Wenn ein Thomas Gottschalk Bücher bespricht, ist ihm Aufmerksamkeit sicher. Fast 600 Bücher- oder? Gottschalk Freunde wollten erleben, ob seine lockere Art auch in einer Literatursendung trägt. Plauderton mit Tiefgang, geht das? Nimmt man den Beifall des Publikums als Maßstab, ja! Verständlich moderiert er die Bücher an, nähert sich unkonventionell den Autoren. Aber er weiß,
wovon er spricht, entlockt Johanna Adorján, Friedemann Karig und Marlene Streeruwitz einigen Hintergrund und viel Persönliches zu ihren Büchern.
Rückenwind für das Lesen
Gottschalk ist kritisiert worden: Seiner ersten Sendung fehlte die Tiefe. Das mag eine von sich überzeugte Spezies, die in Mitternachtsrunden diskutiert nicht, dass sich jemand aus der Showbranche, dazu noch vor großem Publikum, in ihr elitäres Metier einmischt, weiß der Showmaster sich selbst einzuschätzen. Für die Bücherwelt indes kann das nur gut sein, ist er überzeugt. "Lesen soll Spaß machen." Neugier auf Bücher entfachen, ist sein Credo. Wie er das angeht, das spricht immerhin sechshundert Besucher im Max-Littmann-Saal an, viele kaufen die Bücher danach und warten geduldig, bis sie signiert sind.
Johanna Adorián und ihre "Männer"
Die Bühne des Max-Littmann-Saales ist zu einem Fernsehwohnzimmer geworden. Große stilisierte, Stoffbäume, durchleuchtet von runden Scheinwerfern. Ein Sofa, zwei Sessel. Durchaus gefällig, könnte aber auch im Kaufhaus stehen. Gottschalk beginnt die Talkrunde mit Johanna Adorján und ihrem Buch "Männer", beschreibt den Werdegang der Dänisch-Deutschen Journalistin. In ihrem vierten Roman porträtiert sie Männer, denen sie begegnet ist, gibt Vieltelefonierern einen Namen, beschreibt Wichtigtuer und drollige Spezies. Manche kann man erkennen, wie Volker Schlöndorff , was für Aufmerksamkeit gesorgt hat. "Sie beschreiben ihn als Mann mit Grandezza, der mit Yasmina Reza über ihr Buch parliert, das er nie gelesen hat", stellt Gottschalk fest. "Was eine Frau nie tun würde", entgegnet die Autorin und hat den Beifall der Damen im Saal auf ihrer Seite. Auch Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck gehört nicht zu den Männern, denen Adorján Kränze flicht, "obwohl" - kleine Bosheit, die sie einstreut - "eine Frisur wie Goethe sein Gesicht prägt". Das pariert Gottschalk in gespielter Empörung und nennt den Oskar-Preisträger in Anspielung auf seine Körpergröße "überragend". So geht es schlagfertig hin und her, hat mit Büchern zu tun und ist doch fast schon Kabarett.
Friedemann Karigs Fiktion
"Dschungel", seinen Debutroman beschreibt Friedemann Karig als Fiktion über zwei Ebenen, wenn der Autor als Erzähler nach seinem verschwundenen Freund in Kambodscha sucht und dabei immer tiefer in der gemeinsamen Vergangenheit gräbt. Karig nennt das Buch eine Kraftprobe mit dem Erlebten und stellt die Frage: "Ist Erinnerung ein Segen?" Aber auch hier geht es nicht immer bierernst zu. Der ungewöhnliche Vorname Friedemann wird in der Runde diskutiert. Dazu Karig: "Friedemann, einer der Söhne des Johann Sebastian Bach , erreichte nie des Vaters Größe. Vielleicht hat meine Mutter - Kirchenmusikerin - eben nicht so viel von mir erwartet". So viel Understatement gefällt dem Publikum.
Gnadenlose Literatur
Marlene Streeruwitz ist eine der politisch engagiertesten deutschsprachigen Schriftstellerinnen. Die Gran Dame aus Österreich hat mit "Flammenwand", einen Frontalangriff auf die Politik geschrieben, beklagt, dass man sich auf die Grenze zwischen den Geschlechtern, statt auf Menschen ausrichte, sieht eine faschistische Handschrift der türkis-blauen Regierung in Österreich. Der bekennenden Feministin entgegnet Gottschalk, dass sie ein gnadenloses Buch geschrieben habe, ihre Romanfigur Adele eine schwierige Frau sei und deren Partner Gustav "ein unfroher Geselle". Beide tragen so ziemlich an allem, was die Welt an Unbill parat hat. Darauf Streeruwitz charmant lächelnd und doch eiskalt formulierend: "Der Dornröschenschlaf nach dem 2. Weltkrieg ist nun mal vorbei". Jetzt knistert es richtig. Gottschalk vermutet: "Sie haben an jeder Seite gelitten". Streeruwitz: "Das Ibiza Video ist nicht die Fledermaus, sondern real. Wenn Sie sich nur angenehme Gedanken machen, lesen Sie das Buch nicht". Gottschalk kontert, dass auch er - ein bunter Falter - vom Leben gestreift worden ist und versucht es noch einmal mit einem drastischen Vergleich: "Sie beschreiben eine Sargangst". Hoffnungsvoller Ausblick der Autorin: "Aber der Deckel ist noch nicht zu." Dieser Dialog wird zum Höhepunkt des Abends. Das wiederum könnte Marcel Reich-Ranicki , Gottschalks Duzfreund im Literaturhimmel gefreut haben. Sein möglicher Kommentar: "Thomas, Du machst Dich".