Die Winzerei ist ein spannendes Geschäft. Erst recht bei der Eiswein-Lese. Die Erzeuger lassen einen Teil ihrer Trauben bis in den späten Herbst oder Winter reifen, um daraus dann einen besonders edlen Tropfen zu gewinnen: den Eiswein.
Durch die lange Reifezeit und die Ernte bei Minusgraden zeichnet sich dieser Rebensaft durch seinen hohen Zuckergehalt und seinen fast likörartigen Geschmack aus. Schließlich will er auch mit Bedacht getrunken werden. Deswegen gibt es ihn in kleinen Fläschchen zu haargenau 0,375 Liter.
Eine fast schlaflose Nacht
Diese kleine Genießer-Menge lässt kaum erahnen, welch große Anspannung Winzer vorher durchleben müssen, um das leckere Stöffchen abzufüllen. "Ich habe die Nacht kaum geschlafen", gesteht Stefan Ruppert am Mittwochfrüh.
Eine Punktlandung war die Lese deshalb, weil in den kommenden Tagen wieder mildere Temperaturen erwartet werden. Schön auch, dass das Weihnachtsfest nicht zwischenzeitlich durch einen spontanen Arbeitseinsatz angekratzt wird. "Möglicherweise hätten wir ja auch an den Feiertagen raus gemusst", beschreibt Ruppert ein mögliches Festtagsszenario.
Den Launen von Väterchen Frost ausgeliefert
Denn für die Eiswein-Lese sind Winzer voll und ganz den Launen von Väterchen Frost ausgeliefert. Für den Leseerfolg braucht es mindestens sieben Grad Minus. Kein Wunder, dass der Blick von Stefan Ruppert am Dienstagabend auf das Thermometer fixiert war. Aktuelle Wetterdaten gab es nicht nur im Weinberg. Eine unscheinbare Wetterstation im Trautlestal lieferte Werte direkt aufs Handy.
Und als die Abkühlung für den kommenden Morgen verheißungsvoll schien, verständigte Ruppert sein Lese-Team. Zwölf Familienmitglieder und Freunde machten sich in klirrender Frostnacht auf dem Weg ins Trautlestal. Ein sternenklarer Himmel empfing die Helfer. Kein Wölkchen und kein Dunst trübte den Himmel.
Im Lichterschein von Stirnlampen
Minus 9,5 Grad zeigte das Thermometer bei Lese-Beginn um 5 Uhr. Bis um 7.30 Uhr herrschte im Licht der Stirnlampen und Traktorscheinwerfer Betriebsamkeit, bis die letzte Traube abgelesen war.
Insgesamt 1400 Kilogramm Lese-Gut brachte man auf die Waage. Alles war so stramm durchgefroren, dass die Presse schwer zu malen hatte. Eisiger Durchzug herrschte auch in der Kelterhalle. Offene Fenster und Türen sollten ein ungeplantes Auftauen des Lese-Gutes verhindern. Noch gegen Mittag hatte der schmale Strahl des gewonnen Saftes minus sechs Grad.
500 Fläschchen als Lohn der Mühe
Eiswein-Liebhaber werden sich über den süßen Geschmack des nun enstehenden Weines freuen. Mit einem Mostgewicht von 168 Grad Oechsle liegt der Saft deutlich über den Mindestanforderungen für Eiswein. "Zwischen 200 und 250 Gramm Zuckergehalt je Liter wird er bekommen", schaut Stefan Ruppert freudig voraus. Die 200 Liter Saft werden etwa 500 Fläschchen Eiswein ergeben. Als Preis dafür sind voraussichtlich zwischen 40 und 45 Euro zu erwarten.
Ein ähnliches Bild zeigte sich bei Schäfers Weingut. Der Untererthaler Familienbetrieb las ebenfalls im Trautelstal. Sechs Helfer lasen 300 Kilogramm Trauben, die nach Einschätzung von Klaus Schäfer für etwa 60 Liter Eiswein reichen werden. "Das ist ein krönender Abschluss vor Weihnachten", freut sich der Winzermeister. Zuletzt hatten die Schäfers 2016 Eiswein gelesen.
Insgesamt acht unterfränkische Winzer hatten sich in diesem Jahr auf die Eiswein-Lese vorbereitet. Der Erfolg ist auch deshalb bemerkenswert, weil das Spekulieren auf den Frost unter den Vorzeichen des Klimawandels immer riskanter wird. .