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Staatsbad Bad Brückenau
Gunther Emmerlich im Staatsbad: Ein Leben in Liedern
Gunther Emmerlich und seinem Ensemble gelingt mit Arien, Chansons und Schlagern eine überaus vergnügliche musikalische Geschichtsstunde.
Tolle Stimme und viel Geschichtsverständnis bewies Gunther Emmerlich im Staatsbad.  Foto: Werner Vogel       -  Tolle Stimme und viel Geschichtsverständnis bewies Gunther Emmerlich im Staatsbad.  Foto: Werner Vogel
| Tolle Stimme und viel Geschichtsverständnis bewies Gunther Emmerlich im Staatsbad. Foto: Werner Vogel
Werner Vogel
 |  aktualisiert: 20.08.2022 00:50 Uhr
"Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg"... singt die Mutter an seiner Wiege. Gut 70 Jahre später beginnt Gunter Emmerlich mit diesem Kinderlied sein Konzert. Ganz schlicht und ohne Pathos gesungen, weckt der populäre Sänger eindrücklich Erinnerungen an die letzten Kriegsjahre und beschreibt so den Beginn seiner eigenen Biographie. Viel zu lachen gab es 1944 in Eisenberg in Ostthüringen nicht, wo der Bass mit der weich groovenden Stimme geboren wurde.

Seine schwierige Jugend - sein Vater bleibt im Krieg und auch die Mutter stirbt früh- beklagt er nicht, dazu ist er ein viel zu positiver Mensch, hat auch viele heitere Episoden aus dieser Zeit parat. Auch die folgenden Jahrzehnte werden durch geschichtliche Ereignisse erlebbar und das Lebensgefühl der Epochen vermitteln die Schlager die Emmerlich dazu aussucht.

So schwärmt er von "der Amimusik", die man in der DDR nicht hören durfte und interpretiert "Sunny Side of the Street" und "Old man River" im Stile eines Louis Armstrong. Mit etwas weniger Rauch in der Stimme, dafür mit tragendem satten Volumen. Erste Bravos gibt's dafür. Mühelos wechselt er in ein anderes musikalisches Fach und einen neuen Lebensabschnitt. Um erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht auszudrücken, lässt er Oberst Ollendorf aus dem Bettelstudent polternd klagen: "Ach, ich hab sie ja nur auf die Schulter geküsst", und schon ist er in der Operette angekommen. Die wunderbar unaufgeregte Moderation, die passenden Lieder und sein noch immer volltönend samtiger Bass nehmen die Zuhörer mehr und mehr gefangen. Weil auch die exzellenten Musiker der Micha Fuchs Band aus Dresden den Zug durch die Zeitreise stets unter Dampf halten, wird der Abend zum köstlichen Gesamterlebnis.


Erlebte Geschichte in Noten

"Die Welt und Ich - 70 Jahre Emmerlich" heißt das Programm. Das kommt jedoch viel heiterer daher, als der etwas bemühte Titel. "Ich setze mein kleines Leben ins Verhältnis zur großen Welt", heißt es in der Ankündigung weiter. Das trifft es schon eher, wenngleich das Leben des Gunther Emmerlich so klein nicht ist.

Er studiert in Weimar Operngesang, wird Mitglied im Ensemble der Dresdner Oper, schafft es ins DDR-Fernsehen als Gastgeber der Sendung "Showkolade" und geht mit der Dresdner Semper House Band schon früh neue musikalische Wege. Erst recht nach der Wende pflegt er seine musikalische Vielfalt, singt Oratorien, Bach und Händel, erobert die Bühnen nicht nur in Dresden, wo er heute lebt. Herausfordernde Basspartien in Oper und Operette gestaltet er mit Leidenschaft, und den Milchmann Tevje aus Anatevka hat er mehr als 700 Mal gegeben.
13 Jahre moderiert der Charakterkopf im Fernsehen die Musiksendung "Zauberhafte Heimat", führt zehn Jahre souverän durch den Semperopernball und schreibt 2014 sein erstes Buch. In diesem Jahr übernimmt er bei den Festspielen in Bad Hersfeld die Rolle des Oberst Pickering im Musical "My Fair Lady" und tourt mit dem Programm "Die Welt und ich" durch Deutschland.


Von Don Giovanni zu Bill Haley

Auch im Kursaal zeigt er die ganze Bandbreite seines musikalischen Könnens, überzeugt mit Volkslied und Rock'n'Roll. Nicht einfach aneinandergereiht, sondern - und das macht den Charme des Programms aus - im Kontext mit Anekdoten der Geschichte und witzig kommentiertem Bezug zum eigenen Leben. Die 1960er Jahre verbindet er mit Armin Harys Weltrekord über 100 Meter, seiner Schwärmerei für gleich zwei unerreichbaren Frauen, Jackie Kennedy und Raissa Gorbatschow. Da darf "Kalinka" natürlich nicht fehlen. Schelm, der er ist, erinnert er an Zeltlager der FDJ auf Usedom mit Cliff Richards "Rote Lippen soll man küssen" und haucht den Schmusehit "Ramona" mit niederländischem Zungenschlag der "Blue Diamonds", stilsicher begleitet von Lars Kutschkes nachklingender Gitarre.

Emmerlich kann, natürlich möchte man sagen, auch jiddisch, und Tevjes Wunschtraum "Wenn ich einmal reich wär" findet ebenso Platz im Erinnerungskästchen des Herzens wie Don Giovannis "Reich mir die Hand mein Leben" und die rockige Version von "Marmor, Stein und Eisen bricht". Bei "Yellow Submarine" laufen Michael Fuchs am Flügel und die Musiker seiner Band zu mitreißender Popmusikform auf und befeuern den 1,93 Meter großen Emmerlich zu Luftsprüngen.


Mit "überdachter Zündkerze"

Augenzwinkernd glossiert der die damaligen DDR-Verhältnisse, als im Restaurant der Semperoper das begehrte Radeberger Bier nur in Verbindung mit einem Wodka als Herrengedeck für sündteure 4,50 Ost-Mark ausgeschenkt wurde. "Es gab auch mehr Engpässe als Reisepässe, und der Trabbi wurde schon mal "überdachte Zündkerze" genannt, nimmt er seine Heimat auf die Schippe.


Ganz still im Publikum

So in Form kündigt Emmerlich nach 100 kurzweiligen Minuten sein Abschiedslied an: "Es ist Mai, und mit Mey hören wir auf." Es wird ganz still im Saal bei seiner Version von "Gute Nacht, Freunde". Er hat in der Tat viele neue Freunde an diesem Abend gefunden, der Sänger, Moderator und Geschichtenerzähler. Die wollen noch mehr Musik und Geschichten.

Stürmische geforderte Zugaben erlebt der ganze Saal stehend und mitklatschend. "Da kann einer noch so viel Oper gesungen haben: Rock'n'Roller bleibt man sein Leben lang", verrät Emmerlich, tritt bei "Rock around the Clock" mit dem Saxophon des Ive Kanew in einen Wettbewerb und entlässt das das Publikum nach Hause.
 
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