
Beim Gesangverein Garitz steht ein Wechsel an prominenter Stelle an: "Unsere Chorleiterin Andrea Metzler hört zum Jahresende auf, und der Verein hat sich bemüht, für sie einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden", sagte Hermann Schober, der Pressewart des Vereins. Die Entscheidung fiel so früh, dass genügend Zeit war, einen geeigneten Kandidaten zu finden und ins Boot zu holen: den Bassbariton Guy Ramon (die Betonung liegt auf dem "o"). Jetzt unterzeichneten er und Vereinsvorsitzender Manfred Simon die Vereinbarung, die die Arbeitsbedingungen des neuen Chorleiters regelt. Die Vereinbarung ist, wie allgemein üblich, unbefristet, aber natürlich kündbar.
Ganz überraschend kommt diese Entscheidung nicht. Denn Guy Ramon ist hierzulande kein Unbekannter mehr. 2016 sang er in einem Festkonzert zur 750-Jahr-Feier der Gemeinde Wittershausen in der Pfarrkirche. Und im Jahr darauf arbeitete er erstmals mit dem Gesangverein im Bereich der Stimmbildung zusammen und trat als Sänger in Bad Kissingen und Wittershausen auf.
Dass die Wahl auf ihn fiel, war also kein Zufall. Zudem kennt Guy Ramon Bad Kissingen schon seit 15 Jahren. Denn seitdem kommt er mit seinem Mann Rüdiger Dahlke - die beiden haben vor zwei Jahren geheiratet - zu den großen Turnieren in den Regentenbau, denn der ist Tanzlehrer und -trainer.
Guy Ramon wurde 1959 in Hamburg geboren. Seine Liebe zur Musik im Allgemeinen und zum Gesang im Besonderen entdeckte er schon früh. Er war viereinhalb Jahre alt, als ihn seine Eltern in eine Aufführung des "Faust" mitnahmen - von da an wollte er nur noch Sänger werden. Mit 14 Jahren hat er sein erstes Orchesterkonzert mit dem Norddeutschen Rundfunk als Chorknabe in Hamburg-Rellingen gesungen. Sein Gesangsstudium absolvierte er am Konservatorium und an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg.
1985 gab er sein Diplomkonzert. Er war Meisterschüler von Josef Metternich, besuchte Meisterkurse von Sylvia Geszty und Katharina Mohr-Gerdes; und er arbeitete von 1998 bis 2009 mit seinem Stimmfachkollegen Franz Crass zusammen. Zwei Jahre war er nach seinem Studium im Festengagement am Theater in Pforzheim. Aber er merkte bald, dass diese Art der Einengung nicht nach seinem Geschmack war, und er entschied sich für den mühsameren, aber auch freieren Weg der Freiberuflichkeit.
Sein Durchbruch kam, als er es 1987 bis in das Finale der "Münchner Singschule" brachte und vom damaligen Generalintendanten August Everding als Solist ins Münchner Nationaltheater mitgenommen wurde. Seitdem singt er an den Theatern und Opernhäusern nicht nur quer durch Deutschland, sondern in ganz Europa, von Barcelona bis Salzburg, ein breites Repertoire, wobei seine Paraderollen - natürlich - der Papageno (Zauberflöte), Colline (La Bohème), Ossip (Der Revisor) und Don Basilio (Barbier von Sevilla) sind.
1991 schuf sich Guy Ramon ein zweites Standbein, indem er im Baden-Württembergischen Bad Rappenau eine Gesangschule eröffnete, in der er junge Leute in den Fächern Oper, Operette, Konzert, Oratorium und Kunstlied ausbildet. Seit 2009 ist ist er Künstlerischer Leiter der "Bad Rappenauer Klassiktage"; 2011 erhielt wer die "Gottlob-Frick-Medaille" der gleichnamigen Gesellschaft und organisiert regelmäßig Benefizkonzerte.
Was können die Garitzer Sängerinnen und Sänger von ihrem neuen Chef erwarten? Was sie natürlich freut, ist, dass er sein neue Amt offensichtlich sehr ernst nimmt, denn er hat in Garitz bereits ein Haus gekauft: "Wenn ich Musiker bin, muss ich dahin gehen, wo die Musik stattfindet". Außerdem: "Jedes Mal die Fahrt von Bad Rappenau hierher, das ist mir zu mühsam." Außerdem wurde ihm das ständige Leben aus dem Koffer allmählich zur Last, weil es einsam machen kann. Was er zu allererst jetzt auch in Garitz machen will? "Menschen zusammen und musikalisch voranbringen. Da spielt die Altersstruktur für mich überhaupt keine Rolle." Alles das, was schon da ist, will Guy Ramon weiterentwickeln, aber auch neue, eigene Akzente setzen. "Ich werde im Jahr 2020 das, was jetzt vorgegeben ist, alles so übernehmen und mich einarbeiten, damit wir uns alle auch gut aneinander gewöhnen können". Aber er hat natürlich auch vor, den Chor mit seinem Wissen um Gesang, Atemtechnik, Körpertechnik und anderes weiter aufzubauen. "Und ich freue mich auch, wenn neue Menschen aus allen Stimmgruppierungen hier her finden."
Natürlich hat er auch programmatische Ideen: "Ich möchte 2021, wenn das klappt und alle einverstanden sind, ein großes Konzert machen, in dem ich dann mit dem Männerchor die "Deutsche Messe" von Franz Schubert einstudieren möchte, und zwar komplett, und das gerne verweben möchte mit der "Hubertusmesse" mit dem Jagdhornbläserensemble; und im zweiten Teil möchte ich deutsche romantische Volkslieder - da gibt es ja unendlich viele - und vielleicht non einen Tenor oder Sopran als Solist dazu nehmen." Natürlich will er die Wandelhallenkonzerte weiterführen und die Beteiligung an "SaaleMusicum". "Das sind gewachsene Traditionen aus dem Chor heraus, wie auch das Weihnachtskonzert alle zwei Jahre." Er will aber auch den Chor mit Konzerten zunächst in der engeren, dann auch in der weiteren Umgebung bekannter machen. Und im Lauf der Jahre auch mal verschiedene schöne Opernchöre erarbeiten. "Aber das ist Zukunftsmusik." Was ihn nicht daran hindert, auch mal an Haydns "Jahreszeiten" oder das "Oratorio de Noël" von Camille Saint-Saëns zu denken. Das bringe automatisch auch andere Menschen dazu.
Eine Schonzeit für den neuen Mann am Pult gibt es nicht. Aber hat sich ja auch schon akklimatisiert: Seinen 60. Geburtstag hat er bereits mit dem Verein in Garitz gefeiert. Deshalb kann es - business as usual - am Montag, 13 Januar, im Probenraum in der Jahnstraße 11 wie gewohnt weitergehen: um 18.50 Uhr die Frauen, um 19.30 dazu die Männer. Eine Entwarnung hat Guy Ramon noch: Wer neu kommen will, um mitzumachen, braucht keine Angst zu haben: Ein Vorsingen gibt es nicht.