
Geroda/Schondra Alexander Schneider ist stolz. „Als kleinste Landkreis-Gemeinde haben wir die größte Wirtshausdichte.“ Gerodas Bürgermeister nennt „Die Böll“ und den „Hirschen“ in der Ortsmitte; aber auch das Würzburger Haus liegt auf „seiner“ Gemarkung. Schneider sagt aber auch: „Wir hatten Glück, dass es so ist.“ Denn Geroda hätte leicht Schondras Schicksal teilen können. Dort gibt es gar kein Gasthaus mehr.
Glück und Sich-Kümmern
Dass sich das gastronomische Angebot in den Nachbargemeinden grundlegend unterscheidet, haben auch die 1565 Teilnehmer einer Umfrage im Landkreis längst beobachtet – und kritisch bewertet. So erreichte Geroda mit 8,03 die Spitzenbewertung. Zum Vergleich: Der maue Durchschnittswert aller Orte im Landkreis liegt bei 4,90. Das ganze Gegenteil zu Geroda stellt Schondra dar. Mit einer Note von 1,80 steht es ganz am Ende der Listung, noch hinter Riedenberg, das auch nur auf 3,08 kommt.
So merkt ein Teilnehmer an, dass es „keine Einkaufsmöglichkeiten außer Bäckerei und Metzger“ gebe und „keine Gastronomie mehr vorhanden“ sei. „Ohne Kfz oder ohne Führerschein bist du hier aufgeschmissen.“
Dass es in Geroda anders ist, war – wie der Bürgermeister sagt – ein Stückweit Glückssache. Es ist aber auch eine Geschichte des Sich-Kümmerns. Denn in den Jahren 2014/15 stand die Zukunft des damaligen Gasthauses „Grünes Tal“, der heutigen „Böll“, auf Messers Schneide. Die damaligen Betreiber – Hans und Margot Kohl – wollten es abgeben. Nach Schneiders Angaben wollte ein privater Investor das Gebäude kaufen, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Es war die erste Welle; vor allem Syrer und Afghanen kamen. Doch Bürgermeister und Gemeinderat waren sich einig: Wenn, dann nehmen wir das in die Hand. Ein Drei-Stufen-Plan wurde erarbeitet.
Die Premium-Variante lautete: die Gastronomie erhalten und einen guten Pächter suchen. Plan B wäre ein Seniorenwohnen gewesen. Erst wenn das alles nicht geklappt hätte, hätte Option C gegriffen – ein Flüchtlingsheim, aber unter Federführung der Gemeinde.
Indes blieb das Glück der Tüchtigen Schneider und Co. hold. Zu der Zeit kehrten Verena Hergenröder und Bruder Michael aus der weiten Welt zurück.
Das „Weiße Rössl“, die Gastwirtschaft ihrer Eltern Thomas und Arnita Hergenröder in Stralsbach, wollten sie nicht übernehmen (wie übrigens schon vor ihrem Abschied nicht). Aber sie pachteten 2016 die Wirtschaft in der Gerodaer Ortsmitte. Und gaben ihr den Namen, den sie immer im Dorfmund hatte: „Die Böll“, nach den Vorbesitzern.
„Wir hatten ursprünglich gar nicht die Idee, einen zweiten Betrieb aufzumachen“, sagt Verena Regus, frühere Hergenröder. „Doch dann hat es uns gekitzelt und wir haben gesagt: Wir machen etwas gegen das Wirtshaussterben.“
Heute hat sich die „Böll“ fest etabliert; die Gäste kommen nach Regus' Angaben meistens aus der Gegend, aber auch aus Fulda oder Würzburg, meist auf Empfehlung. Dass die Gemeinde nach einem Wasserschaden Anfang 2015 das Erdgeschoss, insbesondere den Boden in der Gaststube und die Küche, modernisierte, spielt mit in die Erfolgsgeschichte hinein.
Sowohl Regus als auch Schneider sind der Meinung, dass Konkurrenz das Geschäft belebt. Und so freuen sich beide, dass es noch den „Hirschen“ gibt. Dessen griechischer Betreiber bewirte zwar nur noch tageweise voll und biete sonst Speisen „to go“ an. Aber immerhin.
Auch vom Würzburger Haus in den Schwarzen Bergen, das dem Rhönklub gehört und auf das die Gemeinde eigentlich keinen Zugriff besitzt, profitiert die Gerodaer Wirtshauslandschaft. „Die Leute trinken Kaffee in den Bergen – und kommen dann zum Abendessen hierher“, so Alexander Schneider.
Der Bürgermeister ist überzeugt, dass es Orte mit belebter Durchgangsstraße (hier die B286) gastronomisch leichter haben als solche mit einer Umgehung. So habe er anfangs neben Regus drei oder vier weitere Interessenten fürs „Grüne Tal“ gehabt. Für diese These spricht, dass auch Oberleichtersbach mit „Rhönhof“ und „Aspenmühle“ noch über zwei gutbürgerliche Gasthäuser an einer früheren Bundesstraße (B27) verfügt, ansonsten aber im Ort über nichts mehr. Allerdings verfügte auch der Gerodaer Ortsteil Platz, ebenfalls an der B286 gelegen, einst über drei Bewirtungsbetriebe. Keiner existiert mehr.
Die fehlende Anbindung an überörtliche Straßen – sie macht auch Alfred Hohmann ein Stück weit fürs Wirtshaussterben in seinem Heimatort Schondra verantwortlich. Ursprünglich besaß der Hauptort zwei Gasthäuser, das „Zum Hirschen“ und das „Zur goldenen Krone“; Hohmann führte ersteres bis 1994.
Geschäft wurde immer weniger
„Man muss sagen, dass irgendwann das Geschäft zu wenig war“, blickt Hohmann zurück. Zwischen Herbst und Frühjahr sei es gut gelaufen; im Sommer habe „tote Hose“ geherrscht.
Früher habe die Dorfbevölkerung Gasthäuser besser angenommen. Kunden seien kleine Bauern und Nebenerwerbslandwirte gewesen, aber vor allem Rentner-Stammtische. Diese seien nach und nach ausgestorben.
„Es geht auch keiner mehr fort“, glaubt Hohmann. Auch wolle niemand, der wochentags in einer anderen Branche arbeite, danach eine Gastronomie betreiben. Schondra habe zudem das Problem, dass es nicht an großen Wanderwegen liege. Auch Radwege würden drumrum führen. „Von außerhalb kommt da nix.“
Einige Jahre länger als seine Gastwirtschaft hielt sich die „Krone“ – bis zum Tod des Betreibers Wolfgang Turber 2015. Heute geht gastronomisch nur was im DJK-Vereinsheim.
In Schönderling führten Bernd und Margarethe Kiesner bis 2014 die „Traube“. Dann hörten sie aus Altersgründen auf. „Die Kinder hatten kein Interesse“, sagt „Marga“ Kiesner.
Auch andere Schondraer Ortsteile verfügten einst über Gastwirtschaften. Der „Schwarze Hahn“ in Schildeck ist nach Angaben des früheren Bürgermeisters Klemens Markert lange dicht, ebenfalls die Kneipe in Singenrain. Dort wird nur zeitweise im Feuerwehrhaus bewirtet. Der alte Gutshof in Einraffshof, wo in einer Gartenlaube verköstigt wurde, wurde vor einigen Jahren abgerissen.