
Eine historische Entscheidung hat der Hammelburger Stadtrat am Montagabend in nicht-öffentlicher Sitzung getroffen: 678 Jahre nach Gründung der Stiftung (siehe Bericht unten) soll die stationäre Seniorenpflege im Bürgerspital zum 31. Dezember 2021 enden. Ein sichtlich bewegter Bürgermeister Armin Warmuth ( CSU ) veröffentlichte den Beschluss, der auch seinen gestrigen Arbeitstag bestimmte: Am Morgen informierte er das Personal, um 12 Uhr gab es eine Video-Konferenz für die Angehörigen der aktuell 28 Bewohner.
"Es geht nicht ums Nicht-Wollen, sondern ums Nicht-Mehr-Können", verteidigte Warmuth den Entschluss, der mit einer "deutlichen Mehrheit" gefallen sei. Offenbar gab es am Ende nur drei Gegenstimmen. Warmuth sprach von einer "schwerwiegenden Entscheidung, die keinem leicht gefallen ist". Das Bürgerspital verfügte ursprünglich über 38 Pflegeplätze, wegen der baulichen Situation wurden sie auf 35 reduziert, von denen aktuell 28 belegt seien. "Es ist schwierig, so ein kleines Haus zu führen", würdigte er die Leistung von Heimleiter Guido Gombarek und seinem 30-köpfigen Team. In den vergangenen Jahren hätten die Jahresergebnisse im Schnitt minus 45 000 Euro betragen. Das Ergebnis 2020 liege noch nicht vor, könnte aber durch Corona-Hilfen besser ausfallen. Warmuth betonte, dass die Stadt nie beim Bürgerspital draufzahlen musste: "Die Defizite wurden bisher immer aus der Substanz der Stiftung gedeckt."
Corona verschärfte Situation zusätzlich
Der Bürgermeister erinnerte an die extrem schwierige Situation an Ostern 2020: In der Folge eines Corona-Ausbruchs in der Einrichtung starben insgesamt sechs Menschen. Den Ausschlag für die jetzige Entscheidung habe das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg im Dezember gegeben: 2011 trat ein neues Pflege- und Wohnqualitätsgesetz in Kraft. Das Bürgerspital erfüllte mehrere Mindestanforderungen nicht mehr, insbesondere sind viele Bewohnerzimmer zu klein, zu wenige wirklich barrierefrei und verfügen über keine Nasszelle. Aktuell sei dazu gekommen, dass mehrere Pflegekräfte nach der juristischen Niederlage das Haus verlassen haben. Zudem sei der Altersdurchschnitt beim Personal sehr hoch: 54 Jahre bei den Pflegehilfskräften, mehrere Mitarbeiter stünden kurz vor dem Ruhestand .
Wiederholt habe der Stadtrat in den vergangenen Monaten mit beauftragten Architekten und Pflege-Experten über die Zukunft des Bürgerspitals beraten. Ergebnis: Mindestens drei Millionen Euro wären für Umbauten nötig gewesen, die Pflegesätze hätten sich dadurch um 600 Euro pro Monat erhöht. "Das Heim wäre nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen", betont Warmuth. Hinzu gekommen wären Einnahmeausfälle während des Umbaus, weil die Bewohner auf alle Fälle hätten umziehen müssen.
"Wir werden alles tun, um die Bewohnerinnen und Bewohner hier in Hammelburg zu halten", kündigte Warmuth an. Gestern besuchte er eine nicht-öffentliche Sitzung des Stiftungsausschusses der Carl-von-Heßschen Sozialstiftung . Der Stadtrat erteilte der Verwaltung den Auftrag, mit der Stiftung über die Aufnahme von Bewohnern und Mitarbeitern sowie eine künftige Nutzung des Bürgerspitals zu verhandeln.
"Wir haben momentan Plätze frei", bestätigt Marco Schäfer, Vorstand der Carl-von-Heßschen Stiftung. Wegen Qualitätsdefiziten habe es im August 2019 einen Aufnahmestopp für das Maria-Probst-Heim am Krankenhaus gegeben. Auch bei der kreiseigenen Stiftung war das neue Gesetz ein großes Thema: Ein zweiter Anbau mit 14 rollstuhl-geeigneten Zimmern wurde nötig. Weil andere Zimmer im Bestand wegfielen, erhöhte sich die Gesamtzahl der Plätze allerdings nur von 119 auf 122. 2020 sei noch im Bestand saniert worden, aktuell seien rund 90 Plätze belegt. Auch Pflegekräfte seien willkommen, aber: "Es gibt keine Betriebsübernahme, sondern die Zusage, bestmöglich zu helfen."
Zu den drei Stadträten , die gegen die Aufgabe des Heimbetriebs stimmten, gehört Norbert Schaub ( SPD ). Er habe sich in seinem Bürgermeisterwahlkampf klar zum Bürgerspital als "sozialem Herzen" der Stadt bekannt, deshalb habe er jetzt dagegen stimmen müssen, sagte er auf Nachfrage, und: "Es gibt immer Alternativen." CBB und SPD hatten einen Antrag gestellt, eine weitere Verlängerung der Betriebserlaubnis bis mindestens 2026 zu beantragen. Das lehnte die Mehrheit des Stadtrates jedoch am Montagabend offenbar ab.
Laut Bürgermeister Warmuth wurde die Nachricht beim Personal und bei den Angehörigen am Dienstag gefasst aufgenommen. Das Personal habe er vorbereitet, einige hätten sich bereits zu einem Wechsel bereit erklärt. "Wir haben ausreichend Zeit", sagt Warmuth.
Allerdings gab es auch Kritik: "Es war seit Jahren das Ziel, das Bürgerspital platt zu machen, um das Probstheim voll zu kriegen", sagt etwa Bewohner-Fürsprecher Gerd Schäfer und spricht von einem aus seiner Sicht "abgekarteten Spiel". Er hofft, dass es nun einen geordneten Übergang gibt und mit den Bewohnern auch für sie bekannte Bezugspersonen ins Probstheim wechseln.
Warum müssen „alte „Leute in noch älteren Behausungen leben sollen?
Es gibt nunmal Standarts, entweder die werden erfüllt oder es geht nicht mehr weiter.
Wo gibt es da ein Verständnisproblem? Nur weil es immer so war muss es nicht weiter so bleiben.
Ein klar richtige Entscheidung der Verantwortlichen!
Man kann den Bürgern nur empfehlen bis zur nächsten Wahl zu beobachten wofür in Hammelburg die Millionen ausgegeben werden. Für alte Menschen scheinbar nicht.
Was wird nach der Schließung? Bürgerspital, Alte Schule, Schloß Saaleck, Verkleinerung der Stadtbibliothek und dann? Irgenwann bleibt nur noch ein unattraktives Gerippe einer früheren stolzen und bedeutenden Stadt. Mit Kreissitz und vielen Ämtern. Seit langem geht's bergab!
https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/buergerspital-hammelburg-anwalt-raet-von-rechtsmitteln-ab-art-10578858