
Für Kurgäste ist es ein gemütlicher Ort. Für die meisten Bundesbürger ist Bad Brückenau vielleicht nur eine Autobahnabfahrt. Doch die beschauliche 6000-Einwohner Stadt hat Bundesgeschichte geschrieben, die dem Land die Bundesrepublik Deutschland beschert hat. Denn hier hat sich vor 76 Jahren, genauer am 13. April 1948, der sogenannte „Ellwanger Kreis“ getroffen. Die Gruppe aus Vertretern der CDU und CSU aus Bayern, Hessen und den drei Landesteilen, die später einmal Baden-Württemberg formen würden, kamen in zahlreichen Gesprächen – sonst immer im württembergischen Ellwangen – einmalig auch in Unterfranken zusammen. Das einzige Treffen, an dem auch der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer teilnahm und welches möglicherweise seinen Weg ins Kanzleramt ebnet. Ein Treffen, das von den Sozialdemokraten mit einiger Skepsis aus der Ferne beobachtet wurde.
Die Zusammenkunft im heutigen Dorint Resort & Spa Bad Brückenau fand unter angespannten Bedingungen statt: Das besiegte Nazideutschland war in vier Besatzungszonen geteilt, die Zukunft noch offen und die Diskussionen um eine Verfassung noch längst nicht zu Ende. Bei letzterem soll das Treffen helfen. Smartphones gab's noch nicht und es gibt nicht viele Zeugnisse aus den Besprechungsrunden im Kuppelsaal, der im Jugendstil gehalten ist. Eine Mitschrift von Hermann Gögler hat die Konrad-Adenauer-Stiftung aufbewahrt.
Noch keine Einigung erzielt
Gögler, Staatssekretär des Württemberg-badischen Staatsministeriums, organisiert die Treffen seit 1947 und schreibt: „Sinn und Zweck der Tagung war, die bei der am 22./23. November 1947 begonnenen [...] Besprechungen [...] über die Grundlagen einer deutschen Verfassung nunmehr zum Abschluss zu bringen [...]" Dies sei jedoch nicht ganz gelungen. Man habe zwar laut Abschlusserklärung eine „eine grundsätzliche Einigkeit“ erreicht, aber es gebe Überarbeitungsbedarf. Der bayrische Staatsminister Dr. Anton Pfeiffer, der ebenfalls zu den Gründern des Ellwanger Kreises zählt, werde laut seinem CDU-Kollegen Gögler die Ergebnisse zu „gegebener Zeit dem Verfassungsausschuss der CDU“ vorlegen.
Skepsis bei der SPD
Doch die politische Konkurrenz hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Beim Blick in den „Sozialdemokratischen Pressedienst" in seiner Ausgabe vom 21. April 1948 wird klar: So privat und "ohne offiziellen Charakter" wie Dr. Pfeiffer das Treffen dargestellt hatte, war es nicht. „Der Aufmarsch der prominentesten CDU/CSU-Politiker in Westdeutschland rechtfertigt in keiner Weise die Darstellung, dass es sich um eine private Angelegenheit handelt", schreibt der Pressedienst. Und dass die Öffentlichkeit erst zu gegebener Zeit informiert werden solle, "ruft starkes Misstrauen hervor." Der Artikel listet recht genau auf, wer alles teilnahm. „Bayern stellte mehr als die Hälfte der Teilnehmer. Schon dies beweist, wo die Initiative liegt", notiert der Pressedienst.

Das sozialdemokratische Medium hält auch fest, dass es eine Auseinandersetzung zwischen Adenauer und dem Publizisten und Wissenschaftler Eugen Kogon gab. Während Adenauer die Verfassungsfragen nach hinten rücken wollte, um Spaltungsvorwürfen aus der Ostzone entgegenzuwirken, wollte der Bayer Kogon eine schnelle Einigung auf einen westdeutschen Staat mit föderalistischer Grundlage, „um eine wirksame Abwehr gegen den expansiven Kommunismus zu schaffen."
Im Sinne des Ausgleichs
Aber abseits der Auseinandersetzungen und dem sozialdemokratischen Naserümpfen, hat die Tagung neben der neuen Bezeichnung „Bundesrepublik" Einiges vorweg gegriffen, was später Teil des Grundgesetzes wurde: Die allgemeinen Menschenrechte, die Gewaltenteilung, der Rechtsstaat, die Aufteilung in Bundesländer und ihre Aufgaben. Aber die Macht des Bundesrates wurde beschnitten: Der Ellwanger Kreis hatte noch vorgeschlagen, dass der Bundesrat ebenfalls die Bundesregierung bestätigen müsse. Der Ausgleich hatte gewonnen, am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft, im Herbst wurde Adenauer Bundeskanzler und Bad Brückenau wieder ein gemütlicher Kurort.
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