zurück
Bad Kissingen
Unglaubwürdige Zeugen in Bad Kissingen: Zweifacher Freispruch in Gerichtsverfahren um sexuelle Belästigung, Morddrohung und Nötigung
Die Vorwürfe lauteten sexuelle Belästigung, Morddrohung und Nötigung. Warum am Ende sogar die Staatsanwältin Freispruch forderte.
Am Bad Kissinger Amtsgericht ging es um den Vorwurf des „Prozessbetrugs“.       -  Am Amtsgericht Bad Kissingen wurde mal wieder ein kurioser Fall verhandelt.
Foto: Symboldpa/ David Ebener | Am Amtsgericht Bad Kissingen wurde mal wieder ein kurioser Fall verhandelt.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 26.08.2024 13:05 Uhr

„Beide Zeugen sind absolut unglaubwürdig und haben uns hier Geschichten erzählt“, fasste die Richterin am Bad Kissinger Amtsgericht ihre kurze Begründung nach dem Urteilsspruch zusammen. So war der zweifache Freispruch nur das folgerichtige Ergebnis einer ungewöhnlichen, auch teilweise verwirrenden Verhandlung gegen zwei Angeklagte .

Hausfriedensbruch, sexuelle Belästigung, exhibitionistische Handlungen und Morddrohung wurden dem einen sowie Gewaltandrohung bis zum Mord und Nötigung dem anderen vorgeworfen.

"Missverständnis"

Doch bald stellte sich alles als „Missverständnis“ heraus, verursacht von einem als Zeugen geladenen Paar, das – wie es ein Verteidiger vor Gericht formulierte – in einer „ungewöhnlich toxischen Beziehung“ gelebt und sich zum Tatzeitpunkt gerade getrennt hatte.

Angeblich sexuell belästigt

Nach dem Wortlaut der Anklage soll der jüngere Angeklagte (45) in einer Augustnacht vorigen Jahres unaufgefordert in die unverschlossene Wohnung der ihm bekannten Frau eingedrungen sein. Statt der Aufforderung zum Verlassen der Wohnung zu folgen, soll er sie stattdessen sexuell und exhibitionistisch belästigt haben.

Gegenseitige Drohungen

Nachdem der frühere Lebenspartner der Geschädigten davon gehört hatte, soll er den Eindringling später angerufen haben, wobei es wohl zum Streitgespräch mit gegenseitigen Drohungen kam. Am selben Morgen soll nun der zweite Angeklagte (56) und ältere Freund des Eindringlings, der dem Jüngeren nach eigener Aussage immer mal hilfreich zur Seite steht, die Geschädigte angerufen und gedroht haben – so der Wortlaut der Anklage –, ihr Lebenspartner solle seinen Freund in Ruhe lassen, sonst schneide er ihm die Finger ab.

Angeblich auf der Straße ausgebremst

Einige Tage später mussten beide Männer auf ihrer Autofahrt vor einer roten Ampel hinter einem Wagen halten, in dem die Geschädigte und ihr Lebenspartner saßen. Der ältere Angeklagte soll ausgestiegen und zum vorderen Wagen gegangen sein und den Lebenspartner der Geschädigten mit den Worten „Du kleiner Bastard, komm jetzt raus, ich bring dich um“ bedroht haben, was er vor Gericht bestritt. Nachdem die Ampel auf Grün geschaltet hatte, sollen beide Angeklagten den Wagen der Geschädigten über zwei Kilometer verfolgt, überholt und absichtlich ausgebremst haben. Die Geschädigte habe gerade noch einen Zusammenstoß vermeiden können.

Protokollierte Aussagen 

Wiederum zwei Tage später soll, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, der jüngere Angeklagte den Lebenspartner der Geschädigten angerufen und ihm gedroht haben, er werde ihn umbringen. Alle Vorwürfe basierten auf den bei der Polizei protokollierten Aussagen der Geschädigten und ihres Partners, die die Vorfälle, beginnend mit dem unerlaubten Eindringen in die Wohnung, damals zur Anzeige gebracht hatten.

Der Jüngere schweigt

Da der jüngere Angeklagte sich nicht zu den Vorwürfen äußern wollte, ergriff sein älterer Freund das Wort: „Die Anklage entspricht mit keinem Wort der Wahrheit.“ Auch das ihm vorgeworfene Fehlverhalten im Straßenverkehr sei nicht seine Art: „Ich war viele Jahre Lkw-Fahrer. Wir sind ganz gemütlich gefahren.“ Er habe in beiden Fällen nur seinem Freund helfen und für ihn den Streit mit der Geschädigten und ihrem damaligen Partner schlichten wollen. „Das sind alles Missverständnisse, das trifft alles nicht zu.“

Eindringliche Fragen der Richterin

Der Ex-Partner der Geschädigten gab zu, dass auch er im ersten Telefonat mit dem 45-Jährigen wohl beleidigend und drohend gewesen sei. „Er soll meine Freundin begrapscht haben“, hatte er von ihr gehört. „Es waren alles nur Missverständnisse“, meinte nun auch er. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, mein Kopf ist leer“, reagierte er fast verzweifelt auf das eindringliche Befragen der Richterin .

Bei den Eltern gewesen

In jener Nacht sei er nach einem Streit mit seiner Freundin bei seinen Eltern gewesen. Sie habe ihn auch schon früher eifersüchtig gemacht. „Ich weiß heute nicht mehr, was ich glauben soll.“

Nachfragen beider Verteidiger erbrachten weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen , zumal er auch seinen früheren Aussagen bei der Polizei widersprach. Die Aussagen der damals Geschädigten verstärkten eher die Verwirrung vor Gericht, anstatt zur Klärung der Sachverhalte beizutragen. Mal konnte sie sich nicht mehr an Einzelheiten erinnern, dann wusste sie doch wieder einiges, widersprach damit aber früheren Aussagen. Sogar als die Richterin sie fragte, ob der 45-jährige Eindringling sie damals sexuell berührt habe, antwortete sie: „Ich weiß es nicht.“

Freispruch mangels Beweisen

Selbst die Staatsanwältin hatte nach dieser Zeugenanhörung einsehen müssen, dass ihre gegen die Angeklagten erhobenen Vorwürfe nicht hatten bewiesen werden können. Sie beantragte Freispruch für beide mangels Beweisen. So blieb einem Verteidiger nur anzumerken, dass die „beliebige Austauschbarkeit von Aussagen eine Verurteilung verbietet“. Der Freispruch sei gerechtfertigt, da die Beweisaufnahme keine Belastbarkeit der Vorwürfe erbracht habe.

Lesen Sie auch:

 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Amtsgericht Bad Kissingen
Angeklagte
Exhibitionismus
Morddrohungen
Polizei
Richter (Beruf)
Staatsanwaltschaft Schweinfurt
Zeugen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top