Vor fünf Jahren war Salah Addin Alahmad noch in der hügeligen Landschaft um das syrische Kobane zu krankem Vieh unterwegs. Dieser Tage fährt er durch das Saaletal, um in Diebach eine Kuh künstlich zu besamen und dann in Diebach Nachsorge bei einer Labmagen-Operation vom Vortag zu leisten. Wir fahren ein Stück mit.
Freundliche Begrüßung auf den Höfen
Auf den Höfen wird Alahmad schon erwartet. Die Landwirte sind freundlich, scherzen mit dem hilfreichen Fachmann. Der Umgang mit den Tieren, die Begegnung mit den Menschen, Landschaft und Natur: "Das ist mein Leben", sagt der Syrer. Gerne lässt er sich von der Heiterkeit anstecken. Zurück im Auto kommentiert er bei der Weiterfahrt seine Lebenssituation: "Ich bin zufrieden". Hinter dem Steuer des Kleintransporters lässt er seinen ernsten Blick zwischen Sodenberg und Sturmiusberg schweifen.
Dass sein Leben vor fünf Jahren so eine dramatische Wende nahm, hätte sich der 38-Jährige vorher nie träumen lassen. "Ständig Gefechtslärm, Granateinschläge und Zerstörung", erinnert er sich an dunkle Tage. In diesem Fiasko ging sein Lebenswerk zu Bruch. Über sieben Jahre hatte er sich eine eigene Praxis aufgebaut. Qualifiziert hat er sich dafür drei Jahre auf einem Veterinärgymnasium, dann schloss er nach eigenen Worten ein zweijähriges Fach-Kolleg als bester Absolvent Syriens ab und studierte fünf Jahre Tiermedizin.
Ankunft mit zwei Worten Deutsch
Doch das Schicksal nahm darauf keine Rücksicht. Die Familie musste fliehen. Seine Eltern kamen in der Türkei unter, ein Bruder in England, eine Schwester blieb in Syrien. Letzteres schmerzt ihn besonders. Wenn Alahmad seine Sorgen in gut verständlichem Deutsch schildert, ist kaum zu vermuten, dass er mit einem Sprachschatz von zwei Worten in einer ihm völlig fremden Kultur ankam: "Hallo" und "Problem".
Nach einer kleinen Odysee zwischen verschiedenen Flüchtlingsunterkünften in Deutschland verschlug es den 38-Jährigen nach Kitzingen. Hier kommt Familie Bauer ins Spiel. Von einem Berufskollegen erfuhr sie, dass Alahmad eine Praktikumsstelle sucht. Dr. Georg und Dr. Sieglinde Bauer empfingen ihn mit offenen Armen. Er arbeitete zunächst sporadisch mit, übernahm Schritt für Schritt Verantwortung. Vor zwei Jahren zog Alahmad in die Einliegerwohnung der Bauers ein, nachdem die Kinder des Tierarzt-Ehepaares inzwischen außer Haus wohnen. Dorthin kann er sich zurück ziehen. Beim Essen und beim Pausenkaffee gehört er aber gewissermaßen zur Familie.
"Ich habe gleich gemerkt, dass er was kann", sagt Dr. Bauer rückblickend. Die erforderlichen Handgriffe im Stall saßen auf Anhieb. Aber aller Anfang war dennoch nicht leicht. Da war das Pauken für die Sprachtests. Den Führerschein musste der jüngere Kollege noch einmal machen, weil die Dokumente bei den deutschen Ämtern verloren gingen. Die Behördengänge und das Warten auf das Eintreffen der Arbeitserlaubnis zehrten an den Nerven.
Alleine auf Tour
Anfangs fuhren der Arzt und sein Assistent gemeinsam auf Behandlungstour. Längst hat sich die Zusammenarbeit eingespielt. Anhand des Kalenders spricht das Duo morgens den Tagesablauf durch, bevor Alahmad den Dienstwagen mit den erforderlichen Utensilien belädt. Dann bricht er alleine auf.
"Das ist eine Win-Win-Situation", sagt Bauer. Er ist froh, zu seiner Frau Sieglinde in der Praxis einen weiteren Tierarztkollegen zu haben. Mit dem neuen Mitarbeiter kümmert er sich vornehmlich um das Großvieh, während sich seine Ehepartnerin der Kleintiere annimmt.
"Großtierpraxis will kaum mehr jemand machen", weiß der 59-Jährige. Dies auch, weil der Umgang mit großen Tieren körperlich schon mal an die Grenzen führt. Der Berufsnachwuchs ist heute überwiegend weiblich. Der Rückgang bei der Großtiere-Haltung in der hiesigen Landwirtschaft macht den Einstieg nicht attraktiver.
Umso wichtiger ist die Verstärkung für Bauer. Vorher schob er drei Jahre rund um die Uhr Bereitschaft mit dem Telefon in der Tasche. Die ständige Einsatzbereitschaft sei auf die Dauer ermüdend. "Jetzt können wir auch mal weg", sagt er dankbar. Er schließt inzwischen nicht aus, dass der neue Assistenzarzt die Großtierpraxis übernimmt.
Vor weiterem Sprachtest
Sein Kollege scheint nicht abgeneigt, ist aber zurückhaltend. "Ich weiß noch nicht, was wird", beschreibt er seine Lage. Eine Rückkehr in die heimische Ruinenlandschaft mit dem Risiko eines türkischen Übergriffs in verminter Gegend findet er nicht realistisch. Zufrieden zurücklehnen kann er sich im Saaletal mit der Sorge um seine Familie aber auch nicht. Und beruflich ist er ebenfalls noch nicht am Ziel. Noch einmal zwei Jahre kann seine Assistenzstelle verlängert werden, dann bräuchte er die Zulassung auf eine volle Arztstelle. Und vorher müsste er noch für den Sprachtest im höchsten Level pauken.
Einstweilen ist Alahmad dankbar, wie gut er es bei Bauers getroffen hat. Auf den Höfen ringsherum war er nie mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert. Warum auch? "Ich verdiene mein Geld und zahle meine Steuern", sagt er selbstbewusst. Um manche an Stammtischen und im Internet grassierende Verunglimpfung von Flüchtlingen zurechtzurücken, sei das Engagement Alahmads einen Artikel wert, merkt Georg Bauer an. Und auch, wenn den Neubürger bei ausgedehnten Spaziergängen Schießlärm vom Lagerberg an das dunkelste Kapitel seine Lebens erinnert, schwärmt er von seiner neuen Heimat: "Die trainieren ja nur, das ist Sicherheit", beschreibt er ein lange nicht gekanntes Lebensgefühl.
Jetzt noch das idiotische deutsche Beamtentum besiegen und jeder hat sein Glück.
Ich wünsche alles erdenklich Gute, ja er schafft das!