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Bad Kissingen
Hammelburger Politikerin zu Atombomben-Drohung: Wir nehmen diese Gefahr sehr ernst
Die einstige Friedenspartei, die Grünen, trieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Frage nach schweren Waffen für die Ukraine vor sich her. Alle Grünen? Die Grüne Hammelburger Staatssekretärin Manuela Rottmann hat eine ganz klare Haltung.
Manuela Rottmann: 'Die Ukraine hat ein Verteidiungsrecht - und wir die Pflicht, sie dabei zu unterstützen.'       -  Manuela Rottmann: 'Die Ukraine hat ein Verteidiungsrecht - und wir die Pflicht, sie dabei zu unterstützen.'
Foto: SDobschütz / toa555, stock.adobe / Collage: Dagmar Klumb | Manuela Rottmann: "Die Ukraine hat ein Verteidiungsrecht - und wir die Pflicht, sie dabei zu unterstützen."
Susanne Will
 |  aktualisiert: 01.11.2022 14:05 Uhr

Viele Menschen sind verwundert: Die Grünen - von der Frieden- zur Kriegspartei? Viele scheinen vergessen zu haben, dass sich die Partei auch im Kosovo-Krieg eindeutig positionierte. Ein Gespräch mit der Hammelburger Staatssekretärin der Grünen, Manuela Rottmann , über die Ukraine, Lavrovs Drohungen und Angst.

Frau Rottmann, wann waren Sie zuletzt auf einer Friedensdemo?

Für die Ostermärsche in den 80ern war ich zu jung und damals war ich auch noch kein Grünen-Mitglied. Beim Irak-Krieg hatte ich einen "Kein Blut für Öl"-Aufkleber auf meinem Auto. Ich war pazifistisch und sah die Summen für den Wehr-Etat besser anderswo angelegt. Aber das änderte sich mit dem Massaker im Srebrenica. Das war für mich als Studentin der Punkt; an dem ich sagte: Das geht nicht. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass wir da zuschauen.

Als sich die Grünen 1980 gründeten, galten sie als die Friedenspartei. Bis 1999 mit einem grünen Außenminister Joschka Fischer auch diese Partei einen Krieg mittrug, in dem Deutschland die Nato im Kosovo-Krieg bei Luftangriffen unterstützte. Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg. Haben Sie damals mit den Zähnen geknirscht?

Nein. Die Auseinandersetzung mit mir hatte ich schon vorher. Die Debatte in der Partei begann Mitte der 90er Jahre. Daniel Cohn-Bendit war es, der zuerst forderte, dass wir unsere Haltung ändern. Das war damals ein starkes Ringen, Rede und Gegenrede, auch in der Grünen Jugend. Nach dem Eintritt in die Regierung, auf dem prägenden Bielefelder Parteitag, als es um die Beteiligung der Nato am Kosovokrieg ging, hatte ich meinen Entscheidungsweg schon gemacht.

Befürworten Sie jetzt den Einsatz schwerer Waffen in der Ukraine?

Viel eindeutiger als im Fall des Kosovo. Das war völkerrechtlich schwieriger. Im Fall Ukraine aber ist es klar: Die Ukraine hat ein Verteidigungssrecht - und wir die Pflicht, sie dabei zu unterstützen.

Kein Zähneknirschen, keine Parteiräson?

Nein. Ich bin ganz klar.

Gab es einen Punkt, an dem für Sie ganz persönlich klar war: Das geht so nicht - wir kommen mit Diplomatie, Verhandlung und Reden nicht mehr weiter, die Ukraine braucht mehr als reine Verteidigungswaffen?

Ja, den Zeitpunkt gab es - es war der 24. Februar 2022: Der Angriff auf die gesamte Ukraine. Es geht nicht mehr um einen begrenzten Konflikt, um die Region Donbass, es ist tatsächlich ein Angriff aufs ganze Land. Seither sehe ich das Risiko, dass auch andere Länder angegriffen werden könnten, das Baltikum zum Beispiel. Die Balten haben die Angst davor schon vor 20 Jahren thematisiert. Deshalb war diesen Ländern der EU-Beitritt so wichtig.

Menschen in Deutschland haben Angst. Sie fürchten, dass die Lieferung von Panzern von Putin als eine Lieferung von Angriffswaffen verstanden werden kann - und so Putin die Drohung wahr macht, bei mehr Einmischung schlussendlich auch Atomwaffen einzusetzen. Macht Ihnen das keine Angst?

Natürlich müssen wir mögliche Folgen aller unserer Entscheidungen abwägen und die Risiken prüfen. Aus meiner Sicht begann dieser Konflikt schon viel früher, in Syrien, in Georgien. Wir haben uns dort nicht eingemischt, wir haben uns zurückgezogen. Wir haben all das getan, was heute wieder als Lösungsweg diskutiert wird - und das Putins Expansionsdrang nicht gebremst . Er hat wohl auch deshalb die Ukraine angegriffen, weil sein Handeln vorher keine Folgen hatte.

Das heißt aber, dass Sie glauben, Putin wäre einschätzbar. Er macht aber einen anderen Eindruck. Nicht wie die Protagonisten beispielsweise in der Kuba-Krise: John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow waren einschätzbar, als die Welt am Rand eines Atomkriegs stand.

Putin wird gerne pathologisiert, das sehe ich kritisch. Aber er hat vermutlich eine sehr andere Weltsicht. Er sieht sich im Recht und betrachtet das Auseinanderbrechen der Sowjetunion als Verlust und sieht eine Verletzlichkeit, aus der vielleicht auch ein Gefühl der Bedrohung entsteht. Nur: Dem können wir uns nicht unterwerfen. Die Ukrainer haben das gute Recht auf eine freie Entscheidung für ihren Weg, für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie. Das können wir nicht zur Disposition stellen.

Laut einer infratest-Umfrage sind 45 Prozent der Deutschen für und 45 Prozent gegen die Lieferung schwerer Waffen. Warum sind die Deutschen so gespalten?

Die hochgerüstete Blocksituation im Kalten Krieg haben die Menschen nicht vergessen. Wer in den 80er Jahren geprägt worden ist, ist auch von Angst vor einer atomaren Auseinandersetzung geprägt.

Russlands Außenminister Lavrov drohte: Wenn Grenzen überschritten werden, wird Russland zur Atomwaffe greifen. Wie geht es denn dann weiter? Die Spirale wird sich nach oben drehen - riskieren Sie nicht, dass wir in einen Krieg reingezogen werden?

Wir nehmen diese Gefahr sehr ernst. Da mit Russland eine Atommacht einen Angriffskrieg vor unserer Haustür führt, müssen wir auch die schlimmsten Szenarien im Blick haben. Russlands nukleares Säbelrasseln ist unverantwortlich. Putin weiß aber auch, dass man keine Atomwaffen einsetzen kann, ohne sich selbst massiv zu schaden

Das nimmt aber niemandem die Angst.

Wir können es nicht ändern, dass Russland über Atomwaffen verfügt. Aber auf der anderen Seite sind viele Erwartungen der russischen Regierung auch nicht eingetreten: Der Westen steht zusammen, er reagiert abgestimmt und wirtschaftlich sehr klar auf den Angriff. Wir sind nicht ohnmächtig.

Die letzte Frage an die Privatfrau Manuela Rottmann : Die Gefährdung ist da - was macht Sie mit Ihnen?

Ich konzentriere mich darauf, mich mit dem zu befassen, worauf ich überhaupt Einfluss habe. Reinsteigern nutzt jetzt niemandem. Was Russland und seiner Bevölkerung selbst an Opfern und Risiken zugemutet werden darf, entscheidet Putin hoffentlich nicht ganz allein.

 
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