
Neues Leben ist eingekehrt in die Vereinsgaststätte, weil der Vorsitzende Kevin Morin Traditionen wieder beleben will, auch ohne regelmäßigen Spielbetrieb der kickenden Zunft. Auf eine große Tradition blickt der im Jahr 1934 gegründete SV Wildflecken zurück, mit großartigen Erfolgen. Alles nachzulesen im Buch „75 Jahre Sportverein Wildflecken 1934-2009“ von Thomas Helfrich oder auf der aufwändig gestalteten Homepage des Vereins.
Lebendig werden die Geschichten aber vor allem bei den Ehemaligen-Treffen, die seit 2015 im SV-Sportheim abgehalten werden: dank der Initiative von Harald Möller. Der Anlass: 40 Jahre zuvor, in der Saison 1974/75 hatte der SV Wildflecken eine Doppel-Meisterschaft gefeiert: Die Erste Mannschaft gewann den Titel in der A-Klasse Rhön, die Reserve im damals nicht aufstiegsberechtigten Spielbetrieb ging ebenfalls als Erster über die Ziellinie. „So einen Erfolg hatte es im Verein bis dato nicht gegeben“, weiß Thomas Helfrich. Der 71-Jährige hat die gute alte Zeit selbst als aktiver Fußballer erlebt und unterstützt mit anderen Kollegen Harald Möller bei den Vorbereitungen für die Treffen.
27 Fußballer beim Ehemaligen-Treffen
Diesmal kamen 27 Ex-Fußballer sowie Ex-Trainer und Betreuer Hubert Schumm. Ältester Teilnehmer war Walter Deißler mit seinen 88 (!) Jahren. Die 80 überschritten hatten auch Dieter Zurek (85), Karl-Heinz Kufel (82) sowie Walter Grünewald und Siegfried Fonfara (je 81). Die weiteste Anreise hatte Joachim Plobner – er kam aus Wiesbaden nach Wildflecken . „Es ist schön, so viele ehemalige Fußballer hier versammelt zu sehen, die den Verein groß gemacht und Funktionen übernommen haben“, sagte SV-Vorsitzender Morin zur Begrüßung. Es wurde geklönt, gelacht und viel gesungen. Sowie manche Anekdote aus alten Fußball-Zeiten zum Besten gegeben. Mit dem passenden Vokabular.
Unter dem erst 26-jährigen Trainer Walter „Pizzi“ Gutmann feierten der 2022 verstorbene Kapitän und Ehrenspielführer Kurt Raab und seine Teamgefährten rauschende Fußballfeste. Sie marschierten unaufhaltsam zur A-Klassen-Meisterschaft und stiegen in der Saison 1969/70 in die Bezirksliga, damals die fünfthöchste Spielklasse, mit einem Torverhältnis von 115:36 und 54:6 Punkten auf. Unvergessen bleiben der 11:3-Kantersieg in Aubstadt und der 10:3-Sieg über den RSV Wollbach, bei dem die 100-Tore Grenze um sieben Tore übertroffen wurde.

„Ganz Wildflecken war elektrisiert. Menschen die man jahrelang nicht mehr auf dem Sportplatz gesehen hatte, kamen zu den Spielen. Es gab unglaubliche Szenen. Fans strömten nach der gewonnen Meisterschaft aufs Spielfeld und trugen ihre Helden vom Platz“, weiß Thomas Helfrich, der mit zehn Jahren das Fußballspielen begonnen hatte und noch im hohen Alter für die Alten Herren auflief. Eben jener Walter „Pizzi“ Gutmann, der auch Jugendleiter und Schiedsrichter war, fand bei seinen Erzählungen auch lobende Worte für den damals verantwortlichen Spielleiter Helmut Dernbach und die zahlenreichen Gönner des Vereins, wie Willi Dernbach, Karl Dernbach, Egon Isemann, Kilian Abert, Ludwig Schmitt, Albin Reinhart, Helmut Patzke oder Franz Springer.
Kurt Raab: unverzichtbarer Torgarant
„Unser damals unverzichtbarer Torgarant Kurt Raab leistete Ende der 1960er Jahre in Roth bei Nürnberg seinen Grundwehrehrdienst ab. Aufgrund sehr schlechter Zug- und Busverbindungen gab es manchmal das Problem, dass Kurt nach Spielende nicht rechtzeitig in der Kaserne in Roth hätte sein können. Da war guter Rat teuer. Helfer in der Not war Willi Dernbach. Willi saß hier im Sportheim und spielte mit Freunden Karten. Ich schilderte ihm mein Problem. Willi sagte nur, ’hier hast du meine Autoschlüssel, Geld zum Tanken und fahr los’. Als ich aus Roth zurückkam, saß Willi immer noch bei seiner Kartrunde. Ich bedankte mich und gab ihm die Autoschlüssel zurück. Das hat Willi genügt“, so Ehrenmitglied Gutmann.
„Der bis heute sehr gute Zusammenhalt der Truppe ist sicherlich ein Verdienst von Pizzi. Den Grundstein dazu hat er schon als Trainer gelegt. Und Kurt Raab war für mich der beste Spielführer in meiner langen Fußballerzeit und ein sehr guter Freund. Als Stürmer war er überragend und bei unseren Gegnern gefürchtet. Was ihn in meinen Augen besonders auszeichnete, waren sein unbändiger Wille und großer Kampfgeist. Und im Training war er sich für keine Übung zu schade. Ich vermisse ihn“, so ein nachdenklicher Dieter Bootz.
Otto Wallrab: ein feiner Sportsmann
Von seiner einzigen zweistelligen Niederlage berichtete Walter Deißler, der von 1956 bis 1962 beim SV Wildflecken spielte. „Der Stamm unserer Mannschaft bestand damals aus Bundeswehrsoldaten wie Walter Büchler, Fritz Gerstbrein, Höhn, Toni Lutz und Adolf Bleisteiner. Meine Kameraden hatten an diesem Tag aber Dienst oder waren im Urlaub. Bei Münnerstadt standen vier Masurek-Brüder im Team, allesamt tolle Kicker . Überragend war Günter Masurek, der später bei Schweinfurt 05 spielte. Die haben uns richtig auseinandergenommen und teilweise schwindlig gespielt. Wir haben kein Tor geschossen. Das werde ich nie vergessen, lachte der 88-jährige Walter Deißler. „Gut in Erinnerung aus damaliger Zeit ist mir auch noch Otto Wallrab, ein zuverlässiger und feiner Sportsmann“, so Deißler.

Nicht minder schlimm lief in dieser Zeit ein Jugendspiel der Rhöner gegen die Lauerstädter. „Mit einer 11:1-Packung haben die uns heimgeschickt. Pizzi, Winfried Donner, Walter Grünewald und ich waren dabei. Winfried war unser Torschütze. Ohne unseren überragenden Torhüter Pizzi hätten wir bestimmt 20 Tore kassiert“, wusste Siegried Fonfara lebhaft zu berichten.
Auf Splitt und schwarzer Schlacke gekickt
An die Zeiten, als die SV-Kicker auf dem alten Sportplatz aus Splitt, schwarzer Schlacke, ein bisschen „Rasen“ und einem diagonalen Gefällen von nahezu drei Metern höherklassigen Vereinen gegenüberstanden, erinnerte Dieter Zurek. Ein Highlight dieser Zeit war das Freundschaftsspiel am 26. Juni 1968 gegen den Hessenligisten Borussia Fulda, das der SV mit 4:3 gewann in der Besetzung Reinhold Götz, Helmut Schwarz, Ulrich Luthardt, Siegfried Fonfara, Anton Gutmann, Dieter Zurek, Werner Belka, Gunther Groß, Karl-Heinz Kufel, Dieter Bootz, Kurt Raab .
Eine besondere Freude bereitete es Hubert Schumm, dass seine ehemaligen Jugendspieler, die für einige Zeit in der höchsten Liga Unterfrankens spielten, zahlreich erschienen waren. Zu ihnen gehörten Bernhard Abert, Udo Albert, Bernhard Kleinheinz, Albin Kleinheinz, Joachim Plobner, Herbert Vogt, Herbert Vorndran und auch Organisator Harald Möller, der das nächste Treffen für den Herbst 2023 plant. „Wir müssen die in der Coronazeit ausgefallen Treffen nachholen.“ Fußball verbindet – in der Rhön ganz besonders.