
„Was verboten ist, wird erst richtig interessant“, sagt die 16-jährige Helene, Schülerin am Schönborn-Gymnasium in Münnerstadt. Sie findet ein Handyverbot an Schulen nicht gut, weil es leicht umgangen werden kann.
„Ich glaube nicht, dass sich viele daran halten werden, weil es schwierig zu kontrollieren ist. Die Schüler bringen dann einfach ihr Zweithandy mit.“ Oder sie weichen auf ihr Tablet aus, das sie sowieso im Unterricht nutzen. Die Zehntklässlerin ist der Meinung, dass eine altersgemäße Einschränkung sinnvoller ist.
Das findet auch die 18-jährige Matilda: „In den unteren Klassen sollte es auf jeden Fall eine Beschränkung geben, die sind oft mit Spielen auf dem Handy beschäftigt. In den oberen Klassen kann man das lockerer regeln“, sagt die Zwölftklässlerin.
Online-Spiele lenken ab
Der 19-jährige Paul geht in die Berufsschule, wo das Handy morgens in einer „Handygarage“ abgegeben werden muss – eigentlich. „Nur ein Teil der Lehrer zieht das durch, manchen ist es auch egal.“
Bis zum letzten Schuljahr war er am Gymnasium in Bad Kissingen: „Da haben schon viele hinterm Ordner versteckt Online-Spiele gezockt.“
Er habe sich inzwischen extra keine Spiele hochgeladen, weil sie so sehr ablenken. „Da bekommt man kaum noch was vom Unterricht mit und jetzt hängt ja eine Firma mit dran.“
Der Auszubildende findet Handygaragen bis zur 10. Klasse in Ordnung, „danach ist es schon praktisch, wenn man in der Pause was für das Praktikum oder den Nebenjob organisieren kann.“
Digitale Fähigkeiten wichtig
Am Schönborn-Gymnasium in Münnerstadt sind die Schüler mit Tablets ausgestattet. Der Umgang mit digitalen Endgeräten müsse sorgfältig abgewogen werden, meint Schulleiter Peter Rottmann.
„Während ein vollständiges Verbot über den gesamten Unterrichtstag hinweg dazu beitragen könnte, Ablenkungen zu reduzieren und die direkte Kommunikation zu fördern, haben digitale Endgeräte auch einen Nutzen – sei es für den Unterricht oder in dringenden Fällen.“
Digitale Fähigkeiten sollten seiner Meinung nach in allen Fächern vermittelt werden, da sie viele Bereiche des Lernens betreffen. „An unserer Schule gibt es ein eigenes Digitalteam und pädagogische Angebote für die ganze Schulfamilie.“
Beispielsweise werden in den 8. bis 10. Klassen Medieninhalten, Fake News oder Cybermobbing kritisch hinterfragt.
Weniger Mobbing
„Natürlich weiß ich, dass Handys wichtig sind – das ist der Zeitgeist – aber zwischen 8 Uhr und 13 Uhr muss man nicht erreichbar sein“, findet Christian Buchner, Rektor der Jakob-Kaiser-Realschule in Hammelburg.
Er ist für ein Handyverbot an Schulen, zumal an seiner Schule ab der 7. Klasse Tablets genutzt werden. „Dadurch und durch unsere Medienscouts erlangen sie Medienkompetenz.“ Ohne Smartphone sei die Verlockung geringer und Mobbing weniger möglich.
An der staatlichen Realschule Bad Brückenau müssen die Mobiltelefone am Vormittag ausgeschaltet sein. „Die klare Regelung fördern in den Pausen soziale Begegnung und Bewegung“, berichtet Schulleiter Michael Kreil.
Medienkompetenz Inhalt in vielen Fächern
Ein komplettes Handyverbot findet er nicht sinnvoll, da Kinder den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Geräten erlernen müssen.
Auch ein eigenes Schulfach „Medienkompetenz“ sei unnötig, „da sie an unserer Realschule ein grundlegendes Unterrichtsprinzip ist, das in allen Fächern verankert ist und laufend im Unterricht in allen Jahrgangsstufen umgesetzt wird.“
Genauso werden an der zertifizierten Biosphärenschule analoge Erfahrungen und nachhaltiges Handeln als bewusster Gegenpol zur digitalen Welt gefördert.
Handygaragen gute Lösung
In der Freiherr-von-Lutz-Mittelschule in Münnerstadt werden die ausgeschalteten Geräte in Handygaragen aufbewahrt. „Ein Handy, dass dort geparkt ist, lenkt nicht ab. Trotzdem haben die Schülerinnen und Schüler das Gefühl, im Notfall und mit Erlaubnis das Handy benutzen zu dürfen“, sagt Rektor Klaus Grübel.
Von einer generellen Verbannung hält er nichts, da die Schüler das Gefühl hätten, etwas ganz Wichtiges in ihrem Leben verboten zu bekommen. Medienkompetenz wird in verschiedenen Fächern, über externe Anbieter und die Polizei vermittelt.
Handygaragen gibt es auch an der Mittelschule Oerlenbach . Der Kenntnisstand über Mediennutzung sei unter den Kindern sehr unterschiedlich, berichtet Schulleiter Ulrich Müller . Themen wie Cybermobbing , Phishing oder illegale Downloads beschäftigen sie immer wieder.
Aber: „Die meisten echten Probleme schlagen zu Hause auf, wenn die Schule keine Möglichkeiten mehr hat.“
Eltern müssen auch aufgeklärt werden
In Grundschulen ist die private Nutzung von digitalen Endgeräten laut Gesetz nicht zulässig. „Ich befürworte das. Es ist gut für das soziale Miteinander, für die Wahrnehmung, Empathie und die schulischen Leistungen der Kinder“, sagt Schulleiterin Sabine Oschmann-Hockgeiger von der Grundschule Oberleichtersbach .
„Doch auch die Eltern müssen über eine sinnvolle Nutzung aufgeklärt werden.“
Der Elternbeirat der Sinnberg-Grundschule ist der Meinung, dass Smartphones generell nichts an den Grundschulen zu suchen haben. „Es ist unumstritten, dass die Nutzung stark ablenkt“, sagt der Vorsitzende Alexander Schulz.
Kinder würden ihre Umgebung dabei schlicht und ergreifend nicht wahrnehmen. Es sei immer wieder zu beobachten, dass Kinder schnell in eine mediale Abhängigkeit geraten.
Allerdings gäbe es viele Eltern, denen es egal sei, wie viel und in welcher Form ihr Kind digitale Medien konsumieren.
Helene ist im Nachhinein dankbar dafür, dass sie ihr Handy erst Ende der 6. Klasse bekommen hat. „Das macht schon einen krassen Unterschied in der Kindheit aus.“
