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Bad Kissingen
Gut gelaunter Start
Lior Shambadal und die Berliner Symphoniker hatten zwei sensationelle junge Solisten zum Neujahrskonzert mitgebracht.
Sie mischten den Großen Saal auf: die Flötistin Jasmine Choi, der Tenor Hohannes Ayvazyan und Lior Shambadal mit seinen Berliner Symphonikern. Foto: Gerhild Ahnert       -  Sie mischten den Großen Saal auf: die Flötistin Jasmine Choi, der Tenor Hohannes Ayvazyan und Lior Shambadal mit seinen Berliner Symphonikern. Foto: Gerhild Ahnert
| Sie mischten den Großen Saal auf: die Flötistin Jasmine Choi, der Tenor Hohannes Ayvazyan und Lior Shambadal mit seinen Berliner Symphonikern. Foto: Gerhild Ahnert
Gerhild Ahnert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 17:40 Uhr
18 Jahre alt ist der "Kissinger Winterzauber" und zum 13. Mal waren am Neujahrstag die Berliner Symphoniker unter ihrem Dirigenten Lior Shambadal für das Festkonzert zum Jahresbeginn dabei. Sie sind das langlebigste Ensemble des Winterzaubers. Sie kommen mit dem Programm, das sie an Silvester in der Berliner Philharmonie spielen, und schaffen es jedes Jahr, ihr Publikum zu begeistern. Auch weil sie nicht das ewig gleiche Programm aus der Zeit der Wiener Walzerseligkeit im "Wiener Musikverein" kopieren. Lior Shambadal hat ein gutes Händchen dafür, zwischen den Hits wie dem "Jubiläumsmarsch", dem "Perpetuum mobile" oder der "Pizzicato-Polka" von Johann Strauß Sohn ein abwechslungsreiches Programm zu bieten, das eher an die "Last Night of the Proms" als an das Wiener Ritual erinnert. Und dazu lädt er in jedem Jahr interessante Solisten ein und - beim Publikum beliebt - scherzt und flunkert sich von Programmpunkt zu Programmpunkt.

Shambadal leitet die Berliner Symphoniker, die heuer ihr 50-jähriges Bestehen feiern, schon seit 20 Jahren und es ist in jedem Jahr zu bemerken, zu welch einem guten Klangkörper sie zusammengewachsen sind und mit welcher Konzentration das aus 18 Titeln und fünf Zugaben bestehende Mammutprogramm interpretieren: vom mitreißenden Beginn mit der Polonaise aus Tschaikowskys "Eugen Onegin", dem spannenden, emotional gestalteten Intermezzo aus Mascagnis "Cavalleria rusticana" bis zum spannend vorbereiteten Schlusstaumel des "Danza delle ore" (Stundentanz) aus Ponchiellis Ballett "La Gioconda" am Ende des Programms.


Überraschend gute Solisten

Eine veritable Sensation waren die beiden Solisten: zum einen die in Amerika am Curtis-Institut in Philadelphia ausgebildete Flötistin Jasmine Choi aus Südkorea, die schon in Londons Wigmore Hall und dem Wiener Konzerthaus als Solistin aufgetreten ist und 2015 vom Internet Klassikmagazin "Sinfini" zu den zehn besten Flötisten gezählt wurde. Und der armenische Tenor Hovhannes Ayvazyan, der seit seinem Examen 2011 an der Musikhochschule in Eriwan schon in einer Verdi-Gala mit Anna Netrebko in St. Petersburg, dem Neuen Theater in Moskau und im Wiener Musikverein aufgetreten ist.

Um sich mit seiner wunderbar vollen, sicher und ruhig geführten Tenorstimme zu zeigen, konnte Ayvazyan gleich drei der tragischen Heldenparts aus italienischen Opern des Belcanto und Verismo interpretieren. Kurz vor seiner Hinrichtung erinnert Toscas Geliebter Mario Caravadossi sich in Giacomo Puccinis Oper "Tosca" an ein glückliches Treffen mit ihr: In "E lucevan le stelle" verblüffte Ayvazyan mit seiner vollen, runden Stimme, die er sehr wendig und geschmeidig gestalten kann. Dass er sehr differenziert dynamisch und rhythmisch singen und die Verzweiflung des von seiner Frau betrogenen Clowns Canio auch in seiner Körpersprache ausdrücken kann, bewies er in "Vesti la giubba" aus Leoncavallos "Il Pagliacci".


Kleiner Gag am Rande

Auch "Un di all'azzurro spazio" aus Giordanos "Andrea Chenier" schildert die Seelenqualen eines Verliebten und Hovhannes Ayvazyan zeigt in einer der (nach Shambadals Moderation) "gewaltigsten Tenorarien, dem Höhepunkt des Verismo für Tenöre", wie locker er seine Stimme auch im Fortissimo führen kann, so dass in allen Lagen sein wunderschönes Timbre strahlen kann. Zum vierten Paradestück des Tenors, "Nessun dorma" aus Puccinis düsterster Oper "Turandot", hatte sich der gewiefte Entertainer Shambadal eine seiner witzigen Geschichten ausgedacht, indem er aus "dorma" "dolma" (gefüllte Weinblätter) machte und deren Fehlen beklagte. Als Ayvazyan in der Arie gezeigt hatte, wie grandios er auch mit tieferen Lagen umgeht, ließ der Schelm auch ein Tablett Dolmas für den Solisten und die erste Reihe des Publikums auftragen.

Auch für seine Flötensolistin Jasmine Choi hatte sich Shambadal ein paar Schaustückchen ausgedacht, um auf jeden Fall jegliche Gefahr abzuwehren, das Ganze könne in ein typisches klassisches Konzert abkippen. Sie hatte sich mit zwei berühmten Sätzen aus Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 2 kurz und knackig vorgestellt und in einem herrlichen Duett mit dem Orchester-Fagott ihre Spiellaune unter Beweis gestellt. Mit Cécile Chaminades "Concertino" konnte sie in irre schnellen Läufen und Stakkatofolgen ihre Virtuosität zeigen. Bei Montis berühmtem "Csárdás" ließ sie beim fulminanten Mittelteil vergessen, wie viel schwieriger dieses Geigenstück auf der Flöte zu spielen ist. In Eugène Damarés "Le Merle Blanc" scheuchte sie das Orchester, das am Anfang den nicht sehr spannenden Klavierpart etwa behäbig spielte und sich gerne einließ auf ihre wilde Jagd.


Zweifach Pizzicato-Polka

Johann Strauß' "Pizzicato-Polka" op. 243 las sich wie ein typisches Neujahrskonzertstück, doch durfte das Orchester zeigen, dass Pizzicato nicht gleich Pizzicato ist und wie viel anders Strauß, wenig bekannte "Neue Pizzicato-Polka", op. 449 klingt. Aus Kabalewskis Suite "Die Komödianten" spielten die Berliner verschmitzt und nett vier Tänze zum Erholen von animierenden Solobeiträgen.

Und die gab's natürlich nach Beifalls- und Bravostürmen auch noch bei den Zugaben. Rimsky-Korsakovs "Hummelflug" zeigte eine bravouröse Solistin. Der Tenor bewies mit "Dein ist mein ganzes Herz", dass er mit absolut akzentfreiem Deutsch und mit schöner innig-intimen Haltung singen kann. Die Polka "Unter Donner und Blitz" und der Mitklatsch-Radetzky-Marsch machten auch die Letzten glücklich.
 
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