Zum 500-jährigen Bestehen der Gemeinde Wildflecken , das in diesem Jahr groß gefeiert wird, hatte eine kleine Gruppe geladener Gäste die wohl einmalige Gelegenheit, den ursprünglichen Grenzverlauf zwischen Wildflecken und Oberweißenbrunn unter fachkundiger Führung nachzuvollziehen.
Leite, Bärnlöcher, Neugreuth, Bullenwiesen – nur noch den älteren Bewohnern der beiden Rhöngemeinden sind sie bekannt, die alten Flurnamen im Gebiet des heutigen Truppenübungsplatzes Wildflecken .
Fast 90 Jahre sind seit den ersten Planungen für die Errichtung der militärischen Anlage vergangen, für die neben der Absiedelung von elf Dörfern und Weilern auch große Teile der Gemarkungen von Wildflecken und Oberweißenbrunn abgetreten werden mussten. Immer wieder flammte im Lauf der Jahre bei Treffen der Feldgeschworenen der Gedanke auf, den ehemaligen Grenzverlauf zu rekonstruieren.
Im Zuständigkeitsbereich
Für die Wildfleckener Feldgeschworenen war das Aufsuchen der Grenze ein ganz besonderes Ereignis. Der Grenzverlauf durchzieht die heutige Gemarkung Neuwildflecken. Somit liegt sie auch im Zuständigkeitsbereich der Wildfleckener Feldgeschworenen.
Aufzusuchen waren 232 Grenzsteine. Der Grenzverlauf und die Grenzsteine lassen sich anhand des Bayernatlas nachvollziehen. Beginnend an der Bayrisch-Hessischen Landesgrenze am Beilstein über die Barnlöcher, Küppel, Grünhansenwald, Rehstrut, Katzenstein, Kriegerwiesen bis Siebenlos führte die aufwendige Suche. Die Strecke war 5,5 Kilometer lang und es war ein Höhenunterschied von 320 Metern zu bewältigen.
Mit der GPS-Funktion am Handy und der historischen Karte des Bayern-Atlas-Geräts konnten fast punktgenau die einzelnen Steine gefunden werden. Diese wurden mit folgenden Bemerkungen im Protokoll festgehalten: „Stein gefunden“, „Stein steht schräg“, „Stein liegt draußen“. Am schlechtesten war es, wenn man feststellen musste: „Stein fehlt.“
Zwischen den einzelnen Besichtigungspunkten der ehemaligen Gemarkungsgrenze informierte Manfred Oeldemann, langjähriger Forstrevierleiter des Bundesforstes im Forstrevier Reußendorf auf dem Truppenübungsplatz, die Feldgeschworenen über naturschutz- und forstfachliche Sehenswürdigkeiten auf dem Truppenübungsplatz. Am sogenannten Schwedenstern, einer ehemaligen Festungsanlage im Dreißigjährigen Krieg, staunten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über eine reiche Blütenpracht aus Orchideen, Katzenpfötchen, Küchenschelle und gefranstem Enzian neben dem immer noch deutlich im Gelände erkennbaren sternförmigen Grundriss.
Herrlicher Rundumblick vom Gipfel
Bei bestem Wetter genossen die Exkursionsteilnehmer nach einem kurzen Anstieg einen herrlichen Rundumblick vom Gipfel des 910 Meter hohen Eierhauckberges zu den Höhenzügen des Thüringer Waldes, Spessarts und Taunus, den Gleichbergen bei Hildburghausen und tief hinein ins Schweinfurter und Fuldaer Land.
Anhand historischer Aufnahmen informierte Manfred Oeldemann über das am Fuße der 928 Meter hohen Dammersfeldkuppe gelegene ehemalige Haus Franken, das im ersten Weltkrieg als Pferdelazarett erbaut wurde und später den Rhönklubzweigvereinen Würzburg und Frankfurt am Main als Wanderheim diente. Beim Vergleich der historischen Aufnahme und dem heutigen Bild erfuhren die Feldgeschworenen anschaulich etwas über die natürlichen Wiederbewaldungsprozesse nach Aufgabe der menschlichen Nutzung.
Die nunmehr fast 90-jährige dauerhafte militärische Nutzung des Gebiets als Schießplatz mit entsprechenden Betretungsverboten bietet nach Aussage von Manfred Oeldemann der Natur diese einmalige Chance, sich auf großen Flächen ohne nennenswerte Einflüsse des Menschen zu entwickeln. Hiervon profitieren viele seltene Tiere und Pflanzenarten, die dort ihre Heimat im Schutz der militärischen Nutzung gefunden haben.
Einer dieser Profiteure ist der Wolf . Das auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken lebende Wolfspaar hat nunmehr schon im dritten Jahr Nachwuchs bekommen. „Wir gehen zur Zeit von etwa fünf bis acht Wölfen plus dem Zuwachs aus diesem Frühjahr aus“, so Forstmann Oeldemann.
Lebhafte Diskussion
In einer lebhaften Diskussion wurde das Für und Wider einer Wiederansiedlung des Wolfes in der Rhön diskutiert. So sieht Forstmann Oeldemann Chancen für die natürliche Verjüngung des Waldes durch den regulierenden Einfluss des Wolfes auf die Schalenwildbestände, während die Landwirte Probleme durch Übergriffe auf die Nutztierbestände beklagen.
Einig war man sich in der Runde, dass seitens der Politik Regelungen gefunden werden müssen, die ein Nebeneinander von Mensch und Wolf zulassen.