Bad Kissingen
GroKo-Streit: Bad Kissinger SPD vor Sonderparteitag gespalten
Am Sonntag entscheidet die SPD, ob sie in Koalitionsverhandlungen mit der Union tritt. In der Parteibasis im Landkreis gehen die Meinungen auseinander.
Nach der Sondierung ist vor der Verhandlung: Am Sonntag entscheidet die SPD auf einem bundesweiten Sonderparteitag, ob sie mit der Union darüber verhandeln soll, erneut eine Große Koalition einzugehen, um eine Bundesregierung zu bilden. Auch im Landkreis Bad Kissingen gehen bei den Sozialdemokraten die Meinungen darüber auseinander.
"Momentan stecken wohl alle Parteien in einer Identitätskrise", meint Student Christian Ritter. Der gebürtige Haarder macht derzeit seinen Master Staatswissenschaften in Lüneburg. Seit Oktober 2016 ist er SPD-Mitglied, im März vergangenen Jahres war er einen Monat lang Praktikant im Bürgerbüro von MdB Sabine Dittmar. In seiner Partei sei aktuell eine Spaltung zu beobachten: "Bei den älteren Parteimitgliedern, aber vor allem bei den Jusos sind fast alle durch die Bank weg gegen GroKo. Besonders die sehr linken SPD-Mitglieder sind Feuer und Flamme gegen GroKo." Mittlerweile sei er selbst an einem Punkt, an dem er eine Minderheitsregierung befürworte.
Zukünftig wünscht er sich mehr Investition in die Kernparteiziele der SPD: "Eine Bürgerversicherung wird es mit einer schwarz-roten Regierung zum Beispiel nicht geben." Für den Parteitag am Sonntag prognostiziert er eine sehr aufgeheizte Stimmung. "Viele sagen auch, dass die Zukunft der Partei davon abhängt."
Maren Schmitt, stellvertretende Vorsitzende der Bad Kissinger Orts-SPD, ist ebenfalls der Meinung, dass die Basis gespalten ist. Die Vernunft sage ja zu Schwarzrot, das Gefühl nein. In den Sondierungsgesprächen sei das erreicht worden, was mit der Union machbar sei. "Es wurde gut verhandelt. Der benötigte große Schritt ist das aber nicht", kritisiert sie. Sie berichtet, dass bei den vergangenen SPD-Stammtischen in Bad Kissingen die GroKo-Skeptiker in der Mehrheit waren. Daran habe sich nach Abschluss der Sondierungen vermutlich nichts geändert.
"Ein schwieriges Thema", findet der Bad Kissinger Stadtrat Thomas Menz. Er hatte sich wie viele Genossen direkt nach der Bundestagswahl im September gegen eine Neuauflage der GroKo ausgesprochen. Nach den Sondierungsgesprächen hat er seine Meinung inzwischen aber revidiert. "Ich finde man muss dem ganzen zustimmen. Wir haben eine gewisse Verantwortung", sagt er - auch mit Blick auf die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen. Mit den Sondierungsergebnissen ist er zufrieden. "In dem Programm steht viel SPD drinnen. Da wird viel für die Bürger erreicht", findet Menz. Etwa im Hinblick auf die Grundsicherung bei der Rente. Die Verhandlungen scheitern zu lassen und Neuwahlen zu riskieren, hält er für falsch. "Wir können nicht so oft wählen lassen, bis uns das Ergebnis passt." Deshalb sei es auch nicht sinnvoll, jetzt mit überzogenen Forderungen nachverhandeln zu wollen.
Ganz anders sieht das Hartmut Hessel, seit Jahrzehnten SPD-Mitglied und früher zweiter Bürgermeister von Münnerstadt: "Ich war der GroKo gegenüber von vorneherein skeptisch. Wir brauchen andere Wege und das habe ich auch meiner Abgeordneten bereits in einer Diskussion gesagt. Daran hat sich nichts geändert. Es geht um das Profil der SPD, das wurde in den letzten Jahren leider nach außen hin verwässert. Intern wissen wir, was wir wollen. Aber das Bild nach außen trifft das im Inneren nicht."
Der stellvertretende Landrat Alfred Schrenk aus Wildflecken gehört seit 1984 der SPD-Fraktion im Kreistag an. "Im Großen und Ganzen ok", nennt er das Ergebnis der Sondierung, auch wenn er sich ein bisschen mehr gewünscht hätte. "Aber wer hätte das nicht?" Er bedauere, dass wichtige Themen wie die Bürgerversicherung, die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen oder Details in der Steuerpolitik unter den Tisch gefallen seien. "Alles kann man nicht erreichen, aber ein Leuchtturm hätte der SPD noch gut getan", sagt Schrenk.
Was den Parteitag am Wochenende betrifft, so hofft er, dass eine möglichst große Mehrheit für die große Koalition stimmt. "Ich vermute aber, es wird knappt", schätzt er. "Wir sind in der staatsmännischen Pflicht, wir können uns nicht verweigern", lautet sein Credo. Das Wohl des Landes stehe über den Belangen der Partei.
"Das ist mir zu wenig SPD-Handschrift", sagt der Sulzthaler SPD-Vorsitzende Reinhold Moritz, de seit 43 Jahren Parteimitglied ist. Ihm fehle ein echter "Leuchtturm" wie die Bürgerversicherung oder eine Reform von Erbschafts- und Einkommenssteuer. "Es will ja keiner eine Steuererhöhung, aber etwas mehr Gerechtigkeit", sagt Moritz, und: "Wir müssen es doch hinkriegen, dass das viele Geld in Deutschland etwas besser verteilt wird."
Direkt nach der Wahl hatte Moritz noch angekündigt, bei einer erneuten GroKo der Partei den Rücken kehren zu wollen. "Ich trete natürlich nicht aus der SPD aus", relativiert er diese Aussage jetzt. Beim Parteitag kommendes Wochenende erwarte er auch ein ganz knappes Ergebnis - "vermutlich für die Koalition". Moritz hat sich vorgenommen, die 32 Mitglieder seines Ortsverbandes demnächst einzuladen, um über die Regierungsbildung zu diskutieren. Ihm persönlich stößt das Vorgehen der CSU am meisten auf: "Es kann doch nicht sein, dass in München bestimmt wird, was in Deutschland passieren soll." Gerade viele jüngere SPD-Mitglieder sind seiner Meinung nach eher für eine Minderheitsregierung, die sich Mehrheiten suchen muss.
Bernd Czelustek, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bad Kissinger Stadtrat, ist noch zwiegespalten, was den Sonntag angeht. "Wenn wir jetzt nicht in die GroKo gehen, wären Beschlüsse, die bereits ausgehandelt wurden - wie beispielsweise zu Krankenkassenbeiträgen - verschenkt." Was gegen eine große Koalition spricht: "Am meisten würde es mir wehtun, wenn die AfD dann größte Oppositionspartei ist", sagt Czelustek. Es brauche eine starke SPD als Opposition, so dass diejenigen Wähler, die die Opposition suchen, nicht ins extreme Lager abrutschen. Auch Neuwahlen würden der AfD wahrscheinlich in die Hände spielen, befürchtet er. Daher könne er sich die Union auch in einer Minderheitsregierung vorstellen. "Ich möchte mir aber keine Prognose für den Parteitag zutrauen", gibt er zu.
Keine Aussagen zum Ergebnis der Sondierungsgesprächen will der Bad Kissinger SPD-Oberbürgermeister Kay Blankenburg trotz Nachfrage machen.
Abstimmung 600 Delegierte stimmen beim Sonderparteitag in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union ab. 78 Delegierte davon sind aus Bayern. Der Bezirk Unterfranken stellt neun Delegierte, darunter befinden sich allerdings keine SPD-Mitglieder aus dem Landkreis Bad Kissingen. Die Delegierten wurden auf Bezirksebene gewählt. Wie viele Delegierte aus einer Region entsandt werden, richtet sich nach den Mitgliederzahlen.
"Momentan stecken wohl alle Parteien in einer Identitätskrise", meint Student Christian Ritter. Der gebürtige Haarder macht derzeit seinen Master Staatswissenschaften in Lüneburg. Seit Oktober 2016 ist er SPD-Mitglied, im März vergangenen Jahres war er einen Monat lang Praktikant im Bürgerbüro von MdB Sabine Dittmar. In seiner Partei sei aktuell eine Spaltung zu beobachten: "Bei den älteren Parteimitgliedern, aber vor allem bei den Jusos sind fast alle durch die Bank weg gegen GroKo. Besonders die sehr linken SPD-Mitglieder sind Feuer und Flamme gegen GroKo." Mittlerweile sei er selbst an einem Punkt, an dem er eine Minderheitsregierung befürworte.
Zukünftig wünscht er sich mehr Investition in die Kernparteiziele der SPD: "Eine Bürgerversicherung wird es mit einer schwarz-roten Regierung zum Beispiel nicht geben." Für den Parteitag am Sonntag prognostiziert er eine sehr aufgeheizte Stimmung. "Viele sagen auch, dass die Zukunft der Partei davon abhängt."
Maren Schmitt, stellvertretende Vorsitzende der Bad Kissinger Orts-SPD, ist ebenfalls der Meinung, dass die Basis gespalten ist. Die Vernunft sage ja zu Schwarzrot, das Gefühl nein. In den Sondierungsgesprächen sei das erreicht worden, was mit der Union machbar sei. "Es wurde gut verhandelt. Der benötigte große Schritt ist das aber nicht", kritisiert sie. Sie berichtet, dass bei den vergangenen SPD-Stammtischen in Bad Kissingen die GroKo-Skeptiker in der Mehrheit waren. Daran habe sich nach Abschluss der Sondierungen vermutlich nichts geändert.
"Ein schwieriges Thema", findet der Bad Kissinger Stadtrat Thomas Menz. Er hatte sich wie viele Genossen direkt nach der Bundestagswahl im September gegen eine Neuauflage der GroKo ausgesprochen. Nach den Sondierungsgesprächen hat er seine Meinung inzwischen aber revidiert. "Ich finde man muss dem ganzen zustimmen. Wir haben eine gewisse Verantwortung", sagt er - auch mit Blick auf die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen. Mit den Sondierungsergebnissen ist er zufrieden. "In dem Programm steht viel SPD drinnen. Da wird viel für die Bürger erreicht", findet Menz. Etwa im Hinblick auf die Grundsicherung bei der Rente. Die Verhandlungen scheitern zu lassen und Neuwahlen zu riskieren, hält er für falsch. "Wir können nicht so oft wählen lassen, bis uns das Ergebnis passt." Deshalb sei es auch nicht sinnvoll, jetzt mit überzogenen Forderungen nachverhandeln zu wollen.
Ganz anders sieht das Hartmut Hessel, seit Jahrzehnten SPD-Mitglied und früher zweiter Bürgermeister von Münnerstadt: "Ich war der GroKo gegenüber von vorneherein skeptisch. Wir brauchen andere Wege und das habe ich auch meiner Abgeordneten bereits in einer Diskussion gesagt. Daran hat sich nichts geändert. Es geht um das Profil der SPD, das wurde in den letzten Jahren leider nach außen hin verwässert. Intern wissen wir, was wir wollen. Aber das Bild nach außen trifft das im Inneren nicht."
Der stellvertretende Landrat Alfred Schrenk aus Wildflecken gehört seit 1984 der SPD-Fraktion im Kreistag an. "Im Großen und Ganzen ok", nennt er das Ergebnis der Sondierung, auch wenn er sich ein bisschen mehr gewünscht hätte. "Aber wer hätte das nicht?" Er bedauere, dass wichtige Themen wie die Bürgerversicherung, die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen oder Details in der Steuerpolitik unter den Tisch gefallen seien. "Alles kann man nicht erreichen, aber ein Leuchtturm hätte der SPD noch gut getan", sagt Schrenk.
Was den Parteitag am Wochenende betrifft, so hofft er, dass eine möglichst große Mehrheit für die große Koalition stimmt. "Ich vermute aber, es wird knappt", schätzt er. "Wir sind in der staatsmännischen Pflicht, wir können uns nicht verweigern", lautet sein Credo. Das Wohl des Landes stehe über den Belangen der Partei.
"Das ist mir zu wenig SPD-Handschrift", sagt der Sulzthaler SPD-Vorsitzende Reinhold Moritz, de seit 43 Jahren Parteimitglied ist. Ihm fehle ein echter "Leuchtturm" wie die Bürgerversicherung oder eine Reform von Erbschafts- und Einkommenssteuer. "Es will ja keiner eine Steuererhöhung, aber etwas mehr Gerechtigkeit", sagt Moritz, und: "Wir müssen es doch hinkriegen, dass das viele Geld in Deutschland etwas besser verteilt wird."
Direkt nach der Wahl hatte Moritz noch angekündigt, bei einer erneuten GroKo der Partei den Rücken kehren zu wollen. "Ich trete natürlich nicht aus der SPD aus", relativiert er diese Aussage jetzt. Beim Parteitag kommendes Wochenende erwarte er auch ein ganz knappes Ergebnis - "vermutlich für die Koalition". Moritz hat sich vorgenommen, die 32 Mitglieder seines Ortsverbandes demnächst einzuladen, um über die Regierungsbildung zu diskutieren. Ihm persönlich stößt das Vorgehen der CSU am meisten auf: "Es kann doch nicht sein, dass in München bestimmt wird, was in Deutschland passieren soll." Gerade viele jüngere SPD-Mitglieder sind seiner Meinung nach eher für eine Minderheitsregierung, die sich Mehrheiten suchen muss.
Bernd Czelustek, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bad Kissinger Stadtrat, ist noch zwiegespalten, was den Sonntag angeht. "Wenn wir jetzt nicht in die GroKo gehen, wären Beschlüsse, die bereits ausgehandelt wurden - wie beispielsweise zu Krankenkassenbeiträgen - verschenkt." Was gegen eine große Koalition spricht: "Am meisten würde es mir wehtun, wenn die AfD dann größte Oppositionspartei ist", sagt Czelustek. Es brauche eine starke SPD als Opposition, so dass diejenigen Wähler, die die Opposition suchen, nicht ins extreme Lager abrutschen. Auch Neuwahlen würden der AfD wahrscheinlich in die Hände spielen, befürchtet er. Daher könne er sich die Union auch in einer Minderheitsregierung vorstellen. "Ich möchte mir aber keine Prognose für den Parteitag zutrauen", gibt er zu.
Keine Aussagen zum Ergebnis der Sondierungsgesprächen will der Bad Kissinger SPD-Oberbürgermeister Kay Blankenburg trotz Nachfrage machen.
Delegierte beim SPD-Sonderparteitag
Abstimmung 600 Delegierte stimmen beim Sonderparteitag in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union ab. 78 Delegierte davon sind aus Bayern. Der Bezirk Unterfranken stellt neun Delegierte, darunter befinden sich allerdings keine SPD-Mitglieder aus dem Landkreis Bad Kissingen. Die Delegierten wurden auf Bezirksebene gewählt. Wie viele Delegierte aus einer Region entsandt werden, richtet sich nach den Mitgliederzahlen.Themen & Autoren / Autorinnen