altersgenossen den Waldkindergarten am Sinnberg, wo sie bei Wind und Wetter draußen spielen. Sabine sammelt am liebsten Waldschätze wie Blätter, Nüsse und Vogelfedern, Noah liebt es, mit Holz zu arbeiten, und: "Es gibt den Piratenplatz, da gibt es ein Tipi und da kann man toll klettern", erzählt der
Junge.
Jetzt wo es kalt wird, sind die Kinder dick und vor allem wasserdicht eingepackt. Außer zum Essen sind sie in der Regel draußen. "Gesundheit und Bewegung sind große Säulen unserer Pädagogik. Wenn man den ganzen Tag draußen ist, härtet man sich ab", sagt Kindergartenleiterin Vera Wilm. Zwar hätten die Kinder wie andere auch mit Erkältungskrankheiten zu kämpfen, aber dass sich Infekte epidemieartig wie in
Regelkindergärten ausbreiten und Kinder wie auch Erzieher über Wochen dezimieren, komme nicht vor. "Das kennen wir nicht", berichtet Wilm aus ihrer Erfahrung.
"Kindergärten bieten insgesamt ein gutes Immuntraining", sagt Dr. Andreas Rüffer, Leiter des medizinischen Bereichs des mikrobiologischen und chemischen Analyti klabors L+S in Großenbrach.
Der Kontakt mit anderen Kindern, Mikroorganismen und anderen Umwelteinflüssen seien wie Sparringspartner, auf deren Angriffe der Körper sich einstellen muss. Eine zu sterile Umgebung könne die immunologische Entwicklung beeinträchtigen. Unter Wissenschaftlern wird diskutiert, ob ein zu keimfreies Umfeld eine Ursache für Allergien sein kann.
"Wenn die Immunabwehr nicht ausgelastet ist, besteht die Gefahr, dass sie sich eine andere Beschäftigung sucht", erklärt Rüffer.
Tipps für den Alltag
Angefangen in der eigenen Wohnung über öffentliche Plätze bis hin zum Arbeitsplatz: Das Labor L+S hat für die Saale-Zeitung die Keimbelastung an verschiedenen Orten untersucht, die zum alltäglichen Umfeld der Menschen
in der Region gehören. Gemessen wurde ausschließlich die Belastung von bakteriellen und nicht die von Viruserregern. Die Ergebnisse werden in den nächsten Wochen in einer Hygieneserie veröffentlicht. Ziel ist es, abseits von schlagzeilenträchtigen Hygieneskandalen in Kliniken rund um das Thema Keime und Hygiene aufzuklären.
Was gilt für den Alltag? Ist es gesundheitlich bedenklich, ohne Badelatschen ins Schwimmbad zu gehen? Und welche Tipps gibt es, um die Keimbelastung in der Zahnbürste zu verringern?
Weniger Antibiotika verwenden
Rüffer warnt vor Schwarz-Weiß-Malerei. "Das Motto nur eine tote Mikrobe ist eine gute Mikrobe gilt nicht. Ohne Mikroorganismen wären wir nicht lebensfähig", sagt er.
Menschen mit einer intakten Immunabwehr sind in der Lage, die meisten Mikroben abzublocken.
Schlampige Hygiene, Krankenhausinfektionen und multiresistente Erreger bereiten dem Gesundheitswesen dagegen Probleme. Die Behandlung mit Antibiotika stoße an Grenzen. Rüffer hält ergänzende, probiotische Strategien für sinnvoll. "Zu einer Infektion gehören immer zwei, der Wirt und der Erreger", sagt er. Antibiotika sollten nur gezielt eingesetzt werden.
Nicht nur, weil das die Gefahr mindert, dass Keime resistent werden, sondern weil Antibiotika die körpereigene mikrobiologische Flora angreifen. Wird die nicht wieder gestärkt, "ist der nächste Infekt häufig vorprogrammiert", erklärt Rüffer.
Noah und Sabine im Waldkindergarten kümmert das wenig. Sie nehmen ihre Matschklamotten und gehen ihre Abwehrkräfte trainieren.
Hygiene im Alltag
Serie Von der öffentlichen Toilette über den Schreibtisch im Büro bis zum Putzlappen in der heimischen Küche. Auszubildende vom Labor L+S haben unter fachlicher Anleitung für die Saale-Zeitung die Keimbelastung an verschiedenen Orten untersucht. Im Rahmen einer Serie stellt die Redaktion die Ergebnisse in den nächsten Wochen vor und gibt Hygienetipps für den Alltag. Im nächsten Teil geht es um das heimische Badezimmer.