
„Wegen Lockdown geschlossen“ – dieser Hinweis hing in vielen Schaufenstern, Geschäfte und Cafés waren dicht, die Gassen der Altstadt menschenleer, Schulhöfe und Kindergärten verwaist.
Der erste Corona-Lockdown in Deutschland wurde am 16. März 2020 beschlossen und trat am 22. März in Kraft. Das ist inzwischen fünf Jahre her, doch der Beginn der Corona-Pandemie ist im Gedächtnis hängen geblieben. Wir haben Menschen aus Bad Kissingen gefragt, wie sie diese Zeit erlebt haben.
Richtiger Unterricht geht nur vor Ort
„Die Ruhe in der Schule war ungewohnt“, sagt Bernd Czelustek , Rektor der Henneberg-Grundschule in Garitz. „Einerseits hatte man Zeit, Liegengebliebenes aufzuarbeiten, andererseits haben wir uns gefragt, wie wir den Lernstoff vermitteln können und welche sozialen Konsequenzen das haben wird.“
Der Aufwand, Arbeitsblätter und Übungen über die Schul-App an die Eltern zu vermittelt, war enorm. Für Online-Unterricht waren die technischen Voraussetzungen an der Schule und häufig auch bei den Kindern zu Hause nicht optimal.

„Richtiger Unterricht ist nur vor Ort und persönlich machbar, das wurde in dieser Zeit deutlich.“ Schön zu sehen war, wie froh die Kinder waren, als sie wieder in die Schule gehen durften. „Auch die Lehrerschaft ist in der Zeit zusammengewachsen. Da sind aus Kollegen oft Freunde geworden.“
„Die Menschen haben sich nach Musik gesehnt“
Jörg Wöltche kann sich noch genau an sein letztes Konzert vor dem Lockdown erinnern: „Das war am 7. März 2020 im Regentenbau mit PraiSing. Alle waren traurig, dass gemeinsames Musizieren nicht mehr möglich ist und niemand wusste, was auf uns zukommt“, erzählt der Kirchenmusikdirektor und Chorleiter der evangelischen Kirche.
Er konnte sich in der Zeit von einem Arbeitsunfall erholen und sich seiner wissenschaftlichen Arbeit widmen, „doch grundsätzlich war es für Musiker eine Katastrophe. Zu akzeptieren, dass Musikmachen gesundheitsschädlich sein soll, ist mir sehr schwergefallen.“

Später konnte Jörg Wöltche das Musizieren in kleinen Gruppen ermöglichen und das Kinder-Krippenspiel online anbieten. „Die Menschen haben sich nach Musik gesehnt und sind für eine Abendandacht von weit herangefahren.“
Die Folgen des Lockdowns im mitmenschlichen Umgang seien bis heute spürbar. „Gemeinsames Musizieren schafft Zusammenhalt. Wer miteinander Musik macht, geht nicht aufeinander los.“
Kaltstart zu Beginn der Amtszeit
Frisch zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt gewählt, musste sich Dirk Vogel mit der Corona-Pandemie einer nie dagewesenen Aufgabe stellen. „Ehrlich gesagt war das ein Kaltstart“, sagt er im Rückblick. „Große Teile der Verwaltung waren nicht im Rathaus, die Menschen zu Hause, die Gaststätten zu. Der Start geht sicher freundlicher.“
An den Moment, als Dirk Vogel vom Lockdown erfährt, kann er sich noch gut erinnern: „Wir freuten uns im Bratwurst Glöckle, die Wahl gewonnen zu haben. Und dann hieß es: austrinken, das ist das letzte Bier. Ab morgen wird zugemacht. Für mich war klar: Bald hast du die Verantwortung.“

Die drohende Zahlungsunfähigkeit der Staatsbad GmbH musste abgewendet, über Ansteckungs- und Todesfälle in der Stadt informiert und Hygienevorschriften umgesetzt werden. „Der Stadtrat musste handlungsfähig sein, damit der Laden weiterlaufen konnte.“ Seine langjährige Verwaltungstätigkeit half ihm dabei.
Dabei habe er gelernt, wie sensibel die Systeme sind, auf die sich die Menschen tagtäglich verlassen.
Neue Beschwerden durch Corona
„Es war befremdlich, einen Patienten mit Einmalhandschuhen und Maske zu behandelt“, berichtet Physiotherapeutin Isabell Hergenröther über die Zeit des Lockdowns. Die Anwendungen in der Praxis mussten auf das Nötigste reduziert werden, die von ihr zusätzlich durchgeführten Pilates-Kurse konnten nicht stattfinden.
„Ich habe dann über YouTube Videos angeboten, das wurde gut angenommen und später Kurse an der frischen Luft.“
Bei ihrer Arbeit bemerkt sie heute im Vergleich zu früher ein Anstieg an psychischen Beschwerden, die Auswirkungen auf den Körper haben. „Es gibt jetzt viele Beschwerdebilder, die es so vorher nicht gab.“
Langweilig ohne Schule
Annika war damals Schülerin am Gymnasium und ging in die 9. Klasse. „Anfangs fand ich es cool, dass die Schule ausgefallen ist, aber irgendwann wurde es langweilig.“ Zu Hause konnte sie sich gut mit Joggen, spazieren gehen, Häkeln, Backen und ihren drei Schwestern die Zeit vertreiben.
„Aber es war schon anders, daheim Online-Unterricht zu haben, allein zu lernen und keinen geregelten Tagesablauf zu haben“, sagt die heute 19-Jährige. „Ich verbinde die Zeit immer mit Mohnkuchen und viel Zeit in der Natur. Aber ich vermisse sie nicht.“
Café mit kreativen Angeboten
Den Tag, als die Regierung den ersten Corona-Lockdown beschließt, wird Nicolas Borst nie vergessen: „Da ist für mich erstmal die Welt zusammengebrochen. Ich musste mein Café schließen und wusste nicht, wie ich das neu gebaute Haus bezahlen soll, in das ich mit meiner Familie kurz zuvor eingezogen bin.“
Das Handy des Café-Kaiser-Inhabers stand nicht still: „Meine Mitarbeiter wollten wissen, wie es weitergeht, aber das schlimmste war, ich konnte es ihnen nicht sagen.“

Als dann klar war, dass der Verkaufsladen geöffnet werden durfte, ließen sich Nicolas Borst und sein Team einiges einfallen: „Wir haben das Frühstück-to-go angeboten, einen Lieferdienst eingerichtet und durften den Krisenstab des Landratsamtes mit Essen versorgen. Das war ein Hoffnungsschimmer, denn wir hatten ja laufende Kosten.“
Froh war Borst darüber, dass der Landrat als Vermieter ihm mit der Pacht entgegenkam. „Die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt in der Zeit waren toll. Wir hatten viele jüngere Leute im Laden, die Bestellungen für ältere Menschen abgeholt haben, weil die nicht aus dem Haus gehen wollten.“
Einsamkeit war groß
Gerade für Senioren war der Lockdown ein Ausnahmenzustand. „Wir mussten von heute auf morgen viele Angebote, Veranstaltungen und den gastronomischen Betrieb für unsere Bewohner fast auf null fahren, das war ziemlich heftig“, erzählt Ralf Grosch, Leiter des Burkardus Wohnparks.
„Dann habe ich erstmal eine Sonderausgabe unsere Hauszeitung nach der anderen geschrieben, um über den aktuellen Stand zu informieren.“ Mit Rätselausgaben zum Gedächtnistraining, kleinen Hofkonzerten und Sportkursen im Freien wurde versucht, Abwechslung zu bieten.

„Das Thema Einsamkeit war schon groß. Wir haben viel herumtelefoniert, weil die Möglichkeiten, sich zwanglos zu treffen, sehr gefehlt haben“, erinnert sich Grosch. Besonders für den vollstationären Pflegebereich sei es schlimm gewesen, „Demenzerkrankte haben die Einschränkungen ja nicht verstanden.“
Nach dem einzigen Ausbruchsgeschehen im Haus musste fast die gesamte Belegschaft in Quarantäne. „Irgendwie haben wir das hingekriegt. Der Zusammenhalt im Team ist mir sehr positiv in Erinnerung geblieben.“