
Der Koch jagt das fingerdicke Stängchen über den Hobel. Feine weiße Scheiben schichten sich auf. Michael Hergenröder lässt sie ins heiße Fett gleiten. Einen Moment auf Tauchstation. Wieder an der Oberfläche, rieselt er feine Salz-Flocken auf die Chips, die Sekunden später zwischen den Zähnen knuspern. Das mag der Koch: süß und bitter zugleich. Das mag der Koch nicht: langweilige Gerichte.
"Aus Gemüse kann man mehr machen", sagt der 25-Jährige. Totkochen bis alles einheitlich weich ist, war gestern. "Gemüse ist wichtig für uns Köche, auch weil es mehr Vegetarier und Veganer gibt." In den Töpfen und Pfannen von Michael Hergenröder landet das, was andere gerade ernten und das am besten in der Nähe. Jede Zutat, aus denen die verschiedenen Gänge im Landgasthof "Weisses Rössl" in Stralsbach gemacht sind, zählt. Die Schwarzwurzel will der Koch auch in dieser Saison wieder auf die Karte schreiben. Als Suppe, im Risotto, zu Fisch oder Wild ... Gegrillt, gekocht, gestampft oder gebraten: das Wurzelgemüse - für ihn ein "Allrounder".
Nach dem Abbürsten schnappt sich Koch-Kollege Florian "Flo" Grone den Sparschäler und versenkt die nackten weißen Stangen im Wasser. Ein Spritzer Zitrone verhindert, dass sie grau anlaufen, erklärt der Fachmann. (Mit Milch oder Essig funktioniert es genauso.) Wichtig: In Handschuhe schlüpfen, sonst kleben die Finger später. In kochendem Wasser gart die Schwarzwurzel 20 Minuten. Soll sie in der Pfanne nachher noch feine Röstaromen abbekommen, verbringt sie nur die Hälfte der Zeit im heißen Wasser. Michael Hergenröder will seinen Zutaten Geschmacks-Vielfalt entlocken und auf dem Teller zeigen, was möglich ist. "Verschiedene Texturen machen es interessanter."
Frisch auf den Tisch
Ausreden lässt er nicht gelten: "Man kann auch ohne viel Zeit gut kochen", sagt Michael Hergenröder. "Ich hasse Glas-Gemüse." Einkaufs-Tipp: Gerade gewachsen und knackig soll die Schwarzwurzel sein, rät der Fachmann. Von frischen Zutaten profitiere nicht nur der Geschmack, sondern auch die Gesundheit, erklärt er. Sein Gemüsehändler Rainer Hegemann steht in den Startlöchern. "Über den Winter geht es los", sagt er. Wenn der erste Spargel-Hunger anklopft, überbrücken viele erst einmal mit der Schwarzwurzel, weiß der Händler. Er beliefert Hotels, Gastronomen und Krankenhäuser und versorgt Privatleute mit frischem Gemüse. Praktisch für die Kundschaft: Wer will, bekommt sein Grünzeug von ihm schon küchenfertig. "Manches ist mit mehr Arbeit verbunden und eben nicht ganz so einfach zu verarbeiten."
Asiatisch, vegetarisch, typisch deutsch - mit der Schwarzwurzel lässt sich viel anstellen, meint der 25-jährige Koch. Heute will er das Wintergemüse in eine Vorspeise einbauen. Dafür landen die Stangen nach dem Blanchieren zunächst im kaltem gesalzenem Wasser, damit sie nicht nachgaren. In einer heißen Pfanne holen sich die blassen Stiele braune Grill-Streifen ab. Zu dem gegrillten Gemüse gibt es Lachs, in Gin gebeizt, einen Sud aus Kefir und Kräuteröl, Tupfen aus Miso-Paste und roten Rüben, und obendrauf eingelegte Radieschen und die krossen Schwarzwurzel-Chips - eine spontane Kreation des 25-Jährigen. Der empfiehlt, sich getrost an das Wintergemüse heranzuwagen. Und: "Einfach ausprobieren."
Leider werden die Schwarzwurzeln nur noch selten angebaut. Sie sind ein sehr dankbares Gemüse und brauchen keine große Pflege. Voraussetzung für den Anbau ist ein guter, lockerer und vor allem tiefgründiger Boden. Am besten eignen sich Sandböden. Steiniges und schweres Erdreich sind dagegen ungeeignet. Am besten werden Sorten verwendet, die möglichst nicht beinig werden, wie "Duplex" oder "Hoffmanns schwarzer Pfahl". Das Saatgut ist nur ein Jahr haltbar. Nach dem Auflaufen des Saatgutes sind die Pflänzchen zu verziehen, damit genügend Platz zur Entwicklung der einzelnen Wurzeln gegeben ist.
Die Ernte von Schwarzwurzeln ist ab Oktober möglich. Da sie tief im Boden stecken, können sie auch im Winter dort bleiben und direkt vor dem Verbrauch frisch geerntet werden. Bei der Lagerung in warmen Kellern verlieren sie rasch an Qualität.
Schwarzwurzeln lassen sich leichter ernten, wenn längs zur Reihe ein Graben ausgehoben wird. Dann werden sie mit der Grabgabel einfach weggedrückt. Auf keinen Fall dürfen die Pfahlwurzeln brechen. So lange der Boden nicht richtig gefroren ist, ist eine Ernte bis zum Frühjahr möglich.
Im Gemüsebeet können Schwarzwurzeln besser verbleiben, wenn man sie durch Anhäufeln mit Erde vor Kahlfrösten schützt. Dabei bleiben aber die Blätter unbedeckt. Auch Falllaub hat eine isolierende Wirkung gegen Kälte. Oder man benutzt ein Gemüsevlies.
Schwarzwurzelgemüse ist sehr schmackhaft und wird ähnlich wie Spargel zubereitet. Es ist besonders für Diabetiker gut geeignet. Bei der Verarbeitung sind wegen des stark klebenden Milchsaftes Handschuhe anzuziehen. Nach dem Schälen werden die Pfahlwurzeln in Zitronenwasser eingelegt, damit sie nicht braun werden.
Im Gemüsegarten ist unbedingt auf den Fruchtwechsel zu achten: Schwarzwurzeln sind Korbblütler und so mit Löwenzahn und Chicoree verwandt. Jupp Schröder