Weil das Auge mitisst, sind Hamburger appetitlich rund und Chicken Nuggets herrlich kantig. Aber zuvor braucht es jemanden, der das Fleisch mit Spezialwerkzeug in Form bringt. Die Produktion solcher und anderer Präzisionswerkzeuge wird bei der Firma Vorndran in Münnerstadt seit 2004 groß geschrieben. Damals machte sich Firmenchef Franz Vorndran mit der Herstellung von Industrieverschleißteilen selbstständig. Zum 1. Januar 2022 geht er in Ruhestand und verkaufte seinen Betrieb nun an die Maschinenfabrik Seydelmann KG (Aalen/Stuttgart). Am 21. Dezember wurde in Münnerstadt der Vertrag unterzeichnet.
Firmenchefs lassen sich kaum etwas über ihre Geschäftsbeziehungen entlocken. Auch Franz Vorndran ist recht zugeknöpft. Ausschließen will er aber nicht, dass so manche runde Frikadelle oder die bei Kindern beliebten fleischigen Dinos und Schlümpfe, die man beim Einkauf in den Kühlregalen der Discounter findet, vielleicht in einem Münnerstädter Formwerkzeug das Licht der Konsumentenwelt erblickten.
Maschinenkomponenten aus Metall
Seinerzeit startete Vorndran in seinem Keller zuhause mit Bohrer und Metall erste praktische Versuche und fertigte Computerskizzen an. Als er beschloss sich selbstständig zu machen, habe ihn dann schon gelegentlich ein "flaues Gefühl" beschlichen, erzählt er. "Und als ich den ersten Mitarbeiter einstellte, machte ich mir Sorgen, ob ich den auf lange Sicht bezahlen kann."
Seit fast 20 Jahren stellte der 66-Jährige in seinem eigenen Betrieb in Münnerstadt die unterschiedlichsten individuell gefertigten Maschinenkomponenten aus Metall her, darunter Standardschneidwerkzeug und Feinstzerkleinerungssätze, aber zum Beispiel auch Formwerkzeuge aus Kunststoff für die Umsetzung neuer Produktideen.
Was das Formwerkzeug angeht, schickte der Kunde dann eine Skizze an die Firma. "Wir brauchten ungefähr einen Tag, bis wir das Werkzeug dazu entwickelt hatten." Formen für Schinkensterne, Frikadellen-Gnome und Valentinstagsherzen aus Käse? In der Münnerstädter Spezialfirma alles schon mal da gewesen.
Naturwaren in Kunststoffformen
Manchmal schickte die Kundschaft auch "Naturwaren" an den Betrieb in Münnerstadt, der sich eigentlich vor allem mit der Verarbeitung von Metall beschäftigt. Da bekam Vorndran dann auch mal tiefgefrorene Frikadellen in Spezialform, Mozzarella-Sticks oder gebackene Camemberts in Sonderausführung frei Haus geliefert. "Wir mussten uns dann ganz schnell an die Arbeit machen und die jeweils gewünschten Spezialformen konstruieren, bevor alles auftaute", sagt Vorndran und lacht.
Die Kunden-Firmen kommen vor allem aus der Maschinenbaubranche und der Lebensmittelindustrie, aber auch aus der Pharmazie. Der Münnerstädter Betrieb ist nicht nur in Deutschland gefragt, unter anderem deswegen, weil man auf Wunsch Prototypen fertigt, mit denen Werkzeuge dann bis zur Serienreife geführt werden. Inzwischen hat Vorndran auch Firmen aus ganz Europa, Russland und Australien an der Hand.
Tim Middermann jetzt am Ruder
"Die Firma Seydelmann war unser zweitgrößter Kunde", sagt Vorndran im Gespräch mit dieser Redaktion zum Stellenwert des neuen Eigentümers vor der Übernahme. Natürlich freue es ihn, dass Seydelmann am Knowhow seiner Firma interessiert ist. Dennoch habe er einen "Kloß im Hals" gehabt, als er jüngst seinen Mitarbeitern die Nachricht vom anstehenden Verkauf übermittelte. Die zehn Mitarbeiter des Betriebs werden aber von der Firma Seydelmann übernommen und es gibt, was Vorndran wichtig war, auch eine Standortgarantie für seine Firma.
In Münnerstadt übernimmt nun Tim Middermann (Garitz) das Ruder im Betrieb. Der gelernte Zerspannungsmechaniker ist schon seit fünf Jahren bei Vorndran tätig. Jetzt hat er 25 Prozent der Anteile an der Firma seines früheren Chefs übernommen - ein Zugeständnis des Aalener Unternehmers Matthias Seydelmann an Franz Vorndran, mit dem er seit 20 Jahren in einer, wie er sagt, sehr guten Geschäftsbeziehung steht.
Familienbetrieb geht in Familienbetrieb über
Die Firma Seydelmann hat 320 Mitarbeiter in Aalen und Stuttgart und ist ein global agierendes Unternehmen, das seine Maschinen in über 150 Ländern und auf allen fünf Kontinenten vertreibt, sagt der Aalener Firmenchef. Also ein großer Global Player, der sich um einen vergleichsweise kleinen Local Player bemüht? Für Seydelmann liegen die Vorteile der Münnerstädter Firma auf der Hand: "hohe Innovationskraft, Flexibilität und sehr gute Qualität". Bestelle man bei der Firma Vorndran bestimmte Sonderteile, würden diese Aufträge in kurzer Zeit ausgeführt, hebt der Unternehmer hervor.
Dass die Münnerstädter Firma ein Familienbetrieb ist, - dort arbeiteten bisher Vorndrans Frau Veronika sowie Sohn Daniel und Tochter Katharina mit – sei positiv zu spüren gewesen, macht der Unternehmer deutlich. Schließlich weiß Seydelmann, wovon er spricht, denn auch er betreibt zusammen mit seinem Cousin Andreas Seydelmann ein Familienunternehmen.
"Wir wollen den Spirit Vorndran erhalten", sagt Seydelmann im Hinblick auf die Zukunft. Dazu gehört wohl auch, dass er mit Vorndran für ein Jahr einen Beratervertrag aushandelte. Der frühere Chef kann also in bestimmten Fällen sein Knowhow in der einst eigenen Firma kurzfristig zur Verfügung stellen. Die Zukunft des Münnerstädter Betriebs ist offensichtlich gesichert, denn demnächst wird eine weitere Produktionshalle gebaut.