In Sachen Glasfaserausbau ist Bad Kissingen wie viele Kommunen abseits der Metropolen bislang noch ziemlich unbefleckt. "Bis jetzt hat kein flächendeckender Glasfaserausbau in der Stadt und den Stadtteilen stattgefunden", sagt Ralf Merkel. Er leitet bei den Stadtwerken Bad Kissingen den Bereich Unternehmensentwicklung und Energiewirtschaft. Es gebe nur vereinzelt Glasfaseranschlüsse, nicht mehr als vier bis fünf Prozent aller Haushalte dürften einen besitzen, schätzt er. Die große Mehrheit aller Bad Kissinger sind beim Internetanschluss noch auf Kupferkabel angewiesen.
Das wollen die Stadtwerke in den nächsten Jahren ändern. Bis Ende 2025 sollen möglichst viele bis im besten Fall alle 15.000 Haushalte im gesamten Stadtgebiet mit einem Glasfaseranschluss versorgt sein. "Wir wollen alle Haushalte erreichen. Wir wollen eine Grundversorgung bereitstellen, damit jeder moderne Internet- und Telekommunikationsleistungen nutzen kann", betont Stadtwerke-Geschäftsführer Manfred Zimmer. Wie beim Strom oder bei der Wasserversorgung müsse jeder Bürger und jedes Unternehmen dazu Zugang haben. Das städtische Tochterunternehmen will also in den nächsten Jahren als lokaler Konkurrent zu großen Kommunikationsanbietern wie Telekom , Vodafone und 1&1 auftreten, eine eigenes Glasfasernetz aufbauen und betreiben.
Jeder dritte Haushalt wird gebraucht
Das städtische Tochterunternehmen plant unter der Marke "Kissconnect" ein neues Geschäftsfeld zu etablieren, zusätzlich zu bestehenden wie der Strom-, Wasser- und Gasversorgung und dem Betrieb der Parkhäuser sowie der Kisssalis-Therme. Am Donnerstag ist der offizielle Startschuss für die Vorvermarktung gefallen. "Die jetzt anlaufende Vorvermarktung ist wie eine Volksabstimmung für ein flächendeckendes Glasfasernetz in Bad Kissingen ", erklärt der Stadtwerke-Chef. Um ein Glasfasernetz aufzubauen, brauche es aufwendige technische Vorinstallationen. Damit diese wirtschaftlich tragfähig sind, benötigen die Stadtwerke eine Mindestquote an Haushalten, die bereit sind, sich anschließen zu lassen. Die kritische Masse, ab der das Glasfasernetz realisiert werden kann, liegt laut Zimmer bei rund 5000 Haushalten.
Unabhängig machen von Branchenriesen
"Ich denke, dass wir eine hohe Durchdringung erreichen werden", gibt sich Ralf Merkel zuversichtlich. Er betont, dass die Zukunft aus technischer Sicht ohnehin auf Glasfaserkabeln liegt, weil diese bis zu 100 Mal schneller sind als Kupferleitungen und so den seit Jahren wachsenden Datenmengen gerecht werden. Darüber hinaus kommen Kupferleitungen vielerorts an ihr Lebensende und außerdem ist die Glasfasertechnik umweltfreundlicher, da sie weniger Energie verbraucht; bei Kupferleitungen müssen auf langen Distanzen die Signale künstlich verstärkt werden. "Wir wollen gern sehr früh im nächsten Jahr starten und so schnell wie möglich das gesamte Stadtgebiet erschließen", betont Merkel. Bis 6. Januar 2023 soll die 30-Prozent-Quote an Haushalten erreicht, bis Ende 2025 dann der Ausbau umgesetzt sein. Die Haushalte, die sich bis Januar dafür entscheiden, verpflichten sich, die Stadtwerke als Internetanbieter zu nutzen und bekommen im Gegenzug den Glasfaseranschluss kostenfrei bis ins Haus gelegt.
Um möglichst viele Haushalte zu überzeugen, starten die Stadtwerke eine breite Werbe- und Informationskampagne. Am Tattersall-Parkplatz ist ein Kissconnect-Informationsbüro aufgestellt, in dem sich die Bürger beraten lassen können. Zudem sind Infoveranstaltungen im ganzen Stadtgebiet sowie Promotionsstände geplant.
"Die Zukunft ist Glasfaser. Wenn wir im Wettbewerb bestehen wollen, brauchen wir diese Versorgung", betont Oberbürgermeister Dirk Vogel ( SPD ). Gerade auch die Wirtschaft, seien es Labore und Medizintechnikunternehmen, der Tourismus oder das Baugewerbe; alle sind auf schnelle Internetverbindungen angewiesen. Bad Kissingen sei beim Ausbau allerdings in Gefahr, abgehängt zu werden, wenn es darauf wartet, dass die bekannten Branchenriesen diesen übernehmen. Zudem sieht Vogel das Risiko, dass die Branchenriesen sich nur lukrative Filetstücke herauspicken, insbesondere die Stadtteile dann aber das Nachsehen haben. "Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen das selber machen", erklärt er. Stadt und Stadtwerke wollen so gewährleisten, dass das Glasfasernetz die ganze Stadt abdeckt. Außerdem profitiert finanziell vom Ausbau und dem späteren Betrieb ein Unternehmen, dass in Bad Kissingen Gewerbesteuer zahlt. Das Geld fließe nicht ab, sondern bleibe in der Region. Langfristig sichern sich die Stadtwerke so ein neues, lukratives Geschäftsfeld, nennt der Oberbürgermeister als weiteren Vorteil, und: Übernehmen die Stadtwerke den Ausbau, fällt es der Stadt leichter, diesen zu planen und mit anderen Baumaßnahmen abzustimmen. "Wir haben die Hand drauf", sagt Vogel.
In der Anfangsphase arbeiten die Stadtwerke mit einem externen Unternehmen zusammen, langfristiges Ziel ist es aber sowohl das technische Kontrollzentrum für den Betrieb als auch ausgebildete Mitarbeiter komplett ins Unternehmen zu holen.
Informationen
Das Beratungsbüro auf dem Tattersall-Parkplatz ist geöffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr sowie samstags von 9.30 bis 13.30 Uhr. Weitere Informationen gibt es auf der Projekthomepage www.kissconnect.de . Telefonischer Kontakt unter 0800/8268261 sowie per Email an kontakt@kissconnect.de. lbo