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Oerlenbach
Geplantes Verteilzentrum in Oerlenbach: Amazon reagiert auf Kritik
Der Onlinehändler verteidigt sich gegen Vorwürfe aus Gewerkschaft und Politik: Er zahle vergleichsweise gute Löhne, Tarif brauche es nicht. Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht künftige Arbeiter von Altersarmut bedroht.
Im Gewerbepark A 71 entsteht das neue Amazon Verteilzentrum. Die Mitarbeiter dort sollen  11,62 Euro pro Stunde verdienen. Benedikt Borst       -  Im Gewerbepark A 71 entsteht das neue Amazon Verteilzentrum. Die Mitarbeiter dort sollen  11,62 Euro pro Stunde verdienen. Benedikt Borst
| Im Gewerbepark A 71 entsteht das neue Amazon Verteilzentrum. Die Mitarbeiter dort sollen 11,62 Euro pro Stunde verdienen. Benedikt Borst
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 17.08.2022 14:45 Uhr

Die Arbeiten für das Verteilzentrum von Amazon haben zwar gerade erst begonnen, dennoch steht der Onlinehändler öffentlich in der Kritik. Der DGB Unterfranken sowie Politiker aus der Region warfen dem Konzern vor, seine Mitarbeiter zu schlecht zu bezahlen, Tarifverträge zu verweigern und die Mitbestimmung in Betriebsräten zu verhindern. Die Anschuldigungen will das Unternehmen so nicht stehen lassen.

In einem Schreiben der Pressestelle an die Redaktion betont Amazon : "Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber , bieten faire Löhne, einen sicheren Arbeitsplatz und Entwicklungschancen." Jobs bei Amazon müssten sich in der Logistikbranche nicht verstecken, Amazon zahle für Mitarbeiter "Löhne am oberen Ende dessen, was für vergleichbare Tätigkeiten gezahlt wird". Eine formelle Ausbildung brauchen die Mitarbeiter nicht. Amazon nennt konkret einen Stundenlohn von 11,10 Euro plus Zusatzleistungen, regional werde auch mehr gezahlt. Der Mindestlohn in Deutschland liegt aktuell bei 9,35 Euro pro Stunde. "Wir denken nicht, dass ein Tarifvertrag den Mitarbeitern zugutekommen würde", so das Unternehmen. Das Ziel der Gewerkschaft , im Branchenvergleich gute Löhne zu zahlen, sei längst Realität. Amazon betont, die Löhne würden jährlich überprüft, damit sie weiterhin attraktiv sind. Des Weiteren heißt es, Amazon sei ein transparenter Arbeitgeber . Das Unternehmen verfolge eine "Kultur der offenen Tür". Mitarbeiter sollten ihre Anliegen direkt mit dem Management-Team besprechen.

Armutsforscher Christoph Butterwegge (Uni Köln) sieht das genannte Lohnniveau "am Rande des Niedriglohnsektors ". Butterwegge war 2017 der Kandidat der Linken für die Wahl zum Bundespräsidenten , außerdem gehört er dem Gutachtergremium der Bundesregierung für den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht an.

Zusteuern auf Altersarmut

In Oerlenbach will Amazon einen Stundenlohn von 11,62 Euro zahlen. Das ist zwar mehr als der aktuelle Mindestlohn , reiche aber dennoch nur knapp aus, um einen alleinstehenden Mitarbeiter über die Armutsrisikoschwelle von 1074 Euro netto im Monat hinauszuheben. Und: "11,62 Euro sind nicht genug, um nach einem erfüllten Arbeitsleben die Altersarmut zu vermeiden", betont Butterwegge. Der Forscher beruft sich auf Zahlen der Bundesregierung: Demnach braucht es einen Stundenlohn von 12,63 Euro, die einem Angestellten nach 45 Berufsjahren eine Rente sichert, mit der er nicht auf staatliche Grundsicherung angewiesen ist.

Auch wenn der Nettoverdienst über der Armutsrisikoschwelle liegt, größere Rücklagen können Betroffene nicht bilden. "Man kann sich vieles von dem nicht leisten, was in unserer Konsumgesellschaft als normal gilt. Und bei größeren Anschaffungen treten sofort Probleme auf", sagt er. Krisen wie Corona, die Kurzarbeit auslösen, aber auch persönliche Krisen treffen Menschen mit niedrigen Löhnen deutlich härter. Butterwegge: "Sie sind nur eine Krankheit, eine Kündigung oder einen Lockdown von der Armut entfernt."

Den Mindestlohn hält der Armutsforscher für ein wichtiges Mittel, um Armut zu bekämpfen. "Er müsste nur deutlich über zwölf Euro liegen", meint er. Ferner müsste der Mindestlohn stärker steigen, als die allgemeine Preisentwicklung.

Peter König, Gewerkschaftssekretär für Einzelhandel bei Verdi, beurteilt das Lohnniveau ähnlich. "Das was heute im Geldbeutel fehlt, fehlt später bei der Rente", sagt er. In Oerlenbach entstünde ein Zentrum der prekären Beschäftigungsverhältnisse. In Vollzeit erwartet die Belegschaft ein Bruttogehalt von etwa 1900 Euro, rechnet er vor. "Das ist etwa die Grenze zu Hartz-IV-Aufstockerleistungen", meint König. Ein Lagermitarbeiter im Einzelhandel habe mit Tariflohn über 500 Euro im Monat mehr in der Tasche. Er kritisiert, dass Amazon sich seit Jahren weigert, Tarifbindung einzugehen.

 
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