
Vor 500 Jahren wurde der erste "Kurgast" in Bad Kissingen dokumentiert. Doch reicht eine Jahrhunderte währende Tradition für die Zukunft des bayerischen Staatsbades? Mit der gegenwärtigen und künftigen Bedeutung der Kurortmedizin und der Kurorte befassten sich der Kissinger Kurarzt Dr. Ralph Brath, Facharzt für Allgemeinmedizin, sowie Dr. Wolfram Franke, Leitender Arzt der vier Bad Kissinger DRV-Kliniken, in ihren Kurzvorträgen im Rahmen des Symposiums "Balneologie und Kurortmedizin ".
"Die Balneologie wird an Bedeutung zunehmen", gab sich Kurarzt Ralph Brath überzeugt, denn aktuell sei die "grüne Medizin" angesagt. Ein fachliches Indiz sei auch die Zunahme an Vorlesungen im Medizinstudium zu diesem Thema, die es in seiner eigenen Studienzeit gar nicht gegeben hatte. Im Gegensatz dazu stünde allerdings das Alter der wissenschaftlichen Datenlage, bemängelte er.
Kritik an Weiterbildungsmöglichkeiten
"Neuere Daten könnten der Bäderheilkunde neue Impulse geben", forderte er neue Forschungen zur Anwendung von Trinkkuren, Badekuren und Inhalationen. Kritik übte er als langjähriger Ausbilder auch an den Weiterbildungsmöglichkeiten zur Anerkennung als Kurarzt, zu der auch ein zwölfmonatiger Praxiseinsatz bei einem Weiterbilder gehört. "Kaum ein Arzt kann sich doch erlauben, ein ganzes Jahr bei seinem Arbeitgeber auszusetzen", wies Brath auf das Problem hin, weshalb es immer weniger Kurärzte gibt.
Brath forderte zudem eine engere Zusammenarbeit mit den Hausärzten der Patienten , um die vom Kurarzt empfohlene Nachsorge nach einer Kur zu gewährleisten. "Ich habe leider selten Anrufe von Hausärzten meiner Patienten bekommen." Auch sollten die klinischen und psychologischen Aspekte einer Kur zusammengeführt werden. "Wir müssen vom Schubladendenken wegkommen. Es geht doch um den Gesamtorganismus des Patienten ." Dazu sei auch eine Verbesserung in der Ausbildung der Allgemeinärzte erforderlich. Für die Zukunft meint Brath aber "eine erstarkende Bedeutung der Balneologie im Sinne einer nachhaltigen Behandlung" zu erkennen.
Rehabilitation ist in hohem Maß medizinalisiert
Wesentlich skeptischer sah Wolfram Franke als ärztlicher Vertreter der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die Bedeutung der Kurortmedizin und eines Kurortes. "Unsere hohen therapeutischen Anforderungen übersteigen schon heute die Möglichkeiten eines Kurortes oder eines Kurarztes. Die Rehabilitation ist in hohem Maß medizinalisiert - fast wie in einem Akutkrankenhaus - und unser Aufgabenbündel erfordert höchste medizinische Kompetenz."
Mit vier eigenen Häusern, 840 Betten und 700 Mitarbeitern hat die Deutsche Rentenversicherung das Staatsbad Bad Kissingen über Jahrzehnte zwar zu ihrem stärksten Standort ausgebaut und liefert jährlich mit 800.000 die Hälfte aller Übernachtungen. Doch der Kurort spielt bei der Belegung einer DRV-Klinik keine Rolle. Im Gegenteil: Franke verwies auf ein von der DRV angekündigtes Verteilungsverfahren nach Kriterien des Qualitätssicherungsprogramms und warnte alle Standort-Verantwortlichen: "Die Verteilung der Patienten wird dann ganz anders laufen als bisher. Wir wissen nicht, wie sich dies auf unsere Standorte auswirken wird."
Wissenschaftlich untersuchen
Ortsgebundene Heilmittel werden bei der DRV ohnehin nicht berücksichtigt, betonte Franke. "Dies rückt deren Wertigkeit etwas zurecht." Als einziges Kriterium anerkennt der DRV-Mediziner aber die "ästhetische Qualität" eines Kurortes und forderte, das "therapeutische Klima eines Kurort-Ensembles" wie in Bad Kissingen wissenschaftlich zu untersuchen. "Ich bin überzeugt, dass sich dies gerade auf psychosomatische Patienten positiv auswirkt", meinte Franke, der auch Facharzt für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie ist.
Er begrüßte deshalb die Bewerbung Bad Kissingens um den Titel eines Unesco-Welterbes und appellierte an alle Verantwortlichen: "Bewahren wir die Schönheit unserer Kurorte ."