Bad Kissingen
Grabdenkmäler ohne Gräber
Die Bad Kissinger Bürger- initiative lud Gunter Demnig ein, weitere Stolpersteine als Erinnerung an Opfer des Naziregimes zu verlegen.
Goldglänzend stechen sie aus dem Grau des Gehsteigs hervor, quadratische Betonsteine mit einem Kopf aus Messing: "Stolpersteine" die an fast vergessene Opfer des Naziterrors erinnern. Sie machen Passanten darauf aufmerksam, dass in diesem Haus einmal jemand gewohnt hat, der in den Gräueln des Dritten Reiches verschleppt und umgebracht wurde. "Will man die darin eingravierten Namen lesen, muss man den Kopf senken", macht der Kölner Künstler Gunter Demnig auf einen Aspekt der Aktion aufmerksam und fügt hinzu: "Über diese Steine stolpert nicht der Fuß, sondern der Kopf". 60 000 solcher Würfel in 21 Ländern, hat Demnig bereits gesetzt.
Der große graue Hut, die angejahrte Handwerkskleidung mit Weste, Cordhose und Knieschoner sind sein Markenzeichen, der "Stolperstein" ist sein Leben. Bedächtig kniend setzt er Stein für Stein mit den Lebensdaten des Opfers in die kleine Grube die Michael Rüttinger vom Servicebetrieb der Stadt vorher in den Asphalt gefräst hat, füllt trockenen Zement in die Fugen, gießt ihn an, kehrt die Namen frei und wischt mit einem Tuch die Oberfläche des Steins sorgfältig sauber. Ein demütiges Ritual.
Die Geste bewegt die kleine Gemeinde von Freunden und Unterstützern der Bürgerinitiative. Auch Rudolf und Inge Dotzauer, die Paten des Steins für den Schlosser Isidor Löwenstein sind gekommen, der vor dessen letzter Wohnung in der Hemmerichstraße 12 verlegt wird. Am 24. April 1942 wurde Löwenstein gemeinsam mit 22 anderen Kissinger Juden nach Würzburg transportiert, tags darauf nach Krasnystaw/Polen verbracht und vermutlich in einem der benachbarten Todeslager ermordet, erfahren die Teilnehmer der Exkursion von Marlies Walter, die die Biographie zum Schicksal Löwensteins zusammengestellt hat und sie während der Verlegung verliest.
In Bad Kissingen wurden seit Aktionsbeginn im Frühjahr 2009 an sieben Terminen 61 Stolpersteine zur Erinnerung an Nazi-Opfer vor deren letztem Wohnsitz in den Gehsteig eingelassen, berichtet Sigismund von Dobschütz, der Sprecher der Bürgerinitiative, sechs neue sechs neue sind jetzt dazugekommen. Der Stadtrat erklärt, dass die Steine, wie alle anderen zuvor, von privaten Spendern aus ganz Deutschland und dem Ausland finanziert werden.
Oberbürgermeister Kay Blankenburg weist auf die Absurdität der Ereignisse hin: "Es sind ganz normale Menschen, die ermordet wurden", beschreibt er die Schicksale derer, "die einfach nur zur falschen Zeit gelebt haben." Weil ihnen kein Sterbeort und kein Datum zugeordnet werden kann, "verankern wir mit der dauerhaften Nennung des Namens ein Stück deutscher Geschichte." Der Oberbürgermeister dankt Gunter Demnig, Kulturreferent Peter Weidisch und seinen Mitarbeiterinnen vom Stadtarchiv, dem Servicebetrieb und vor allem der Bürgerinitiative und ihrem Sprecher Sigismund von Dobschütz für ihr Engagement.
In der Hartmannstraße 5 wohnte die gebürtige Kissingerin Hedwig Haas. Auch für sie begann, ebenso wie für das Ehepaar Theo und Selma Hartmann aus der Maxstraße 24, an jenem 24.April1942 das Martyrium. Auch ihre Spuren verlieren sich in Krasnystaw im Bezirk Lubin. Die Lebensgeschichte von Hedwig Haas erforschte Marlies Walter, die der Hartmanns Sigismund von Dobschütz. Gründliche, oft mühsame Recherche geht dem Stolperstein voraus.
Barbara Thiele kennt die Geschichte der Bankiersgattin Selma Löwenthal, hat herausgefunden, dass in der kleinen Privatbank auch Tickets für das Saale- Dampferle verkauft wurden. In der Ludwigstraße, wo sie über der damaligen Bank wohnte (heute Drogeriemarkt Müller) erinnert jetzt ein Stolperstein an ihr Schicksal, das sich in Auschwitz vollendete.
Eine "Todesfallanzeige" ist in der Broschüre der Bürgerinitiative zur 8. Stolperstein-Verlegung abgedruckt. Als Sterbetag der Hotelbesitzerin Else Löwinsky ist darin der 12.10.42, als Todesursache "Herzfehler" angegeben. Sigismund von Dobschütz schreibt in der Broschüre, dass die wahre Todesursache eine andere ist: Evakuierung nach Würzburg, erzwungener Verkauf ihres Eigentums, Transport ins Ghetto Theresienstadt. In einem Brief der Kissingerin Emilie Schloss, die das Grauen des KZ in Böhmen überlebt hat, heißt es: "Fräulein Löwinsky entleibte sich selbst".
Vor dem Eingang zum Bankhaus Schilling erinnert nun ein Stolperstein auch an diese Tragödie.
Die Teilnehmer gehen nachdenklich auseinander. Bürgermeister Thomas Leiner, selbst Stolperstein-Pate, erinnert im Gespräch an eine alte jüdische Weisheit: "Der Mensch ist erst vergessen, wenn seinen Namen keiner mehr kennt". Weitere Stolpersteine sind geplant.
Spenden für weitere Stolpersteine (120 Euro pro Stein) werden erbeten. Kontakt: Stadtrat Sigismund von Dobschütz gibt Informationen unter Email: badkissinger-stolpersteine.web.de oder unter Tel.: 0173/317 68 06.
Der große graue Hut, die angejahrte Handwerkskleidung mit Weste, Cordhose und Knieschoner sind sein Markenzeichen, der "Stolperstein" ist sein Leben. Bedächtig kniend setzt er Stein für Stein mit den Lebensdaten des Opfers in die kleine Grube die Michael Rüttinger vom Servicebetrieb der Stadt vorher in den Asphalt gefräst hat, füllt trockenen Zement in die Fugen, gießt ihn an, kehrt die Namen frei und wischt mit einem Tuch die Oberfläche des Steins sorgfältig sauber. Ein demütiges Ritual.
Biografie gegen das Vergessen
Die Geste bewegt die kleine Gemeinde von Freunden und Unterstützern der Bürgerinitiative. Auch Rudolf und Inge Dotzauer, die Paten des Steins für den Schlosser Isidor Löwenstein sind gekommen, der vor dessen letzter Wohnung in der Hemmerichstraße 12 verlegt wird. Am 24. April 1942 wurde Löwenstein gemeinsam mit 22 anderen Kissinger Juden nach Würzburg transportiert, tags darauf nach Krasnystaw/Polen verbracht und vermutlich in einem der benachbarten Todeslager ermordet, erfahren die Teilnehmer der Exkursion von Marlies Walter, die die Biographie zum Schicksal Löwensteins zusammengestellt hat und sie während der Verlegung verliest.
Schon 67 Steine in Bad Kissingen
In Bad Kissingen wurden seit Aktionsbeginn im Frühjahr 2009 an sieben Terminen 61 Stolpersteine zur Erinnerung an Nazi-Opfer vor deren letztem Wohnsitz in den Gehsteig eingelassen, berichtet Sigismund von Dobschütz, der Sprecher der Bürgerinitiative, sechs neue sechs neue sind jetzt dazugekommen. Der Stadtrat erklärt, dass die Steine, wie alle anderen zuvor, von privaten Spendern aus ganz Deutschland und dem Ausland finanziert werden. Oberbürgermeister Kay Blankenburg weist auf die Absurdität der Ereignisse hin: "Es sind ganz normale Menschen, die ermordet wurden", beschreibt er die Schicksale derer, "die einfach nur zur falschen Zeit gelebt haben." Weil ihnen kein Sterbeort und kein Datum zugeordnet werden kann, "verankern wir mit der dauerhaften Nennung des Namens ein Stück deutscher Geschichte." Der Oberbürgermeister dankt Gunter Demnig, Kulturreferent Peter Weidisch und seinen Mitarbeiterinnen vom Stadtarchiv, dem Servicebetrieb und vor allem der Bürgerinitiative und ihrem Sprecher Sigismund von Dobschütz für ihr Engagement.
Ergreifende Schicksale
In der Hartmannstraße 5 wohnte die gebürtige Kissingerin Hedwig Haas. Auch für sie begann, ebenso wie für das Ehepaar Theo und Selma Hartmann aus der Maxstraße 24, an jenem 24.April1942 das Martyrium. Auch ihre Spuren verlieren sich in Krasnystaw im Bezirk Lubin. Die Lebensgeschichte von Hedwig Haas erforschte Marlies Walter, die der Hartmanns Sigismund von Dobschütz. Gründliche, oft mühsame Recherche geht dem Stolperstein voraus.Barbara Thiele kennt die Geschichte der Bankiersgattin Selma Löwenthal, hat herausgefunden, dass in der kleinen Privatbank auch Tickets für das Saale- Dampferle verkauft wurden. In der Ludwigstraße, wo sie über der damaligen Bank wohnte (heute Drogeriemarkt Müller) erinnert jetzt ein Stolperstein an ihr Schicksal, das sich in Auschwitz vollendete.
Todesursache verschwiegen
Eine "Todesfallanzeige" ist in der Broschüre der Bürgerinitiative zur 8. Stolperstein-Verlegung abgedruckt. Als Sterbetag der Hotelbesitzerin Else Löwinsky ist darin der 12.10.42, als Todesursache "Herzfehler" angegeben. Sigismund von Dobschütz schreibt in der Broschüre, dass die wahre Todesursache eine andere ist: Evakuierung nach Würzburg, erzwungener Verkauf ihres Eigentums, Transport ins Ghetto Theresienstadt. In einem Brief der Kissingerin Emilie Schloss, die das Grauen des KZ in Böhmen überlebt hat, heißt es: "Fräulein Löwinsky entleibte sich selbst".Vor dem Eingang zum Bankhaus Schilling erinnert nun ein Stolperstein auch an diese Tragödie.
Die Teilnehmer gehen nachdenklich auseinander. Bürgermeister Thomas Leiner, selbst Stolperstein-Pate, erinnert im Gespräch an eine alte jüdische Weisheit: "Der Mensch ist erst vergessen, wenn seinen Namen keiner mehr kennt". Weitere Stolpersteine sind geplant.
Spenden für weitere Stolpersteine (120 Euro pro Stein) werden erbeten. Kontakt: Stadtrat Sigismund von Dobschütz gibt Informationen unter Email: badkissinger-stolpersteine.web.de oder unter Tel.: 0173/317 68 06.
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