Als Adolf Hitler im Januar 1933 von Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, hatte das nicht nur Auswirkungen auf Berlin. Von den Veränderungen, ausgelöst durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten , blieben auch kleinere Städte und Dörfer nicht verschont. Heute ist vieles aus dieser Zeit bereits in Vergessenheit geraten.
Nicht so in Wittershausen : Dort beschäftigt sich der 70-jährige Hans Dünninger schon seit fast zehn Jahren mit den Auswirkungen des Dritten Reichs auf sein Heimatdorf. 2017 veröffentlichte er sein erstes Buch, jetzt ist auch die Fortsetzung endlich fertig. Der Rentner erzählt, was er während seiner Recherche herausgefunden hat und wie es überhaupt zu dem zweiten Buch kam.
Erstes Buch zum Ortsjubiläum
„Die NS-Zeit hat mich schon immer sehr interessiert“, erzählt der ehemalige Pflanzenberater des Landwirtschaftsamts. Als Kind ist ihm aufgefallen, dass sich niemand wirklich getraut habe, offen über das Dritte Reich zu sprechen. „Das hat mich neugierig gemacht, und ich habe mich immer gefragt, was da eigentlich genau war.“
Nach seinem Eintritt in die Rente 2014 habe er schließlich die Zeit gefunden, sich genauer mit der Geschichte zu beschäftigen. Besonders die Geschehnisse in der eigenen Heimat interessieren den 70-Jährigen. Zum 700-jährigen Ortsjubiläum im Jahr 2017 veröffentlichte er dann sein erstes Werk. „In dem Buch befinden sich alle Soldaten des Zweiten Weltkriegs aus Wittershausen mit Biografie“, berichtet er.
Menschen auf dem Land konservativer
Sein zweites Buch trägt den Titel „Nationalsozialismus 1933-1945 in Wittershausen , Auswirkungen auf das Dorf“. Als er für sein erstes Werk recherchiert hat, sei er sehr viel in den vom Nationalsozialismus betroffenen Familien hausieren gegangen. „Dort habe ich so viele Informationen bekommen, was damals alles passiert ist, dass ich mir dachte, da könnte ich noch ein zweites Buch draus machen“, erinnert sich der Wittershäuser.
Auf 417 Seiten findet sich nun alles darüber, wie die Vorgaben des NS-Systems in Wittershausen umgesetzt wurden und wie sich das auf das Ortsgeschehen ausgewirkt hat.
„Auf dem Land war das doch etwas anders als in der Stadt.“ Die Menschen seien konservativer gewesen, hätten sich aber dennoch dem System beugen müssen. „Viele der Infos habe ich von Zeitzeugen aus Wittershausen “, berichtet der Buchautor . Insgesamt habe er acht Frauen und einen Mann befragt, alle seien über 90 Jahre alt gewesen. „Viele der Zeitzeugen sind nicht mehr am Leben und können deshalb auch nicht mehr selbst erzählen, was damals passiert ist“,verdeutlicht der 70-Jährige.
Informationen aus dem Staatsarchiv
Die restlichen Informationen habe er aus dem Staatsarchiv in Würzburg, dem Bundesarchiv in Berlin oder dem Archiv der Gemeinde Oberthulba. Und: Zusätzlich habe er sich auch in allgemeiner Literatur über die Geschehnisse der damaligen Zeit schlaugemacht. Alles konnte er allerdings nicht herausfinden.
„Es werden auch Lücken bleiben, wo eigentlich etwas hätte sein müssen“, betont er. Alte Sitzungsprotokolle der Gemeinde aus der damaligen Zeit habe er zum Beispiel keine gefunden. „Die müssten eigentlich gemacht worden sein. Das war Pflicht“, weiß Dünninger.
Kein NS-Hotspot in Wittershausen
Insgesamt könne er sagen, dass Wittershausen kein Hotspot des NS-Systems gewesen sei. „Kleinere Spitzen waren vorhanden, aber die Masse hat sich gezwungenermaßen ruhig verhalten“, sagt er. Viele Dinge, die er herausgefunden hat, seien den Menschen in Wittershausen nicht bekannt. Zum Beispiel: „Eine Frau aus Wittershausen ist in Grafeneck in Baden-Württemberg vergast worden.“ Die Dame sei hier geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Selbst ihre Jugend habe sie noch in Wittershausen verbracht.
„Später dann ist sie nach Baden- Württemberg in Stellung gegangen. Das bedeutet, dass sie Dienste in Haushalten übernommen hat“, erklärt er. Dort sei sie angeblich krank geworden und in eine Pflegeanstalt eingewiesen worden. Einige Zeit später wurde dann ihre Vergasung angeordnet. Das Besondere: Selbst die Angehörigen des Opfers hätten darüber nichts Genaueres gewusst.
Noch ein Buch geplant
Verdienen möchte der 70-Jährige an seinen Büchern nichts. „Das ist mehr ein Hobby“, erklärt er. Die Stunden, welche er in die beiden Ausgaben investiert habe, könne er nicht mehr zählen. Aber: Nach den beiden Büchern ist noch nicht Schluss: Ein letztes ist noch geplant.
Infos zum Buch
Druck: Hans Dünninger gibt das 417 Seiten lange Buch noch in dieser Woche bei der Druckerei Frick Kreativbüro & Online Druckerei in Krumbach in Auftrag.
Preis: Das Buch kostet 28 Euro. Vorbestellungen nimmt der Autor jederzeit entgegen. Aktuell sind 75 Exemplare reserviert.
Ausstellung: Für Juli ist eine Lesung aus der Chronik inklusive einer Ausstellung in der alten Schule in Wittershausen geplant. Der genau Termin steht noch nicht fest.
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