Die braune Brühe - sie kam aus dem Wald und schoss die Knottrain-Straße hinunter Richtung Schloss Zeitlofs . Wasser, Geröll, Äste, verstopfte Abflüsse, eine überflutete Hauptstraße. Die Feuerwehr hatte eine ganze Nacht zu tun, der Bauhof mehr als eine Woche, um aufzuräumen.

Dieses Ereignis zeigt Zeitlofs' Bürgermeister Matthias Hauke und seinen Kollegen im oberen Sinntal: Das Klimawandel-Phänomen Punktueller Starkregen mit anschließender Sturzflut ist auch in ihren Kommunen angekommen. Nicht so heftig wie im Juli 2021 im Ahrtal oder jetzt in Spanien. Aber nicht viel schwächer als 2023 in der hessischen Nachbargemeinde Sinntal, als insbesondere weite Teile von Mottgers absoffen.
Wildflecken, Riedenberg, Bad Brückenau und Zeitlofs haben sich zusammengetan, um ein Sturzflutenmanagement zu erstellen. Denn sollte die Naturgewalt nur eine der Gemeinden heimsuchen, säßen wegen der geografischen Lage wahrscheinlich alle mit im Boot.
Gefährdung aus den Flächen
Das Starkregen- oder Sturzflutenrisikomanagement beschäftigt sich mit der Gefährdung aus den Flächen. Das unterscheidet es von Hochwasserkonzepten, bei denen die Gefährdungslage entlang von Gewässern betrachtet wird.
Überschwemmungen, bei denen der Pegel relativ kontinuierlich ansteigt, kennt man an der Sinn, zum Beispiel vom Frühjahrshochwasser. Der Wildbach, an dem alle vier genannten Hauptorte und einige Ortsteile liegen, fungiert als Ableiter für jeglichen Niederschlag von den umliegenden Hängen.
Sturzflut kann überall entstehen
Eine Sturzflut entsteht viel unmittelbarer. Über einem begrenzten Gebiet regnet es viel und stark; die Wassermassen schießen geballt zu Tale. Das kann überall geschehen. Deswegen kann Bürgermeister Gerd Kleinhenz für den Markt Wildflecken auch keine neuralgischen Punkte nennen.
Wie sein Geschäftsleiter Daniel Kleinheinz verweist er auf den Truppenübungsplatz als riesiges potenzielles Ursprungsgelände einer Sturzflut. Dementsprechend seien Bundeswehr und Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) Ansprechpartner, aber auch die Bayerischen Staats-und die Bundesforsten. Da geht es darum, Holzabfuhrwege und Gräben instand und sauber zu halten, damit das Wasser gut abfließen kann und nicht so viel Geröll mit sich führt, so Kleinheinz.
Starkregen an ehemaliger Dorfstelle Rothenrain
Beide berichten von einem Starkregen vor zwei oder drei Jahren bei der ehemaligen Dorfstelle Rothenrain im Truppenübungsplatz, als sich Wasser in die Häuser und Hallen des Weilers Eckartsroth ergoss. Beim geplanten Ausbau der Zufahrtsstraße nach Eckartsroth will die Marktgemeinde auch etwas gegen Sturzwasser tun, so den Durchlass am Rothenrainer Weg vergrößern und Abschläge für das Ableiten von Wasser in Wiesen und Gräben bauen.
Eine Million Mark Schaden bei Starkregen 1981
Riedenbergs Bürgermeister Roland Römmelt kennt sich mit Starkregen aus. 1981 sei schon mal das Wasser durch den Ort geschossen, habe Keller geflutet, die Straße unterspült. Schaden damals: eine Million Mark.
Jetzt sieht Römmelt vor allem Gefahr durch die Schneisen, die für die Holzbewirtschaftung in den Wald geschlagen wurden. Dort könne sich Wasser leicht einen Weg suchen, zumal der Untergrund verdichtet sei. Hier müsse man die Staats- und Bundesforsten ansprechen.
Überlegungen seit Frühjahr 2022
Anstoß zum Sturzflutenmanagement im oberen Sinntal war eine Infoveranstaltung mit Uwe Seidl vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen bei der Brückenauer Rhönallianz im Frühjahr 2022, berichtet deren Umsetzungsmanager Uwe Schmidt. Dann taten sich die Vertreter von Bad Brückenau, Wildflecken, Riedenberg und Zeitlofs zusammen. Man traf sich zunächst informell mit Vertretern von Anrainern wie Bundeswehr, Staats- und Bundesforsten, Bima und privaten Waldbesitzern.
Die erste gemeinsame Sitzung der Gemeinde-Verantwortlichen fand dann im Oktober 2022 in Oberbach statt. Danach wurden für jede Kommune staatliche Zuschüsse für die einzelnen Konzepte beantragt; der letzte Förderbescheid trudelte im Dezember 2023 ein. Im Frühjahr 2024 erfolgten die Ausschreibungen für jede Kommune getrennt.
Ein spezialisiertes Büro für alle vier Kommunen
Mit der Spekter GmbH aus Herzogenaurach wurde ein auf Starkregen-Risikomanagement spezialisiertes Büro gefunden - und zwar für alle vier Kommunen. So entstehen die einzelnen Konzepte aus einer Hand. Auf Basis gelieferter Daten, Befragungen, aber auch Überfliegungen, werden hydraulische Berechnungen angestellt, sogar Flächen virtuell beregnet, sagt Florian Brodrecht vom Büro Spekter.
Komplett fertig sein sollen die Konzepte ihm zufolge in eineinhalb Jahren. Schon Anfang 2025 wird es erste interne Workshops geben, im vierten Quartal des Jahres folgt die allgemeine Bürgerinfo. Dann sollen die Einwohner erfahren, welches Risiko ihr Wohnort beziehungsweise das eigene Grundstück trägt. Sie sollen aber auch sensibilisiert werden, selbst etwas gegen drohende Sturzfluten zu tun.
Michael Krug: "Es kann jeden treffen"
Bad Brückenaus Feuerwehrkommandant Michael Krug hätte das Sturzflutenkonzept für die Stadt lieber heute als morgen vorliegen. Die Berechnungen könnten dann aufzeigen, wo gefährdete Bereiche liegen, wo künftig potenziell Wasser runterkommt, wo man es bisher erwartete. Schon jetzt gebe es solche Gebiete. "Es kann jeden treffen; man kann sich nirgendwo sicher sein", glaubt Krug.
In dem Zusammenhang erinnert er sich an eine Überflutung an der Ampel im Staatsbad und am Kanada-Haus vor fünf oder sechs Jahren. Damals sei das Wasser vom Dreistelz heruntergeströmt. Im Sommer 2024 war der Auerhahnweg betroffen, als das Nass über die Straße lief und zeitweise die Kanalisation überforderte.
Ergebnisse wirken sich auf Ortsentwicklung aus
Die Ergebnisse des Sturzflutenmanagementes könnten in die Risikobewertung sensibler kommunaler Gebäude wie Kindergärten und Schulen eingehen, so Florian Brodrecht. Wo müssen künftig Sandsäcke vorgehalten werden, wo die örtliche Feuerwehr besonders alarmbereit sein? Auch auf den künftigen Siedlungsbau dürften sie sich auswirken.
Brodrecht appelliert an Land- und Forstwirte, die Bodenerosion klein zu halten. Baumbestände müssten wieder aufgeforstet, verdichtete Flächen aufgelockert werden.
Sind Schutzmaßnahmen finanzierbar?
Für Bürgermeister Jan Marberg wird das Konzept nicht alle Probleme lösen. "Es ist ja eine abstrakte Risikoabwägung. Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht." Er sprach von einem Katz-und-Maus-Spiel mit der Natur, das diese gewinnen werde. Auch der Staat könne nicht für alles geradestehen.
Roland Römmelt fragt sich auch, welche vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen eine Kommune neben ihren Pflichtaufgaben finanzieren kann. Laut Simon Herterich vom Wasserwirtschaftsamt sind einige über seine Behörde oder das Amt für Ländliche Entwicklung förderbar.
Kleine Maßnahmen gegen Katastrophe in Zeitlofs
Im Markt Zeitlofs, wo neben dem Knottrain auch am Hirschgraben in Rupboden und in Trübenbrunn erhöhtes Flutpotenzial besteht, denkt man indes in kleinen Lösungen. Bürgermeister Hauke spricht von Geröllfängen vor Verrohrungen, höheren Bordsteinen oder auch mit einfachen Mitteln hergestellten Auffangbecken. Häufig sei nicht die schiere Menge an Wasser das Problem, sondern das Verstopfen der Abläufe. Manchmal verhindern Kleinigkeiten eine Katastrophe.
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