Aus ihrer Regierungsbeteiligung in Frankfurt am Main hat Manuela Rottmann bereits Erfahrungen mit Schwarz-Grün: Als Stadträtin unter CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth leitete sie eines der größten Dezernate . Im Bundestag gehört die Grünen-Abgeordnete nun bald der Regierungskoalition an. Bei den Verhandlungen der Ampel-Parteien war sie ganz nah dabei, leitete einen Arbeitskreis und arbeitete in einem weiteren mit. Das sagt sie über die vergangenen Wochen.
Frau Rottmann, wie anstrengend waren die vergangenen Wochen für Sie persönlich? Sie haben sich im Wahlkreis rar gemacht: Sind Sie überhaupt mal aus Berlin rausgekommen?
Nein, ich war die ganze Zeit in Berlin. Verhandelt haben wir zwar nur unter der Woche, aber die Abstimmung von Textentwürfen lief über die Wochenenden. Gleichzeitig musste das neue Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht werden. Wenig Schlaf, viele Runden, viel kurzfristiger Entscheidungsbedarf.
Sie gehörten zwei Arbeitskreisen an, einen haben Sie sogar geleitet: Wie kam es dazu?
Dass ich die Grüne Verhandlungsgruppe für gleichwertige Lebensverhältnisse leite, stand recht früh fest. Wer meine Arbeit der letzten Jahre verfolgt hat, weiß ja, dass das ein Schwerpunkt von mir ist. Bei der Aufteilung der Themen hat sich dann ergeben, dass in der innenpolitischen Runde auch noch sehr viele rechtliche Themen zu bearbeiten sein würden, wofür jemand gebraucht wurde, der die Themen aus dem Rechtsausschuss gut kennt. Da fiel die Wahl dann auch auf mich. Da ich mich leider trotzdem noch nicht beamen kann, war das allein organisatorisch ein ziemliches Kunststück, beides abzudecken.
Geheimhaltung war Pflicht, Sie haben auf Facebook lediglich Bilder der Arbeitskreise gepostet mit dem Satz "Mit diesen tollen Leuten würde ich auch den Mount Everest besteigen." War das wirklich alles so harmonisch oder gehören politische Schmeicheleien zum Werben für die Ampel?
Das Lob bezog sich auf meine Verhandlungsgruppe zu dem Thema Stadt und Land: Mit meinem bayerischen Kollegen Stefan Schmidt, der Fachmann für Kommunalfinanzen bei uns ist, der Grünen Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag , Franziska Schubert, und der Oberbürgermeisterin von Bonn, Katja Dörner, hatte ich ein tolles Team an meiner Seite, das einfach super zusammen gearbeitet hat.
Was wurde konkret und kurz gefasst in Ihren beiden Arbeitskreisen beschlossen, und was davon hat es in den Koalitionsvertrag geschafft?
Es ist für mich ein großer Erfolg, dass wir eine bessere Beteiligung der Kommunen im ländlichen Raum an der Wertschöpfung durch Windkraftanlagen und Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen durchsetzen konnten, auch für Anlagen, die schon gebaut sind. Das wird zu einer Umverteilung aus den Ballungsräumen zugunsten der ländlichen Räume in dreistelliger Millionenhöhe führen, die mit der Energiewende stetig ansteigt. Dass der Bund den Kommunen bei der Sanierung von Schwimmbädern und Sportstätten stärker unter die Arme greift, war mir ein weiteres wichtiges Anliegen: Die Schließung des Hallenbades Bad Kissingen und die drohende Schließung weiterer Bäder in der Region ist vielleicht nicht große Weltpolitik. Aber für den Alltag von Kindern, Familien, älteren Menschen hat sie hohe Bedeutung. In der Rechtspolitik ist es zum Beispiel ein großer Erfolg, dass wir Sammelklagen erleichtern, damit Geschädigte gegen große Konzerne nicht alleine vor Gericht ziehen müssen, sondern ihre Entschädigung schnell und gemeinsam durchsetzen können.
Wo haben die Parteispitzen nicht mitgespielt?
Um den ländlichen Raum stärker unabhängig von der Landwirtschaftsfinanzierung bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse fördern zu können, wäre eine neue Gemeinschaftsaufgabe "regionale Daseinsvorsorge" sinnvoll. Das sehen nicht nur wir Grüne so, sondern auch die Fachleute. Dafür braucht es aber eine Grundgesetzänderung und somit die Zustimmung der Bundesländer. Das konnten wir also noch nicht durchsetzen.
Die entscheidende Frage ist natürlich: Wie beurteilen Sie den Koalitionsvertrag? Ist er Ihnen "grün genug"?
Ich hätte mir ein Grünes Verkehrsministerium gewünscht. Die Verkehrswende ist ja mehr als der Wechsel vom Verbrenner zum E-Auto. Wir werden im Regierungsalltag dafür kämpfen müssen, dass der Ausbau des Nahverkehrs und der Bahn wirklich voran kommen.
Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, alle Inhalte abzuarbeiten? Trägt das eine Koalition volle vier Jahre? Was müsste schneller gehen, was ist vielleicht nicht bis zur nächsten Bundestagswahl zu schaffen?
Im Bereich Klimaschutz kommt es darauf an, die Weichen umzustellen. Die Zeit drängt in diesem Bereich so sehr, dass das in vier Jahren passieren muss. Die Wirkung werden wir vermutlich erst nach der Legislaturperiode sehen. Aber handeln müssen wir jetzt.
Das Interview führte Ralf Ruppert.