Zu Bayernliga-Zeiten, waren Sabrina Kleinhenz und Lisa Wenzke Leistungsträgerinnen im Team der SG Garitz/Nüdlingen. Im Jahr 2015 haben die 37-Jährige aus Bad Kissingen und die 32-Jährige aus Niederlauer bei Bad Neustadt ihre zweite Karriere gestartet: als Schiedsrichter-Gespann. Mittlerweile hat das Duo für den Deutschen Handball-Bund ( DHB ) 65 Spiele der 3. Liga geleitet, seit dieser Saison auch bei den Männern .
Wie groß ist eigentlich der Aufwand als Drittliga-Schiedsrichterin?
Sabrina Kleinhenz: Im Normalfall haben wir an einem Wochenende ein Spiel. Eher selten kommt es beim DHB zu einem Doppeleinsatz, da ist dann aber eine Übernachtung dabei. Die Kosten dafür teilen sich die jeweils gastgebenden Vereine. Dazu kommt der zeitliche Aufwand. Bei den Männern fahren wir bis zu 400 Kilometern, bei den Frauen bis zu 300 Kilometer einfach. An diesem Wochenende sind wir übrigens in Mannheim bei der 2. Herren-Mannschaft der Rhein-Neckar-Löwen im Einsatz.
Hat man gerade bei 2. Mannschaften auch mal die Möglichkeit, Bundesliga-Spiele anzuschauen?
Leider ist es oftmals so, dass die Spiele der 2. Mannschaft nach der Bundesliga-Mannschaft stattfinden. Wir waren mal in Göppingen mit 5600 Zuschauern bei den Männern gegen Magdeburg. Bei den Frauen , die wir gepfiffen haben, waren es dann 50. Ein mehr als seltsames Gefühl.
Wie verfolgen Sie aktuell die Handball-Weltmeisterschaft in Polen und Schweden? Waren oder sind Sie vielleicht sogar vor Ort?
Nein, leider nicht. Die Spiele in der 3. Liga laufen ja weiter, bei den Männern wie bei den Frauen . Anfang Januar waren Lisa und ich bei einem Halbzeit-Lehrgang in Kassel, die Woche drauf ging es schon weiter mit den Punktspielen. Wenn im nächsten Jahr die Europameisterschaft in Deutschland ist, will ich aber auf alle Fälle dabei sein.
Wenn Sie Spiele vor dem Fernseher schauen, sind Sie da in der Rolle des Fans, der ehemaligen Spielerin oder Schiedsrichterin?
Auf alle Fälle in der Rolle der Schiedsrichterin. Ich schaue sehr genau hin, was die da machen. Wie die Körpersprache ist. Wie Probleme gelöst werden und man mit möglichen Fehlentscheidungen oder dem Verhängen von Zeitstrafen umgeht. Auffällig ist, dass viel mit den Spielern gesprochen wird. Die Kommunikation ist enorm wichtig, das mussten wir auch lernen. Wobei es auffällt, dass Männer mehr reden wollen als Frauen . Ich finde es gut, wenn die Spieler reden wollen. Dann können wir unseren Standpunkt klarmachen. Jeder weiß dann, was Sache ist.
Im Fußball werden Schiedsrichter beobachtet und bewertet. Beim Handball ist das sicher ähnlich, oder?
Vollkommen richtig. Nach jedem Spiel haben zudem die beteiligten Vereine 14 Tage Zeit, um eine Bewertung in Form von Punkten abzugeben. Das läuft online. Wir Schiedsrichter bekommen dann die Rückmeldung gebündelt vom DHB , zum Beispiel nach einer Halbserie. Dieses Feedback der Vereine zählt für die jährliche Bewertung, die über Auf- oder Abstieg entscheidet.
Mit Maike Merz und Tanja Kuttler sind auch Schiedsrichterinnen bei der WM dabei. Sind das Vorbilder?
Ja, das sind Vorbilder. Ich finde zudem faszinierend, dass die Karriere und Familienplanung hinbekommen haben. Die waren ja sogar zeitgleich schwanger. Wie die beiden das auf der Platte machen, finde ich richtig gut. Die Zwei haben sich etabliert und sind auch bei den Männern voll akzeptiert. Ihren Einsatz beim Test gegen Island vor der WM haben wir im Lehrgang übrigens geschaut und auch analysiert.
Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer hat sich unlängst sehr kritisch geäußert zum Einsatz von Schiedsrichterinnen. Was sagen Sie dazu?
Dazu kann und will ich mich nicht äußern.
Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes ( DHB ), fand dessen Äußerungen „absolut aus der Zeit gefallen und komplett deplatziert.“ Wurden Sie auf diese Äußerungen konkret angesprochen?
Letztes Wochenende hat uns ein Offizieller nach einem Männerspiel gesagt, dass wir das beste Beispiel sind, dass es nicht so ist wie Christian Schwarzer gesagt hat. Man muss als Schiedsrichterin sich den Respekt womöglich mehr erarbeiten als männliche Kollegen. Wenn man das geschafft hat, dann geht’s aber.
Wie sind denn Ihre Erfahrungen, wenn Sie Männerspiele leiten?
Diese Saison haben wir da gar keine Probleme. In der ersten DHB-Saison haben wir uns schwerer getan. Auch deshalb, weil wir zu wenig kommuniziert haben. Jetzt sind wir lockerer geworden und gehen vor einem Spiel auch mal auf die Funktionäre der Vereine zu. Das weiß man zu schätzen.
Mal abgesehen von der Physis. Worin unterscheiden sich Spiele von Frauen und Männern aus Sicht der Unparteiischen?
Frauen spielen den schöneren Handball , erlauben sich aber mehr technische Fehler wie Schrittfehler. Bei den Männern ist alles rustikaler, aber mit weniger technischen Fehlern. Da knallt es eher mal.
Das Spiel wird nicht zuletzt durch neue Regeln immer schneller. Muss Ihre Fitness auch immer besser werden?
Ja. Vor allem bei den Männern ist das Spiel extrem schnell geworden. Zweimal in der Woche jogge ich als Vorbereitung für den sogenannten Shuttle-Run, der zweimal im Jahr stattfindet. Einmal im Monat muss ich per App einen Ausdauerlauf mit Zeitvorgabe melden. Das sind zum Beispiel 30 Minuten für fünf Kilometer.
Wann erfahrt Ihr von den Einsätzen und befasst man sich im Vorfeld mit den Mannschaften?
Wir müssen immer etwa sechs Wochen im Voraus melden. Also melden wir zum Beispiel am 10. Januar, wann es im März geht oder nicht geht. Dann kommen Ende Januar vom Verband die Ansetzungen für den März.
Sie bilden mit Lisa Wenzke ein eingespieltes Duo. Was passiert, wenn eine von Euch krank wird? Wird das Gespann dann getrennt?
Das ist möglich, dann spricht man von einem Misch-Team. Bis jetzt ist das bei uns aber noch nie passiert.
Reden wir von Träumen und Zielen in Ihrer Schiedsrichter-Karriere?
Für Bundesliga-Spiele wird es wohl nicht mehr reichen. Das liegt am Alter, aber auch an der notwendigen Fitness auf diesem Niveau. Aber Spiele in der 2. Liga zu leiten, fände ich schon cool.
Finale Frage: Wenn man den anderen beim Spielen zusieht, bekommt man da nicht Lust , selber mal wieder an die Kugel zu greifen?
Nein, das reizt mich gar nicht mehr. 23 Jahre Handball sind genug. Das war eine schöne Zeit, aber körperlich würde ich das nicht mehr schaffen. Ich bin froh, solange durchgehalten zu haben.