
Sie setzen sich besonders für Kleinstsupermärkte in ihren Orten ein – neun Bürgermeister des „Bündnisses zur Stärkung und Aufrechterhaltung der ländlichen Versorgung“, darunter die von Münnerstadt, Burkardroth, Wollbach, Elfershausen und Maßbach im Landkreis Bad Kissingen. Kürzlich reisten sie zur persönlichen Übergabe von Petitionslisten sowie weiterer Schreiben an die Landespolitik nach München, heißt es in einer Pressemittteilung.
Im Landtag brachten die Bürgermeister bei Staatssekretär Sandro Kirchner (CSU) und Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf (CSU), ihre Anliegen vor. Sie wollen, dass ihre bestehenden oder geplanten digitalen Kleinstsupermärkte mit Vollversorgung im zu verabschiedenden Ladenschlussgesetz gewürdigt werden. Momentan sieht das Gesetz vor, trotz personallosen Einkaufens die Fläche nach Ladenschluss auf 150 Quadratmeter zu begrenzen. Das würde Umbauten bedeuten, was zu öffentlicher Kritik am Gesetzentwurf geführt hat.
Stärkung der Nahversorgung auf dem Lande
Den Bürgermeistern des Bündnisses und Enso-Geschäftsführer Norbert Hegmann geht es laut Mitteilung ausschließlich um die Stärkung der Nahversorgung in ländlichen Regionen, in deren Umkreis von mehr als fünf Kilometern sich keine Einkaufsmöglichkeit mehr befindet. Auch an Arbeitsschutzrechten werde nicht gerüttelt, da ihre Kleinstsupermärkte auf bis zu 400 Quadratmeter nach Ladenschluss stets ohne Personal auskämen.
Der Einwand von Arbeitsministerin Scharf, eine Grundversorgung könne auch auf 150 Quadratmetern funktionieren, wurde klar gekontert mit der jüngsten Studie von Handelsexperte Stefan Rüschen von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn. Sie besagt, dass eine vollständige Versorgung nicht mit so wenigen Quadratmetern auskomme.
Kastl: Sorgen wurden ernst genommen
Münnerstadts Bürgermeister Michael Kastl sagte zum Termin: „Unsere Sorgen wurden auf jeden Fall ernst genommen. Gleichzeitig wurde von der Ministerin die Komplexität des Gesetzgebungsverfahrens für ein Bayerisches Ladenschlussgesetz dargestellt. Als Stellschraube wurde die Stellungnahme des Bayerischen Gemeindetags lokalisiert.“
Dieser Interessensverband der Gemeinden im Freistaat Bayern habe sich bislang für die 150-Quadratmeter-Regelung ausgesprochen. „Hier gilt es nun für die Bürgermeister den Hebel anzusetzen, da noch viel mehr Gemeinden im Freistaat von der Tante-Enso-Lösung profitieren könnten, die aber noch gar nichts von ihrem Glück wissen“, so Kastl. Hier müsse man beim Gemeindetag zügig umdenken.
Münnerstadts Bürgermeister will Gespräch mit Städtetag suchen
Neben der Einflussnahme aufs Gesetzgebungsverfahren über den Gemeindetag werde es auf eine möglich flexible Handhabung ankommen. „Je öfter wir über Tante Enso diskutieren, desto überzeugter bin ich von dem Modell.“
Kastl blickt positiv auf die weitere Entwicklung, da dieses Konzept ein absoluter Mehrwert für den ländlichen Raum sei und andernfalls viele Orte ohne Nahversorgung auskommen müssten. Es sei Zeit für einen Wandel. Als Nächstes wollen die Bürgermeister laut ihm das Gespräch mit dem Gemeindetag suchen. Gleichzeitig werde versucht, gemeinsam mit Tante Enso das Münnerstädter Konzept zu optimieren und sich auf alle Eventualitäten einzustellen.

Klement will erste Regelung für digitale Kleinstsupermärkte
Auch Maßbachs Ortsoberhaupt Matthias Klement hatte einen positiven Eindruck von dem Treffen in München. „Wir konnten Scharf unsere Argumente, Sorgen und Nöte darlegen und hatten auch den Eindruck, dass sie bei ihr angekommen sind.“ Das habe ihn positiv überrascht. Immerhin seien mehr als 17.000 Unterschriften aus den betroffenen Kommunen gesammelt worden.
Klement ist es wichtig, dass das Gesetz erst einmal beschlossen und erstmals eine Regelung für digitale Kleinstsupermärkte geschaffen wird. Diese könnten dann auf maximal 150 Quadratmetern 24/7 geöffnet werden. „Unsere Forderung war ja, das auf bis zu 400 Quadratmeter zu erhöhen.“
Für mehr als 150 Quadratmeter Fläche
Die Sorge vom Einzelhandelsverband, dessen Stimme in München ein großes Gewicht habe, sei, dass bestehende Märkte in Gefahr kommen könnten. „Meiner Meinung nach ist das aber unbegründet. Märkte wie der Tante-Enso-Laden können nur bestehen, wenn sie ein Vollsortiment anbieten können und dazu braucht es mehr Fläche als 150 Quadratmeter“, sagt Klement. Auch die 24/7-Öffnung sei unerlässlich, um Umsatz generieren zu können und auf dem Dorf überleben zu können.
Für die dörfliche Entwicklung sind die Läden ein Glücksfall, so Maßbachs Bürgermeister. Sie böten Versorgung für Menschen, die nicht mehr mobil seien und stellten einen Treffpunkt mitten im Ort dar. „Gerade bei unserem Tante Enso in Poppenlauer mit dem Standort in der Dorfmitte wären das sehr wichtige Argumente.“
Enttäuscht von Kommunalvertretung
Enttäuscht zeigt sich Klement vom Bayerischen Gemeindetag. „Dort hat man sich der Meinung des Einzelhandelsverbands angelehnt und unser Vorhaben leider nicht positiv begleitet, was gerade für die Staatsregierung von großer Wichtigkeit gewesen wäre.“
Dennoch ist er „überzeugt, dass wir gemeinsam mit den Behörden Lösungen finden werden. Jedes Gesetz erfährt nach dem Erlass innerhalb von zwei Jahren eine Evaluation und daher müssen wir unsere Argumente immer wieder vorbringen, um dann Änderungen zu erreichen.“
Krumm bringt positives Elfershausener Beispiel
Johannes Krum, Bürgermeister von Elfershausen, fand, dass die im Raum stehende Sorge, dass eine Konkurrenz zu den bestehenden Supermärkten entstehen würde, bei dem Treffen ausgeräumt werden konnte. „Es entsteht ein neuer Markt und ein neuer Wettbewerb, in dem jeder Bewerber nach den Regeln der freien Marktwirtschaft die gleichen Chancen hat und der für den ländlichen Raum einen sehr positiven Effekt hat. Das konnte ich als stolzer Bürgermeister, der seit einem Jahr einen solchen Lebensmittelmarkt im Ort hat, aus vielen Bürgerrückmeldungen der Ministerin berichten.“
Er habe Ulrike Scharf auch mitgeteilt, dass der Markt in Elfershausen bei 200 Quadratmetern mit regionalem Metzger und Bäcker aus seiner Sicht der Mindestgröße entspreche, wenn man sich an eine vernünftige Barrierefreiheit mit entsprechend breiten Gängen halte. Die vielen Anfragen an Tante Enso (1500) zeigten, dass der Bedarf riesig und die damit verbundene Steigerung der Lebensqualität enorm sei.
Einschränkung des Konzeptes bringt Verlust an Rentabilität
„Ich habe weiterhin Frau Scharf darauf hingewiesen, dass jede Einschränkung des Konzeptes auch die Rentabilität einschränkt.“ Vorhandene Läden müssten geschlossen werden und viele neue nicht realisiert werden.
Aus Krumms Sicht braucht es flexible Lösungen. „Die Landratsämter sollten hier mehr Befugnisse erhalten, bezüglich der Genehmigung der Ladengröße und der 24/7-Öffnungszeiten. Hier sitzen die Player vor Ort, die mit Fingerspitzengefühl entscheiden und abwägen können, ob ein drohender Verdrängungsfall entsteht oder ob nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft agiert werden kann.“
Überzeugungsarbeit leisten
Bis der Landtag den Gesetzesentwurf im Juni behandelt, will Krumm Überzeugungsarbeit leisten, zumal der Städtetag aufgrund der Konkurrenz zu den großen Märkten „unserem Anliegen bis dato noch pessimistisch gegenübersteht“. Er sei „sehr positiv gestimmt, weil es einfach absolut Sinn ergibt, gerade in der jetzigen Lage den ländlichen Raum zu stärken“.
Der Punkt sei für das Landleben so wichtig, dass die Politik reagieren müsse. In vielen Bundesländern werde das Konzept so geduldet.
„Wir sind gehört und auch verstanden worden. Bleibt zu hoffen, dass hier etwas ausgearbeitet wird, dass man unserer Kritik Rechnung trägt und zur weiteren Stärkung der Lebensverhältnisse auf dem Land beiträgt“, fasste Bündnissprecher Georg Straub aus Hohenroth die gut 30 Minuten Gespräch zusammen.