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Bad Kissingen
Heide Sommer auf den Spuren ihrer Kindheit in Hausen und Garitz
Heide Sommer war fünf Jahrzehnte lang Sekretärin berühmter Männer, wie des Journalisten Rudolf Augstein. Aufgewachsen ist sie in Hausen, wo ihre Eltern in der Oberen Saline eine Musikschule betrieben. Verschiedene Materialien hat sie jetzt Stadtarchivar Peter Weidisch übergeben.und außerdem ihr Buch vorgestellt.
Heide Sommer auf dem roten Plüschsofa in Bismarcks Salon, auf dem sie als Kind trotz ausdrücklichen Verbots oft herumtobte.Sigismund von Dobschütz       -  Heide Sommer auf dem roten Plüschsofa in Bismarcks Salon, auf dem sie als Kind trotz ausdrücklichen Verbots oft herumtobte.Sigismund von Dobschütz
| Heide Sommer auf dem roten Plüschsofa in Bismarcks Salon, auf dem sie als Kind trotz ausdrücklichen Verbots oft herumtobte.Sigismund von Dobschütz
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 17.08.2022 13:50 Uhr

Mit Terminen ausgefüllt war die dreitägige Stippvisite der Autorin Heide Sommer (80). Auf Einladung der Bad Kissinger Buchhandlung "seitenweise" (Ludwigstraße) stellte sie nicht nur ihre Memoiren "Lassen Sie mich mal machen" vor, sondern frischte zugleich ihre Kindheitserinnerungen an die Jahre 1943 bis 1950 in Garitz und Hausen auf. Im Museum Obere Saline übergab die Tochter der Musiker Artur und Emmy Grenz eine umfangreiche Materialsammlung über die von ihren Eltern ab 1946 in der Bismarck-Wohnung betriebene Musikschule .

"Wahnsinn!" entfuhr es der 80-Jährigen spontan beim Betreten der Bismarck-Wohnung im Museum Obere Saline . Denn die Einrichtung des Empfangssalons - die Ölgemälde, das Bismarck-Relief, die gedrechselten Schränke und sogar das rote, runde Plüschsofa, auf dem die kleine Heide trotz Verbots der Eltern oft herumtobte - war fast unverändert, wie Sommer es aus den Jahren 1946 bis 1950 kannte. Dort lebte sie mit ihren Eltern , dem Violinisten und Komponisten Artur Grenz (1909-1988) und der Pianistin Emmy Grenz, sowie ihren zwei jüngeren Brüdern Friedemann und Thomas.

Schon 1945 hatte das Musiker-Ehepaar Grenz mit Unterstützung der US-Kommandantur im Hotel Kissinger Hof eine Musikschule gegründet, die 1946 in die bis dahin noch verbarrikadierte Bismarck-Wohnung verlegt wurde. Vorher hatte die junge Familie aus Berlin seit 1943 im "Blauen Teehaus" in der Dr.-Georg-Heim-Straße in Garitz gelebt, wohin sie wegen der zunehmenden Bombardierung der Hauptstadt gezogen war.

"Alle Fenster und Türen der Oberen Saline waren noch mit Brettern gesichert, die erst für die Musikschule meiner Eltern entfernt wurden", erzählte Sommer jetzt bei ihrem Besuch. Der Zugang zur Bismarck-Wohnung war nur über das seitliche Treppenhaus erlaubt, der heutige Eingang war gesperrt. Im Salon veranstalteten die Eltern Konzertabende, bei denen nicht nur ihre Musikschüler oder musizierende US-Offiziere mitwirkten, sondern auch namhafte Gastmusiker. "Ich durfte den Solisten nach dem Konzert die Blumensträuße überreichen", erinnert sich die heute 80-Jährige noch lebhaft.

Ebenso genau erinnerte sie sich an das damalige Leben in der Bismarck-Wohnung. "Hier war unsere Küche", meinte sie beim Blick in den einstigen Salon der Fürstin. Das Wohnzimmer des Reichskanzlers war Unterrichtsraum. "Enorm, dass wir in den Originalmöbeln leben durften", denkt sie heute respektvoll an jene Zeit vor über 70 Jahren zurück. Alle Zimmer wurde von der Grenz-Familie privat oder für die Musikschule genutzt, das kleinste mit direktem Zugang zum Treppenhaus, ehemals ein Kinderzimmer der Bismarcks, war auch Heides Zimmer.

Nach Öffnung der Oberen Saline waren bald auch alle übrigen Räume des historischen Gebäudes mit Familien belegt. Etwa 50 Menschen dürften es gewesen sein, vermutete Sommer. "Ich weiß gar nicht, was die Mitbewohner über die ständige Musik bei uns gedacht haben", fragte sich die Besucherin erst jetzt. Doch nach vier Jahren war schon Schluss: Die Musikschule wurde zum 31. März 1951 geschlossen, nachdem Artur Grenz bereits 1950 eine Festanstellung als Solo-Bratschist beim damaligen NWDR-Rundfunkorchester in Hamburg bekommen und seine Familie bald nachgeholt hatte.

Am Ende ihres Besuchs übergab Heide Sommer an Kulturreferent und Stadtarchivar Peter Weidisch einen Karton voller Material über die Bad Kissinger Musikschule aus dem Nachlass ihres Vaters - Konzertprogramme, Werbeplakate, Korrespondenz, Fotos und Urkunden. "Das ist erst der Anfang", versprach sie Weidisch, "da kommt noch mehr".

Auch auf Heide Sommer kam noch mehr zu: Nach einem Abstecher in die Dr.-Georg-Heim-Straße, wo 1943 das "Blaue Teehaus" auf einem noch unverbauten, zur Selbstversorgung landwirtschaftlich genutzten Grundstück stand, und einem Stadtspaziergang folgte abends die Lesung aus ihrem Buch "Lassen Sie mich mal machen". Nach den Kapiteln über ihre Kindheit in Garitz und Hausen hörten die Zuhörer Erzählungen über Heide Sommers "fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer" wie den Journalisten Rudolf Augstein , Günter Gaus und Theo Sommer , mit dem sie einige Jahre verheiratet war, oder als Privatsekretärin der Schriftsteller Carl Zuckmayer und Fritz Raddatz sowie zuletzt bei Helmut und Loki Schmidt in deren Hamburger Privathaus.

Nicht nur zu ihrer zweistündigen Lesung in dem der Buchhandlung "seitenweise" benachbarten "So-Leb'-ich-Café" waren Bekannte aus Sommers Kissinger Kindheit gekommen. Am nächsten Tag traf sie sich nach sieben Jahrzehnten erstmals mit einigen inzwischen ergrauten "Jungs" aus der Oberen Saline ("Ich war damals das einzige Mädchen") und Mitschülern aus der Hausener Dorfschule, die sie bis 1950 besucht hatte: "Vier Klassen wurden in nur einem Zimmer unterrichtet." Von diesen drei Tagen war Heide Sommer so begeistert, dass sie bald wiederzukommen versprach - nicht nur um dem Stadtarchiv weiteres Material über die Musikschule in der Oberen Saline zu überlassen.

Hinweis

Von Heide Sommer signierte Exemplare ihres Buches "Lassen Sie mich mal machen" (Ullstein-Verlag, gebunden, 256 Seiten, ISBN 978-3550200168) sind noch erhältlich in der Bad Kissinger Buchhandlung "seitenweise", Ludwigstraße 21.

 
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