
Geschäftsaufgabe, Räumungsverkauf, Sale – wer derzeit durch die Passage „Am Kurgarten“ zwischen Regentenbau und Bähnle-Station läuft, könnte meinen, dass hier ein Geschäft nach dem anderen schließt. Doch so schlimm ist es nicht.
Trotzdem passiert einiges: Waltraud Neumann führt seit fast 20 Jahren das „Modehaus am Kurpark“. Nun will sie in Ruhestand gehen – mit 76 Jahren ein nachvollziehbares Anliegen. „Ich habe mit 14 Jahren meine Lehre als Einzelhandelskauffrau angefangen und war nun 61 Jahre im Beruf. Arbeit hält jung“, lacht sie.
Nachdem die gebürtige Westfälin lange als Einkäuferin und Abteilungsleiterin eines großen Unternehmens gearbeitet hat, machte sie sich selbstständig. „Irgendwann wird man leider zum alten Eisen geschoben, aber ich wollte einfach so lange arbeiten, wie es mir Spaß macht.“
Nach einem Besuch ihrer Tante in Bad Kissingen habe es Klick gemacht: „Die Kurstadt hat mir gut gefallen. Sie bot als Urlaubsort gute Optionen, um sich mit einem Bekleidungsgeschäft selbstständig zu machen.“ So hat Waltraud Neumann 2005 das „Modehaus am Kurpark“ übernommen.
Kundinnen achten aufs Geld
Solange das Steigenberger Hotel noch stand, liefen die Geschäfte gut. „Damals saß das Geld locker. Da hatte ich kaum einen Blazer unter 300 Euro verkauft und die gingen weg wie warme Semmeln“, erzählt die Geschäftsfrau.
Damenmode in den Größen 36 bis 48 für das Alter 40 plus von vorwiegend deutschen Modelabels bot Neumann an – jetzt hängen nur noch die Restbestände in den Regalen, reduziert um 50 bis 70 Prozent. Heute ist die Nachfrage deutlich geringer und die Kundinnen achten aufs Geld.
„Das war eine schleichende Entwicklung, doch die Pandemie hat einen deutlichen Knick gebracht.“ Seitdem hat die 76-Jährige keine Mitarbeiter mehr und managt das Geschäft alleine.
Hinzu kommt, dass der Kundenverkehr in der Zeit von Mitte Oktober bis Ostern sehr zurückhaltend ist. „Ich lebe ja vorwiegend von den Gästen, doch im Winter geht man nicht in Deutschland in den Urlaub. So muss ich in der guten Jahreshälfte von Mai bis Oktober für die Winterhälfte mitverdienen.“
Nachfolge gesucht
Hoffnung setzt sie in das geplante Sonnenhof-Hotel, das auf dem ehemaligen Steigenberger-Areal entstehen soll. Doch noch ist keine Nachfolge für ihr Geschäft in Sicht: „Mein Vermieter und ich suchen seit Juli, aber es ist schwierig.“ Ende des Jahres läuft der Mietvertrag aus.

Wirtschaftsförderer Sebastian Brunner weiß, dass es in der Nachfolgesuche Geduld braucht: „Es muss ein passender Mieter gefunden werden, denn seine Produkte müssen das bestehende Angebot in der Nachbarschaft ergänzen und es muss dazu passen.“
Die Lage sei aufgrund des geplanten Sonnenhof-Hotels für Einzelhändler strategisch sehr interessant.
Langsam freut sich Waltraud Neumann auf ihren Ruhestand, auch wenn sie noch nicht so genau weiß, was sie mit der vielen Freizeit anfangen soll. Ihr Wunsch: ein bis zwei Tage in der Woche bei einem Nachfolger im Geschäft mitarbeiten.
Ladenfläche verkleinert sich
Aufgrund der zahlreichen rot-weiß-gestreiften Schilder haben viele Kunden Waltraud Neumann gefragt, ob auch ihre Nachbargeschäfte schließen werden. Doch das Nachbargebäude Nummer 4 ist nur im Umbau, von dem die darin befindlichen Geschäftsräume teilweise betroffen sind.

„Durch die Modernisierung wird sich unsere Ladenfläche verkleinern und deshalb machen wir eine Räumungsaktion“, erklärt Eva Gutay, Inhaberin des Geschäfts „Exklusive Mode“. Genauso im danebenliegenden Schmuckgeschäft Reichardt. „Wir haben dann zwar weniger Ladenfläche, aber ich komme damit zurecht“, sagt Eva Gutay.
Neuer Wohnraum entsteht
Der Berliner Unternehmer Nikolaus Fuchs ist seit vier Jahren Eigentümer des Wohn- und Geschäftshauses und möchte es Stück für Stück entsprechend dem Denkmalschutz modernisieren.
„Das Haus besteht aus ursprünglich zwei Häusern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, berichtet der ehemalige Bad Kissinger, „wir haben bereits einige Wohnungen renoviert, neue Balkone installiert und bauen derzeit einen Aufzug ein. Ohne kann man in Bad Kissingen heutzutage nicht vermieten.“

Der Aufzugschacht braucht Platz, deshalb verringern sich die Ladenflächen. Zudem wird die Fläche eines Geschäftes, das bereits vor drei Jahren geschlossen hat, genutzt und die Heizung erneuert.
„Es entstehen insgesamt neun Wohnungen, wenn wir das Dach entsprechend der Firsthöhe des Nachbarhauses Nummer 1 ausbauen können, sogar 12 Wohnungen.“ Ende nächsten Jahres soll die Modernisierung beendet sein.