zurück
BURKARDROTH
Gericht holt Bürgermeister in Burkardroth vom Dach
Von Franz Barthel und Susanne Will
 |  aktualisiert: 15.02.2024 15:00 Uhr

Kann ein hauptamtlicher Bürgermeister zugleich nebenbei noch „bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger“ vor Ort sein? „Organisatorisch kein Problem“, sagte vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg Daniel Wehner, seit 1. Mai 2020 hauptamtlicher Bürgermeister von Burkardroth. Er klagte, weil die Regierung von Unterfranken seine Bestellung als „Chef“ im Kehrbezirk Bad Kissingen 9 widerrufen hatte, aber die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts war derselben Meinung: Diese Doppelrolle sei nicht zulässig.

Der Gemeinderat von Burkardroth hatte seinem neuen 1. Bürgermeister für die Arbeit im Kehrbezirk eine Nebentätigkeit von acht Stunden in der Woche genehmigt. Vorwiegend am Freitagnachmittag und Samstag sei er, so Wehner, als Bezirksschornsteinfeger unterwegs gewesen. Da seien die meisten ohnehin daheim, Termine an anderen Tagen zu vereinbaren, sei nicht einfach.

Nicht alltäglicher Fall

Eine Begründung des Bürgermeisters dafür, dass er nach seiner Wahl den Kehrbezirk nicht abgeben wollte, wie ihm von der Regierung von Unterfranken nahegelegt: Mit dieser Kombination wäre es ihm möglich gewesen, nach einer Amtszeit im Rathaus in den vorübergehend durch einen Stellvertreter betreuten Kehrbezirk zurückzukehren. Er hätte dann nicht auf die Zuteilung eines neuen, unter Umständen weiter entfernten Kehrbezirks warten müssen. Dass die Regierung von Unterfranken den nicht alltäglichen Fall sehr ernst nahm, sah man schon daran, dass sie vor Gericht mit einem Oberregierungsrat, einer Regierungsrätin und einem Regierungsamtsrat aus dem „Sachgebiet 22,2“ vertreten war. Argumentiert wurde unter anderem mit erheblichen Interessenkonflikten. Es sei nicht garantiert, dass ein Bezirksschornsteinfeger seine Aufgabe noch unparteiisch erfülle, wenn es um Entscheidungen geht, die für den „Kunden“, in dem Fall seine Ortsbürger, unangenehm sind. Denn das würde die Gunst Betroffener gegenüber dem Bürgermeister, „in ihrer Eigenschaft als Wähler, nicht steigen lassen“.

Gleichzeitig sei zu befürchten, dass der Bürgermeister, wenn er wiedergewählt werden wolle, sich bei der konsequenten Verfolgung von Mängeln an den Feuerungsanlagen zumindest teilweise zurückhalte. Die Folge aus dem Doppel-Job wäre dann eine Gefährdung der Brandsicherheit und man bezweifelte auch, ob die vom Gemeinderat genehmigte Nebentätigkeit von acht Stunden pro Woche überhaupt für die Aufgaben eines „bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers“ ausreiche: Angesichts auf ihn zukommender „hoheitlicher Tätigkeiten“, die sich nicht im Voraus auf Freitagnachmittag und Samstag einplanen lassen. Und außerdem könne man bestimmte „hoheitliche Tätigkeiten“ nicht delegieren, schon gar nicht an einen Stellvertreter für die Dauer von sechs Jahren bis zur nächsten Bürgermeisterwahl.

Bürgermeister Wehner sagte zu Zweifeln, dass für den Bezirksschornsteinfeger in Kombination mit Ortsoberhaupt zu wenig Zeit bleibe: Bei seinem Arbeitstempo und entsprechender Organisation sei ihm das ohne Qualitätsmängel möglich gewesen und er nannte Beispiele: Er verstehe es, mit der modernen Datentechnik umzugehen und habe festgestellt, dass ihm beispielsweise das Verfassen von Bescheiden leichter falle und schneller von der Hand gehe als vielen Kollegen. Auch das Landratsamt Bad Kissingen als zuständige Aufsichtsbehörde habe keinerlei Qualitätsmängel hinsichtlich der Arbeit als „bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger“ nach der Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister festgestellt.

Die Gegenseite konterte: Beim „bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger“ sei von einer ständigen Präsenzpflicht auszugehen und die könne bei einem hauptamtlichen Bürgermeister nicht ansatzweise sichergestellt werden. Stichelei der Regierungsleute: „Ein Kaminbrand berücksichtigt nicht den Terminkalender des Bürgermeisters von Burkardroth.“

Im März 2021 hatte das Verwaltungsgericht Würzburg in der Sache den Sofortantrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abgelehnt. Die Beschwerde dagegen wurde im Mai 2021 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Jetzt warten die Beteiligten auf die schriftlichen Urteilsgründe des Verwaltungsgerichts Würzburg für die Ablehnung der Klage wegen der personellen Veränderungen im Kehrbezirk Bad Kissingen 9 nach der Kommunalwahl 2020.

Noch eine wichtige Anmerkung: Alle Argumente und Befürchtungen bei der Doppelrolle „Bürgermeister“ und „bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger“ waren ausschließlich vorbeugend: Beruflich, auf Wehners „weißer Weste“ als Schornsteinfeger, waren „nicht die geringsten Ruß-Partikel“ zu erkennen.

Urteil auf Verdacht

Daniel Wehner kaut an dem Urteil. „Ich akzeptiere es, aber nachvollziehen kann ich es nicht.“ Es sei ein Urteil auf Verdacht, sagt er. Und erklärt: „Wenn mein Privathaus in meinem Kehrbezirk stünde, dann müsste das auch von einem anderen Kollegen kontrolliert werden – warum also kann nicht ein anderer Kaminkehrer die öffentlichen Gebäude kontrollieren?“

Banger Blick in die Zukunft

Für ihn hat das Urteil größtes Gewicht. Denn wenn er in fünf Jahren nicht wiedergewählt werden würde, dann stünde seine Zukunft in den Sternen. „Seit 1. September ist mein Kehrbezirk in Händen eines jungen Kollegen und zwar für sieben Jahre.“ Natürlich könne er sich um einen anderen Kehrbezirk bewerben – aber das deutschlandweit, einen vor der Haustür werde er wohl kaum bekommen. „Meine Alternative: Ich kann mich als Geselle bei einem Kollegen vor Ort bewerben – aber dann bin ich 50 Jahre alt.“

Das Vorgehen empfindet er als ungerecht. „Wenn ich kein Beamter wäre, also beispielsweise im Nebenberuf Bürgermeister, dann wäre alles kein Problem. Deshalb gehen immer weniger Handwerker in die Politik – es ist zu kompliziert geworden.“

Er habe eineinhalb Jahre lang bewiesen, dass sich die Kaminkehrerei und das Bürgermeisteramt vereinbaren lassen. „Aber das hat niemanden interessiert.“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Burkardroth
Aufsichtsbehörden
Beamte
Bürgermeister und Oberbürgermeister
Bürgermeisterwahlen
Gerichtsklagen
Kläger
Kommunalwahlen
Probleme und Krisen
Qualitätsprobleme
Regierung von Unterfranken
Stadträte und Gemeinderäte
Verwaltungsgericht Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top