Michael Bogner gehörte zu einer Clique, die sich Anfang der 1990erJahre in der Gastwirtschaft "Bundtschu" traf. Hier fand er mit seiner Idee offene Ohren, den schweizerischen Sport Hornussen, den er in einer Fernsehreportage erstmals gesehen hatte, "mal näher zu inspizieren", wie er das nannte. Das sei etwas Außergewöhnliches, etwas Besonderes und Spannendes, ein Sport, den es bei uns nicht gibt, der aber durchaus eine besondere Faszination ausübt.
Michael Bogner machte ernst. Über die Schweizerische Botschaft kam er an die Adresse des Eidgenössischen Hornusserverbandes. Kontakt wurde aufgenommen, im Besonderen mit dem damaligen Präsidenten des Schweizer Zentralverbandes, Hans Glauser. Außerdem starteten die Münnerstädter mit etwa 15 Personen eine Fahrt ins Land der Eidgenossen nach Utzenstorf (etwa 30 Kilometer vor Bern). Hier fanden sie Kontakt zu den örtlichen Hornussern, die die Neugierigen aus Franken herzlich aufnahmen und die neuen deutschen Freunde mit dem nötigen Material für das Ausüben des Sportes ausstatteten. Das war nicht gerade wenig: Ein zweiläufige Eisenvorrichtung (Bock) für den Abschlag, Stecken (nicht unähnlich einer Angelrute), Träfs (etwa 15 Zentimeter lange Rundhölzer, die auf das vordere Ende der Stecken aufgeschraubt werden) und natürlich Hornusse. Das sind runde Plastikscheiben, die - auf dem Bock mit Lehm fixiert - mit dem Stecken ins Spielfeld geschlagen haben (Videofilm auf http://www.ehv.ch ). Der Anfang war gemacht. Die Mürschter fuhren nach Hause, bauten das Material auf und begannen zu hornussen.
So kam es, dass im Dezember 1991 schließlich 28 Gründungsmitglieder die "Hornussergesellschaft 1991 Münnerstadt" aus der Taufe hoben. Erster Präsident (Vorsitzender) wurde der Bundtschu-Wirt Matthias Wießner. Unter seiner Führung wurde 1993 ein großes Gründungsfest veranstaltet, zu dem man sechs Mannschaften aus der Schweiz einlud. Ein Riesenevent. Die Medien berichteten bundesweit von diesem Ereignis. Unter anderem war am Samstagabend des Festwochenendes in der ZDF-Sportreportage, moderiert von Günter Jauch, ein Bericht von Hennes Gally zu sehen, der von exotischen Spielen aus Münnerstadt berichtete. Die Mürschter Hornusser schwammen auf einer Euphoriewelle.
"Das war 'ne schöne Zeit", erinnern sich Heike und Klaus Schilling an jene Tage. Klaus war in jenen Tagen aktiver Hornusser, Heike hat bei den verschiedenen Feiern immer geholfen. "Ich hab' nur gute Erinnerungen an diese Zeit", sagt Klaus Schilling, "vor allem der Gemeinschaftssinn war genial". Doch in seine Erinnerungen fällt auch ein Wermutstropfen. "Wer ist noch da aus jener Zeit?", fragt er. Und dann kommt Schweigen. Matthias Wießner, Bundtschu-Wirt und Vereinspräsident war einer der "Verrückten", die jede Minute in den Verein und das Hornussen investierte. Er, selbst ein ausgezeichneter Aktiver, war "angefressen", wie er das immer nannte. Er war begeistert von dem Sport, der Dynamik, die in ihm steckt, von der Kameradschaft, die immer gegeben war, und dass man mit der ganzen Familie Hornussen konnte. Wießner, selbst Vater dreier Kinder, hat das geschätzt.
Doch auch mit ihm passierte das, was viele andere Münnerstädter Hornusser in Beschlag nahm: Studium, Beruf und Familie forderten ihren Tribut. Gleichzeitig war in der Stadt das Nachwuchspotenzial begrenzt. Die Jungen spielen nun einmal lieber Fußball, als sich in eine unbekannte Sportart zu stürzen. Als Wießner im Jahr 2000 wegzog, übergab er den Vereinsvorsitz an Werner Müller. Der versuchte den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, die Kontakte in die Schweiz und zu befreundeten Mannschaften wurden durch Besuche und Gegenbesuche gepflegt. Doch die Aktivitäten des Vereins wurden immer weniger. Die aktiven Hornusser fehlten. Es war ein schleichender Prozess des Niedergangs.
Im Jahr 2013 wechselte das Präsidentenamt zu Christoph Krauss. Er war als Kind dabei, als der Verein gegründet wurde. Aus dem Junghornusser wurde ein Erwachsener, der dem Sport gemeinsam mit seinem Bruder Jan und Florian Henneberger treu blieb. 2016 kam das Angebot des TSV Münnerstadt, die Hornusser in den Verein als eigene Abteilung zu integrieren. Doch selbst dafür war schon nicht mehr genug Substanz da, so dass die noch verbliebenen Mitglieder im September 2017 beschlossen, den Verein aufzulösen.
Und was bleibt übrig? Sehr viel. Der Sport hat Menschen in beiden Ländern verbunden, er hat Horizonte erweitert, die Münnerstädter haben neue Freunde gefunden. Diese Freundschaften zeigen sich mit dem "Trainingsteam Schweiz" um Franz Burkalter. Diese Gruppe kommt seit 27 Jahren immer vor Ostern für eine Woche nach Münnerstadt und das wird so bleiben, auch wenn der Münnerstädter Verein aufgelöst ist. Die Freunde sind noch da, hier, wie auch in der Schweiz. Und diese Freundschaften werden bleiben, solange man sie pflegt, ob mit Verein oder ohne.
Münnerstadt
Freundschaften bleiben - mit und ohne Verein
Der Münnerstädter Verein war eine Besonderheit in der Stadt, ein Farbtupfer, der jetzt etwas verblassen wird. Doch der Verein hat auch Bleibendes bewirkt.
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