Bad Kissingen
Günter Bedenk im Gespräch: 30 Jahre Hausarzt in Bad Kissingen
Der 65-Jährige redet über sein Buch, wieso schwere Krankheiten Promis und Normalos gleich hart treffen und warum ihn die Praxisübergabe so bedrückt hat.
Günter Bedenk hat 30 Jahre am Sinnberg als Hausarzt praktiziert. Vor zwei Jahren gab er seine Praxis ab, unglückliche Umstände führten damals zu großer Verunsicherung unter den Patienten . Bedenk hat sich aber vom Beruf gelöst, genießt den Ruhestand und die Zeit mit seiner Familie. Seine Erfahrungen als Mediziner hat er in einem Buch verarbeitet.
Woher kam ihre Idee, über häufige Erkrankungen zu schreiben?
Günter Bedenk: Ich hatte mir während meiner Praxiszeit ein sehr umfangreiches Literaturmaterial zugelegt. Ich wollte einfach bei bestimmten Symptomen, die nicht ganz so geläufig waren oder die ein bisschen aus dem Rahmen fielen, mir selber ein Bild machen. Auf diese Weise bin ich manchmal zu sehr interessanten Punkten gekommen. Ohne die Kollegen besonders kritisieren zu wollen, habe ich jeden Facharztbrief durchgelesen. Und zwar intensiv.
Sie haben alles hinterfragt?
Wenn mir eine Diagnose nicht stimmig erschien, habe ich das gemacht. Zum Beispiel wenn sie zu einem Patienten aufgrund seiner Vorgeschichte, seines Alters oder seiner Risikokonstellation nicht gepasst hat.
Können Sie ein Beispiel geben, woran sie gemerkt haben, dass eine Diagnose nicht stimmt?
Ich hatte einen hochinteressanten Fall. Ein Patient zwischen 65 und 70 war in einer Spezialabteilung. Er hatte eine Magensymptomatik. Er kam zurück mit einer Diagnose, man könne nur Chemotherapie machen und die Lebenserwartung sei neun Monate. Diese Diagnose war deswegen nicht stimmig, weil die Gesamtkonstellation bei diesem Patienten nicht passte. Ich wollte, dass die Sache überprüft wird und habe für eine Zweitmeinung eine Klinik ausfindig gemacht. Die riefen mich an und sagten: Herzlichen Glückwunsch, es ist etwas ganz anderes. Und das was ursprünglich ausgeschlossen wurde, nämlich eine Operation, war jetzt die Methode der Wahl. Das führte dazu, dass der Patient meines Wissens heute noch lebt. Ich will damit sagen: Es ist wichtig, dass man nicht immer eingefahrene Wege geht.
Wie wichtig ist das für ihr Buch?
Mir ging es in dem Buch darum aufzuzeigen, dass die Allgemeinarzt-Tätigkeit darauf beruht, dass man an erster Front steht.Aus der Vielzahl banaler Symptome müssen kritische Fälle gefiltert werden. Das Buch habe ich zunächst aber für mich selber geschrieben. Ich wollte die Fülle gesammelter Daten zusammenfassen strukturiert nach Erkrankungen, Symptomen, Ursachen. Ich bin ans erste Semester meines Medizinstudiums gegangen und habe mir etwa das alte Anatomiebuch wieder zurechtgelegt, wenn ich erklärt habe, wie das Herz funktioniert. In gewisser Weise war es auch eine Bilanz für mich. Das war eine Bündelung dessen was ich in der Klinik und der Praxis erlebt habe.
Die medizinische Fakten erläutern Sie nach jedem Kapitel an der Krankengeschichte von Promis.
Jeder Mensch geht unterschiedlich mit seiner Krankheit um. Wenn sie Patienten über Jahrzehnte kennen, können Sie gut abschätzen, wie jemand reagiert. Mich hat immer interessiert, wie berühmte Persönlichkeiten mit einem Handicap an einem Organ zurechtkommen, das sie besonders brauchen. Es ist eindrucksvoll, wenn ich zum Beispiel einen berühmten Maler habe, der Schwierigkeiten mit dem Augenlicht hat. Merkt er es selber oder wird er von der Umgebung angesprochen? Wie reagiert er? Was verändert sich in seinem Werk? Dazu habe ich einige Fälle beschrieben, etwa Claude Monet und Edgar Degas .
Sie gehen auch auf den depressiven Fußballer Robert Enke , die alkoholkranke Sängerin Amy Winehouse und den aidskranken Queen-Frontmann Freddie Mercury ein. Gehen Berühmte anders mit ihrem Schicksal um als wir Normalos?
Da ist man natürlich auf Geschriebenes angewiesen. Ich habe Selbstbiografien und Beschreibungen aus dem Umfeld der Betroffenen genau gelesen. Steht man in der Öffentlichkeit , ist das Bild sehr komplex und der Druck noch größer. Jeder wird versuchen, zu kompensieren. Mancher schafft's und mancher schafft's nicht. Der Glaube und die Einbindung in eine stabile Umgebung können da eine Hilfe sein. Jemand, der eine schwere Erkrankung durchmachen muss und der innerlich gefestigt ist, kann das leichter durchstehen. Aber man kann keinem Menschen einen Vorwurf machen, wenn er das nicht schafft. Keiner ist davor gefeit, dass er mit einer Situation wunderbar fertig wird und in der nächsten scheitert.
Wie haben Sie das erlebt, todkranke Patienten zu begleiten?
Ich habe sehr viele Patienten bis zu ihrer letzten Minute betreut. Das war sehr eindrucksvoll. Ich habe eine große Dankbarkeit bei Leuten erlebt, die sich darauf verlassen konnten, dass ich immer helfe, auch nachts und am Wochenende.
Wie wichtig war ihnen der Kontakt zum Patienten ?
Enorm wichtig. Das ist die Basis. Ich habe zum Beispiel selber Blut abgenommen. Die Leute kamen zu Routine Terminen. Da habe ich gefragt: "Was war in den letzten vier Wochen?" Ich habe auch immer gleich Herz und Lunge abgehört. Nicht, dass ich am Abend die Laborwerte kriege, ohne zu wissen: Was war in letzter Zeit. Und es ging natürlich darum ein Vertrauensverhältnis und Nähe zu schaffen.
Sie haben sich sehr für Ihre Patienten eingesetzt. Warum gab es bei der Praxisnachfolge Probleme?
Das Hauptproblem für den Aufschrei in der Öffentlichkeit nach der Praxisabgabe waren die Altenheime. Ich konnte die Patienten dort nur dadurch versorgen, dass ich um sechs Uhr hinging. Ich musste hin, weil ich es sonst durch die Praxistermine nicht hätte machen können. Ebenso wichtig war für mich ein praktischer Grund: Nämlich die Leute im Bett im Nachthemd liegen zu sehen. Ich konnte sie genauer beurteilen und besser untersuchen. Ich war jeden Tag in einem anderen Altenheim. Das wollte man mir nicht mehr nachmachen, was ich verstehe. Man hätte es aber, glaube ich, auch anders organisieren können.
Hatten Sie im Nachhinein Probleme mit der Nachfolgerin?
Nicht ich, sondern die Pflegeheime. Es war anders abgesprochen. Ende März wurde die Praxis geschlossen, kurz vorher erfuhr ich, dass nicht alle Patienten aus den Heimen übernommen werden.
Wie konnte das passieren?
Ärzte sind frei. Nach der Rechtsprechung können sie Patienten ablehnen, wenn sie überlastet sind. Darauf hat sich die Nachfolgerin berufen.
Hat Sie das getroffen?
Ja sehr. Ich konnte es aber nicht mehr ändern. In der Öffentlichkeit wurde es jedoch so gesehen, als hätte ich es mir nicht ausreichend überlegt und hätte es anders machen müssen. Das hat mich sehr bedrückt und ist der einzige Wermutstropfen beim Rückblick auf meine Tätigkeit. Mein größter Wunsch war ein reibungsloser Übergang. Wie es sich letztlich entwickelt hat, konnte ich so nicht erwarten.
Warum haben Sie abgegeben?
Wenn man sieht, wie viele Hausärzte über 60 sind, war ich der Meinung, es ist besser, sich rechtzeitig umzuschauen. Eine Praxis abzugeben ohne Nachfolger - Das war schon einmal ein großes Thema in Bad Kissingen und das wollte ich unter keinen Umständen. Mir wurde überall erklärt, dass es schwierig ist, jemanden zu finden. Die Gespräche mit der Nachfolgerin liefen aber wunderbar. Ich hatte das Gefühl, es geht gut weiter und da habe ich gesagt: Ok.
Manche Kollegen können auch im Ruhestand nicht vom Arzt-Sein lassen und arbeiten in Teilzeit in anderen Praxen weiter. Warum ist das nichts für Sie?
Arzt ist man und bleibt es auch. Ich beschäftige mich auch noch jeden Tag mehrere Stunden mit Medizin, allerdings jetzt in der Theorie. Aber ich habe immer gesagt, ich mache einen klaren Schnitt. Entweder mache ich den Beruf 100-prozentig, oder gar nicht.
Zur Person Günter Bedenk wurde 1953 in Knetzgau geboren. Er studierte in Würzburg Medizin und sammelte Berufserfahrung in einer Klinik. 1986 hat er die Praxis in Bad Kissingen übernommen. Seit April 2016 befindet er sich im Ruhestand .
Buch Der Titel lautet "Die häufigsten und wichtigsten Erkrankungen - einfach erklärt - mit interessanten Anmerkungen zur Krankengeschichte berühmter Persönlichkeiten". Das Buch ist im lokalen Buchhandel erhältlich.
Woher kam ihre Idee, über häufige Erkrankungen zu schreiben?
Günter Bedenk: Ich hatte mir während meiner Praxiszeit ein sehr umfangreiches Literaturmaterial zugelegt. Ich wollte einfach bei bestimmten Symptomen, die nicht ganz so geläufig waren oder die ein bisschen aus dem Rahmen fielen, mir selber ein Bild machen. Auf diese Weise bin ich manchmal zu sehr interessanten Punkten gekommen. Ohne die Kollegen besonders kritisieren zu wollen, habe ich jeden Facharztbrief durchgelesen. Und zwar intensiv.
Sie haben alles hinterfragt?
Wenn mir eine Diagnose nicht stimmig erschien, habe ich das gemacht. Zum Beispiel wenn sie zu einem Patienten aufgrund seiner Vorgeschichte, seines Alters oder seiner Risikokonstellation nicht gepasst hat.
Können Sie ein Beispiel geben, woran sie gemerkt haben, dass eine Diagnose nicht stimmt?
Ich hatte einen hochinteressanten Fall. Ein Patient zwischen 65 und 70 war in einer Spezialabteilung. Er hatte eine Magensymptomatik. Er kam zurück mit einer Diagnose, man könne nur Chemotherapie machen und die Lebenserwartung sei neun Monate. Diese Diagnose war deswegen nicht stimmig, weil die Gesamtkonstellation bei diesem Patienten nicht passte. Ich wollte, dass die Sache überprüft wird und habe für eine Zweitmeinung eine Klinik ausfindig gemacht. Die riefen mich an und sagten: Herzlichen Glückwunsch, es ist etwas ganz anderes. Und das was ursprünglich ausgeschlossen wurde, nämlich eine Operation, war jetzt die Methode der Wahl. Das führte dazu, dass der Patient meines Wissens heute noch lebt. Ich will damit sagen: Es ist wichtig, dass man nicht immer eingefahrene Wege geht.
Wie wichtig ist das für ihr Buch?
Mir ging es in dem Buch darum aufzuzeigen, dass die Allgemeinarzt-Tätigkeit darauf beruht, dass man an erster Front steht.Aus der Vielzahl banaler Symptome müssen kritische Fälle gefiltert werden. Das Buch habe ich zunächst aber für mich selber geschrieben. Ich wollte die Fülle gesammelter Daten zusammenfassen strukturiert nach Erkrankungen, Symptomen, Ursachen. Ich bin ans erste Semester meines Medizinstudiums gegangen und habe mir etwa das alte Anatomiebuch wieder zurechtgelegt, wenn ich erklärt habe, wie das Herz funktioniert. In gewisser Weise war es auch eine Bilanz für mich. Das war eine Bündelung dessen was ich in der Klinik und der Praxis erlebt habe.
Die medizinische Fakten erläutern Sie nach jedem Kapitel an der Krankengeschichte von Promis.
Jeder Mensch geht unterschiedlich mit seiner Krankheit um. Wenn sie Patienten über Jahrzehnte kennen, können Sie gut abschätzen, wie jemand reagiert. Mich hat immer interessiert, wie berühmte Persönlichkeiten mit einem Handicap an einem Organ zurechtkommen, das sie besonders brauchen. Es ist eindrucksvoll, wenn ich zum Beispiel einen berühmten Maler habe, der Schwierigkeiten mit dem Augenlicht hat. Merkt er es selber oder wird er von der Umgebung angesprochen? Wie reagiert er? Was verändert sich in seinem Werk? Dazu habe ich einige Fälle beschrieben, etwa Claude Monet und Edgar Degas .
Sie gehen auch auf den depressiven Fußballer Robert Enke , die alkoholkranke Sängerin Amy Winehouse und den aidskranken Queen-Frontmann Freddie Mercury ein. Gehen Berühmte anders mit ihrem Schicksal um als wir Normalos?
Da ist man natürlich auf Geschriebenes angewiesen. Ich habe Selbstbiografien und Beschreibungen aus dem Umfeld der Betroffenen genau gelesen. Steht man in der Öffentlichkeit , ist das Bild sehr komplex und der Druck noch größer. Jeder wird versuchen, zu kompensieren. Mancher schafft's und mancher schafft's nicht. Der Glaube und die Einbindung in eine stabile Umgebung können da eine Hilfe sein. Jemand, der eine schwere Erkrankung durchmachen muss und der innerlich gefestigt ist, kann das leichter durchstehen. Aber man kann keinem Menschen einen Vorwurf machen, wenn er das nicht schafft. Keiner ist davor gefeit, dass er mit einer Situation wunderbar fertig wird und in der nächsten scheitert.
Wie haben Sie das erlebt, todkranke Patienten zu begleiten?
Ich habe sehr viele Patienten bis zu ihrer letzten Minute betreut. Das war sehr eindrucksvoll. Ich habe eine große Dankbarkeit bei Leuten erlebt, die sich darauf verlassen konnten, dass ich immer helfe, auch nachts und am Wochenende.
Wie wichtig war ihnen der Kontakt zum Patienten ?
Enorm wichtig. Das ist die Basis. Ich habe zum Beispiel selber Blut abgenommen. Die Leute kamen zu Routine Terminen. Da habe ich gefragt: "Was war in den letzten vier Wochen?" Ich habe auch immer gleich Herz und Lunge abgehört. Nicht, dass ich am Abend die Laborwerte kriege, ohne zu wissen: Was war in letzter Zeit. Und es ging natürlich darum ein Vertrauensverhältnis und Nähe zu schaffen.
Sie haben sich sehr für Ihre Patienten eingesetzt. Warum gab es bei der Praxisnachfolge Probleme?
Das Hauptproblem für den Aufschrei in der Öffentlichkeit nach der Praxisabgabe waren die Altenheime. Ich konnte die Patienten dort nur dadurch versorgen, dass ich um sechs Uhr hinging. Ich musste hin, weil ich es sonst durch die Praxistermine nicht hätte machen können. Ebenso wichtig war für mich ein praktischer Grund: Nämlich die Leute im Bett im Nachthemd liegen zu sehen. Ich konnte sie genauer beurteilen und besser untersuchen. Ich war jeden Tag in einem anderen Altenheim. Das wollte man mir nicht mehr nachmachen, was ich verstehe. Man hätte es aber, glaube ich, auch anders organisieren können.
Hatten Sie im Nachhinein Probleme mit der Nachfolgerin?
Nicht ich, sondern die Pflegeheime. Es war anders abgesprochen. Ende März wurde die Praxis geschlossen, kurz vorher erfuhr ich, dass nicht alle Patienten aus den Heimen übernommen werden.
Wie konnte das passieren?
Ärzte sind frei. Nach der Rechtsprechung können sie Patienten ablehnen, wenn sie überlastet sind. Darauf hat sich die Nachfolgerin berufen.
Hat Sie das getroffen?
Ja sehr. Ich konnte es aber nicht mehr ändern. In der Öffentlichkeit wurde es jedoch so gesehen, als hätte ich es mir nicht ausreichend überlegt und hätte es anders machen müssen. Das hat mich sehr bedrückt und ist der einzige Wermutstropfen beim Rückblick auf meine Tätigkeit. Mein größter Wunsch war ein reibungsloser Übergang. Wie es sich letztlich entwickelt hat, konnte ich so nicht erwarten.
Warum haben Sie abgegeben?
Wenn man sieht, wie viele Hausärzte über 60 sind, war ich der Meinung, es ist besser, sich rechtzeitig umzuschauen. Eine Praxis abzugeben ohne Nachfolger - Das war schon einmal ein großes Thema in Bad Kissingen und das wollte ich unter keinen Umständen. Mir wurde überall erklärt, dass es schwierig ist, jemanden zu finden. Die Gespräche mit der Nachfolgerin liefen aber wunderbar. Ich hatte das Gefühl, es geht gut weiter und da habe ich gesagt: Ok.
Manche Kollegen können auch im Ruhestand nicht vom Arzt-Sein lassen und arbeiten in Teilzeit in anderen Praxen weiter. Warum ist das nichts für Sie?
Arzt ist man und bleibt es auch. Ich beschäftige mich auch noch jeden Tag mehrere Stunden mit Medizin, allerdings jetzt in der Theorie. Aber ich habe immer gesagt, ich mache einen klaren Schnitt. Entweder mache ich den Beruf 100-prozentig, oder gar nicht.
Zur Person Günter Bedenk wurde 1953 in Knetzgau geboren. Er studierte in Würzburg Medizin und sammelte Berufserfahrung in einer Klinik. 1986 hat er die Praxis in Bad Kissingen übernommen. Seit April 2016 befindet er sich im Ruhestand .
Buch Der Titel lautet "Die häufigsten und wichtigsten Erkrankungen - einfach erklärt - mit interessanten Anmerkungen zur Krankengeschichte berühmter Persönlichkeiten". Das Buch ist im lokalen Buchhandel erhältlich.
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