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Bad Kissingen
Hilla Schütze erinnert sich an Bad Kissingens Kutscherzeit
Erinnerungen an ein bewegtes Leben: Vom Kutscher Dominik aus Garitz, über den Astronauten Neil Armstrong bis hin zu dem deutschen Naturwissenschaftler Manfred Ardenne. Das erzählt Hilla Schütze.
Hilla Schütze mit ihren Erinnerungsfotos an den Garitzer Kutscher Dominik
Foto: Benedikt Borst | Hilla Schütze mit ihren Erinnerungsfotos an den Garitzer Kutscher Dominik
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 20.09.2024 02:34 Uhr

Die 85-jährige Bad Kissingerin versteht es Geschichten zu erzählen. Als sie vor kurzem einen Artikel in dieser Zeitung gelesen hatte, der von dem früheren Kutscherwesen in Bad Kissingen berichtete, fielen ihr sofort ein paar Anekdoten ein, die die Zeit von damals noch einmal aus anderer Perspektive lebendig werden lassen.

Schütze arbeitete als junge Frau in den 1960er Jahren im Sanatorium Dr. Lechmann im Altenbergweg im Büro und im Empfang. Zu dieser Zeit wohnte sie noch in ihrem Elternhaus in der Prinzregentenstraße.

Der Kutscher Dominik aus Garitz

Den Weg zur Arbeit legte sie meistens zu Fuß zurück, am Kurgarten vorbei, über die Saale und dann durch den Kurpark. „Öfters begann mein Dienst um 10 Uhr. Am Kurgarten standen damals noch zwei Kutschen , eine davon vom Kutscher Dominik aus Garitz gefahren“, erzählt sie.

Ausflugsfahrt mit Kutscher Dominik
Foto: Archiv Hilla Schütze | Ausflugsfahrt mit Kutscher Dominik

Zu Dominik pflegte sie ein gutes Verhältnis. Sie beschreibt den Kutscher als älteren, herzlichen, liebenswürdigen und fröhlichen Mann, einen „richtigen Göritzer“. Wenn ihr Dienst um 10 Uhr begann, lud Dominik sie hin und wieder ein, in seiner Kutsche mitzufahren und zum Sanatorium zu bringen. „Ich fand die Geste sehr nett und es hat mir eine Freude gemacht, so edel gefahren zu werden“, sagt sie.

In solchen Fällen rief der Kutscher gut gelaunt: „Komm Mädle, steig ei, ich foahr dich rü!“ Und so fuhr eine stolze Hilla Schütze ganz vornehm im offenen Landauer am Sanatorium vor. Für den Kutscher war das wiederum eine gute Werbung, auch weil sie ihn bei den Gästen des Sanatoriums anpries. „Die Gäste auf der Terrasse sind auf das Pferdegetrappel aufmerksam geworden und kamen dann an den Eingang des Sanatoriums herunter“, berichtet sie.

Ein Strauß blühender Blumen

Meistens sicherte sich Dominik dadurch Aufträge für Ausflugsfahrten durch die Wildfuhr nach Aschach oder zur Ruine Aura.  Auf einer dieser Ausflugsfahrten hielt der Kutscher Dominik mitten im Wald an, um für seine Freundin einen Strauß blühender Blumen und Zweigen zu pflücken.  

Er stoppte die Kutsche und erklärte den Fahrgästen : „Jetzt müsst ihr emol wart, ich muss en Strauß pflück für die Hilla Schütze “. Davon gibt es sogar ein Foto , welches der Bad Kissingerin bis heute ein ganz besonders liebes Erinnerungsstück ist.

Kutscher Dominik pflückt einen Strauß für Hilla Schütze auf der Strecke von Bad Kissingen nach Aschach.
Foto: Archiv Hilla Schütze | Kutscher Dominik pflückt einen Strauß für Hilla Schütze auf der Strecke von Bad Kissingen nach Aschach.

Eine blaue und eine grüne Kutsche

Pferdenärrisch war Hilla Schütze von klein auf. Die Begeisterung wurde ihr von ihrem Großvater mitgegeben. Dieser praktizierte in Bad Kissingen als Kur- und Landarzt. Um seine Praxis zu bedienen, unterhielt er zwei Kutschen – eine grüne und eine blaue.

„Je nachdem, welche Kutsche gefahren wurde, hatten die Kutscher farblich passende Kleidung an. Es war schon sehr vornehm“, erzählt sie. Der Stall, in dem die Pferde untergebracht waren, steht übrigens bis heute in Schützes Elternhaus in der Prinzregentenstraße 13.

Besuch vom ersten Mann auf dem Mond

Eine weitere besondere Erinnerung verbindet mit den Kutschern Bad Kissingens, genauer gesagt mit der Postkutsche und dem Besuch von dem Astronauten und ersten Mann auf dem Mond, Neil Armstrong , in der Kurstadt.

Der berühmte amerikanische Raumfahrer landete am 8. August 1970 mit einem Segelflugzeug am Flugplatz in der Au. „Ich habe mich dafür interessiert, mich an die Straße gestellt und ihm beim Vorbeifahren auf der Postkutsche fotografiert“, schildert sie. Mit dem Foto ist ihr ein lokales Zeitzeugnis gelungen, dass bis heute auch mehrmals in der Heimatzeitung abgedruckt wurde.

Hilla Schützes Einladung zu einem Filmdreh

Auf dieses Foto wiederum wurde eine österreichische Filmgesellschaft aufmerksam. Es sollte eine Unterhaltungssendung zu Antiquitäten und Raritäten entstehen. Ein Vertreter meldete sich 2021 bei ihr und lud Schütze zu einem Probedreh nach Wien ein, damit Schütze vor laufender Kamera die Geschichte hinter dem Armstrong-Foto erzählt. „Das Foto ist meiner Meinung nach aber keine Antiquität“, sagt Hilla Schütze .

Zum Dreh fuhr sie dennoch, allerdings mit einem alten Röhrenradio und einer Biografie mit Widmung des Erfinders im Gepäck. Manfred von Ardenne war ein deutscher Naturwissenschaftler und Techniker.

Hilla Schütze bei den Probedreharbeiten in Wien mit Kunsthändler Wolfgang Pauritsch.
Foto: Archiv Hilla Schütze | Hilla Schütze bei den Probedreharbeiten in Wien mit Kunsthändler Wolfgang Pauritsch.

Der deutsche Naturwissenschaftler Manfred Ardenne

Als Forscher war er vor allem in der angewandten Physik tätig. Er ist Urheber von rund 600 Erfindungen und Patenten, angefangen bei der Funk- und Fernsehtechnik bis zur Medizintechnik. Hilla Schütze lernte den renommierten Forscher bei einem Besuch im Sanatorium Dr. Lechmann kennen, wo der Wissenschaftler sich ein Bild davon machte, wie ein von ihm entwickeltes medizinisches Verfahren zur Sauerstoffanreicherung im Blut in der Praxis funktioniert. Bei dieser Gelegenheit signierte er die Biografie, die Hilla Schützes technikbegeistertem Bruder gehörte.

Widmung des berühmten Wissenschaftlers Manfred von Ardenne für Hilla Schützes Bruder.
Foto: Benedikt Borst | Widmung des berühmten Wissenschaftlers Manfred von Ardenne für Hilla Schützes Bruder.

Mit dieser Geschichte, dem Buch und dem von Ardenne entwickelten Radio ging es also für Hilla Schütze zu den Dreharbeiten nach Wien. Als Experte stand ihr der aus der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ bekannte Kunsthändler Wolfgang Pauritsch zur Seite. „Das war für mich ein sehr spannendes Erlebnis“, sagt sie.

Ob die Aufnahmen verwertet und ausgestrahlt wurden, weiß Schütze selbst nicht. Der Kontakt zur Filmgesellschaft brach seitdem ab; eine Nachfrage von redaktioneller Seite ist nicht möglich, weil Stillschweigen zwischen der Bad Kissingerin und dem Unternehmen vereinbart wurde und der Name der Gesellschaft der Redaktion nicht bekannt ist.

 

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