
Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel ( SPD ) kritisiert die Grundsteuerreform in Bayern als „ungerecht“ und „kompliziert“. Die Reform sei der Stadt Bad Kissingen „ins Nest gelegt worden“, so Vogel, und zwinge sie aufgrund des bayerischen Sonderwegs, der sich vom Bundesmodell unterscheidet, zu handeln. Dieser Sonderweg stellt von der bisherigen Berechnung nach Grundstückswert auf eine reine Flächenbewertung um, was erhebliche Auswirkungen auf die Grundsteuer habe.
Die Reform betrifft vor allem die Grundsteuer B für private und gewerbliche Grundstücke . Bisher wurde der Steuerwert auf Basis des Einheitswerts von 1964 berechnet. Nun zählt allein die Größe des Grundstücks , was zu höheren Belastungen vor allem auf großen Flächen führt, unabhängig vom tatsächlichen Wert des Grundstücks oder Gebäudes.
Im ländlichen Raum wird es teurer
Daniel Bahn, Leiter der Finanzverwaltung, erklärt, dass früher neben der Größe auch Faktoren wie Lage und Ausstattung (z. B. ein Schwimmbad) in die Bewertung einflossen. Künftig spielt das keine Rolle mehr, was besonders für Einfamilienhäuser im ländlichen Raum höhere Kosten bedeutet.
Vogel fasst zusammen: „Land finanziert Stadt.“ Größere Grundstücke , die oft im ländlichen Raum liegen, werden durch die neue Berechnungsgrundlage höher besteuert als zuvor. Das könnte dazu führen, dass für ein großes Grundstück in einem Münchener Vorort genauso viel Grundsteuer zu zahlen ist wie für ein Gelände in einem ländlichen Stadtteil wie Arnshausen oder Poppenroth – trotz der enormen Unterschiede in der Grundstückspreisbewertung.
Eine Lösung könnte darin bestehen, unterschiedliche Hebesätze für städtische und ländliche Gebiete einzuführen. Dieser Weg bleibt den bayerischen Kommunen jedoch verwehrt. „Es kann nur ein einheitlicher Hebesatz festgesetzt werden. Wir können die Stadt nicht in unterschiedliche Zonen untergliedern“, betont Vogel. Dies führe zu Ungerechtigkeiten.
4,8 Millionen Euro braucht die Stadt
Die Stadt Bad Kissingen ist auf die Einnahmen aus der Grundsteuer angewiesen. „Wir müssen einen neuen Hebesatz festlegen, um weiterhin 4,8 Millionen Euro Einnahmen zu sichern und der muss einheitlich sein.“ Auf die geänderte Berechnungsgrundlage habe die Stadt keinen Einfluss.
Massive Steuererhöhung
Für die Bürger in Bad Kissingen wird die Reform unterschiedliche Auswirkungen haben. Während in der Kernstadt die Grundsteuer um etwa 20 Prozent sinkt, müssen die Bewohner einiger Stadtteile wie Hausen (plus zwölf Prozent), Reiterswiesen (plus acht Prozent) und vor allem Poppenroth (plus 36 Prozent), Kleinbrach (plus 30 Prozent) und Arnshausen (plus 23 Prozent) mit deutlichen Erhöhungen rechnen. In Albertshausen wird die Grundsteuer aufgrund des Gewerbegebiets sogar um 87 Prozent steigen. Für die reine Wohnbebauung in Albertshausen sind ähnlich Werte wie in Poppenroth zu erwarten.
Die Reform führt auch bei Gewerbe- und Industrieflächen in ländlichen Regionen zu höheren Steuern, da nun ausschließlich die Nutzfläche als Grundlage dient. Dadurch werden innerstädtische Immobilien künftig geringer besteuert, während besonders größere Betriebe in Gewerbe- und Industriegebieten stärker belastet werden. Diese Verschiebung sei eine direkte Folge des neuen Berechnungssystems.
Fehlerhafte Datengrundlage
Die Stadt Bad Kissingen steht zudem vor dem Problem, dass etwa zehn Prozent der relevanten Daten für die Grundsteuerberechnung noch fehlen. Außerdem geht die Verwaltung davon aus, dass ein Teil der vorhandenen Daten fehlerhaft ist, da das Finanzamt die Angaben der Steuerpflichtigen nicht überprüft habe.
Erst wenn die Stadt die neuen Steuerbescheide verschickt, werden den Eigentümern diese Fehler auffallen, was zu Einsprüchen und damit zu weiteren Anpassungen führen werde. Diese Unsicherheiten müssen bei der Festlegung des neuen Hebesatzes berücksichtigt werden, damit die Stadt keine Mindereinnahmen hat, erläutert Bahn.
Stadtrat entscheidet
Die Verwaltung wird dem Stadtrat am Mittwoch, 25. September vorschlagen, den Hebesatz für die Grundsteuer B von 380 auf 440 Prozentpunkte anzuheben. Diese Anhebung werde der Stadt keine zusätzlichen Einnahmen bringen, sondern lediglich das bisherige Aufkommen von 4,8 Millionen Euro sichern, sichert Bahn zu.
Bei der Grundsteuer A, die auf land- und forstwirtschaftliche Grundstücke erhoben wird, bleibt das Wertemodell erhalten, jedoch sollen Wohnhäuser künftig nach der neuen Flächenregelung besteuert werden. Der Hebesatz soll hier von 380 auf 390 Prozentpunkte steigen.
Keine Zonierung möglich
Gerhard Schneider , der Geschäftsleiter der Stadt Bad Kissingen : Bisher sei stets betont worden, dass die Reform aufkommensneutral sei – was für den Haushalt der Kommune auch zutreffend sei. „Was man den Menschen aber nicht gesagt hat, dass es zu massiven Verschiebungen für Einfamilienhäuser kommen wird.“ Und weiter: „Wir haben eine komplette Systemänderung. Die alte Grundsteuer hat mit der neuen nichts mehr zu tun. Es ist klar, dass Ungerechtigkeiten entstehen werden.“
Schneider prognostiziert einen Aufschrei, sobald die Bescheide verschickt werden. „Eine Zonierung der Hebesätze hätte diese Ungerechtigkeiten abmildern können“, so Schneider.
Betroffenen bleibt nur Weg der Klage
Oberbürgermeister Vogel bedauert, dass der Staat den Kommunen kein Spielraum zur Festlegung unterschiedlicher Hebesätze gelassen habe. „Es ist fatal, dass wir keine Möglichkeit zur Zonierung haben.“ Den betroffenen Bürgern bleibe nur der Klageweg. Gleichzeitig bittet er um Verständnis: „Das ist nicht die Baustelle der Stadt; das haben wir nicht verursacht. Wir können es nicht ausgleichen und gegensteuern.“
Vertreter der Fraktionen im Stadtrat erklärten sich mit den vorgeschlagenen Hebesätzen einverstanden. „Wir haben gar keine Wahl“, fasst Martina Greubel (DBK) die Situation zusammen. Thomas Menz ( SPD ) betont, dass die Stadt nicht versuche, durch die Reform Mehreinnahmen zu erzielen: „Die Stadt handelt haushaltsneutral. Die Bürger sollten ihre Kritik an den bayerischen Sonderweg richten, der ungerecht und unnötig ist.“