Als sie in einen Mann beobachtete, der Gebäude fotografierte, schaltete eine besorgte Anwohnerin die Polizei ein. Es stellte sich heraus, dass der Fotograf nicht zum Ausspähen für einen Einbruch gekommen war. Er war im Auftrag der Bundesregierung unterwegs, als Mitarbeiter eines Forschungsprojekts.
Im Stichprobenareal mit Teilen von Hammelburg, Wartmannsroth und Oberthulba sind die Erhebungen bereits abgeschlossen, ebenso wie im Raum Bischofsheim und Oberelsbach (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Um das Klima zu schützen, hat die Regierung Klimaziele für Deutschland verabschiedet, die bis 2020, 2030 oder 2050 erreicht werden sollen. Neben der Reduzierung von Treibhausgasen (also vor allem Kohlendioxid) und der Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien werden als drittes die Senkung des Energieverbrauchs und die Steigerung der Energieeffizienz angestrebt. Bis 2020 sollen 20 Prozent weniger Energie verbraucht werden als 2008, bis 2050 sogar nur noch die Hälfte.
40 Prozent der Energie für Gebäude
Erreichen will man das unter anderem durch Einsparungen bei Gebäuden. Rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland fallen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bei Gebäuden an, für Heizung, Warmwasserversorgung, Klimatisierung und Beleuchtung. Für die rund 18 Millionen Wohnhäuser in der Bundesrepublik regelt die zuletzt 2016 verschärfte Energieeinsparverordnung, welche Anforderungen sie erfüllen müssen, welchen Beitrag also die Besitzer zu den Klimazielen liefern.
Es gibt aber noch etwa 1,5 Millionen weitere Gebäude. Gebäude, die nicht Wohnzwecken dienen, sondern in denen Büros untergebracht sind, Fabriken, Gewerbebetriebe, Krankenhäuser und anderes. Über sie gibt es in den Statistiken des Staates kaum verwertbare Daten. Ihre energetische Qualität ist nicht bekannt, erläutert Professor Guido Spars vom Fachbereich „Ökonomie des Planens und Bauens“ der Bergischen Universität Wuppertal. Die Regierung tut sich deswegen schwer, das Sparpotenzial bei diesen Nichtwohngebäuden überhaupt einzuschätzen.
2,5-Millionen-Euro-Projekt
Diese Lücke in den Statistiken sollen die Forscher im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ändern. 2,5 Millionen Euro wendet die Regierung dafür auf. Data-NWG– NWG für Nichtwohngebäude – heißt das Projekt, bei dem das Institut für Wohnen und Umwelt in Darmstadt (IWU), das Institut für ökologische Raumentwicklung IÖR in Dresden und Wissenschaftler der Uni Wuppertal zusammenarbeiten.
Letztere sind für die Datenerhebung zuständig. In ganz Deutschland sind deswegen Mitarbeiter unterwegs, um den Bestand an Nichtwohngebäude zu dokumentieren. „Dabei führen die Erfasser eine erste Aufnahme von Gebäudemerkmalen durch“, teilt das Wirtschaftsministerium mit. Das geschehe vom öffentlichen Raum aus, ohne Betreten von Privatgrundstücken. Zudem werden die Gebäude fotografiert. Die rund 100 Erfasser werden von fünf Mitarbeitern der Uni Wuppertal betreut.
Sie tun das mit einer eigens für das Forschungsprojekt entwickelten App auf dem Smartphone, erläutert Professor Guido Spars. Das Programm navigiert die Erfasser von Gebäude zu Gebäude. Die Gebäude werden fotografiert. Für jedes wird dann Schritt für Schritt ein Fragenkatalog abgearbeitet. Dabei tragen die Erfasser Angaben über den Gebäudetyp ein, das geschätzte Alter eines Gebäudes, seinen Modernisierungszustand, die Dachform, die Anzahl der Geschosse, wie hoch der Anteil der Fenster an der Fassade ist und anderes mehr.
100 000 von 1,5 Millionen Gebäuden
Sie tun das aber nicht nicht überall in Deutschland. Dafür wäre der Aufwand zu groß. Statt dessen will man mit der Untersuchung von 500 Stichproben-Arealen auskommen. Sie sind zufällig über ganz Deutschland verteilt sind und enthalten zusammen 100 000 Nichtwohngebäude. Von ihnen will man die Daten der Gesamtheit der 1,5 Millionen Nichtwohngebäude in Deutschland hochrechnen. Die Ergebnisse liefern nicht nur die Datengrundlage für Klimaziele, sondern erlauben zum Beispiel auch Untersuchungen über die Ballung unsanierter Immobilienbestände und die Entwicklung von Instandsetzungs- und Modernisierungsstrategien.
Da es bei der Festlegung der Stichprobenziehung noch nicht bekannt sei, um was für eine Art von Gebäude es sich handelt, werden auch vereinzelt Wohngebäude erfasst, teilt die Pressestelle des Wirtschaftsministeriums mit. Die Erheber führen Namensschilder und offizielle Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und der Bergischen Universität Wuppertal mit sich, um sich bei Fragen auszuweisen.
Befragungen vertiefen Datensammlung
In einem späteren zweiten Schritt wollen die Forscher 10 000 Nichtwohngebäude, zehn Prozent der erfassten 100 000, etwas detaillierter betrachten. Dann ist deine Befragung der Eigentümer vorgesehen, um Auskünfte über Wärmeschutz, Gebäudetechnik, Bewirtschaftung und Besitzverhältnisse dieser Nichtwohngebäude zu erhalten. Für 1000 dieser 10 000 Nichtwohngebäude, noch einmal zehn Prozent, sind in einer dritten Stufe des Forschungsprojekt noch genauere Erhebungen vorgesehen. Dann geht es um die Details von Energieverbrauch und -bedarf.
Große Teile des Stadtgebiets von Hammelburg waren für die erste Stufe des Forschungsprojekts als Stichprobe ausgewählt worden.
In den hessischen Spessartgemeinden Flörsbachtal und Jossgrund (Main-Kinzig-Kreis) dagegen werden derzeit für Data-NWG Daten erhoben. Auch zwei Gebiete im Landkreis Schweinfurt sind in Arbeit, im Raum Kolitzheim und im Raum Oberschwarzach, Dingolshausen, Michelau. Gleiches gilt für ein Gebiet in Würzbug südlich der Autobahn A3. Eine weitere Stichprobenfläche um Estenfeld soll erst später bearbeitet werden. Auch ein Areal im Bereich Wertheim und Freudenberg im Main-Tauber-Kreis steht erst später an.