
Bei Gerhard Hopp und Marion Meder aus Obereschenbach läuft aktuell jeder Morgen gleich ab. Sie stehen auf, frühstücken gemeinsam, ziehen sich an und verlassen dann gegen acht Uhr ihr Haus in der Nähe der Hauptstraße.
Entlang der B27 machen sich die beiden in Richtung Weyersfeld auf zu einem Spaziergang bis vor die Fischteiche. Bereits seit Ende Februar kontrollieren sie dort den 390 Meter langen Amphibienzaun auf Kröten, Frösche und Molche.
Kröten auf der B27 bei Oberschenbach
Der Grund: Die milden Temperaturen, Regenfälle und der wenige Bodenfrost lassen die Tiere auf Wanderschaft zu ihren Laichgewässern gehen. In Obereschenbach machen sich hauptsächlich Erdkröten vom Sodenberg kommend auf in Richtung der Fischweiher.
„Entlang der Bundesstraße haben wir deshalb einen Zaun aufgebaut und davor ungefähr alle 50 Meter einen schwarzen Eimer in den Boden gegraben. In diese Eimer fallen die Kröten dann rein“, erklärt Marion Meder.

Damit verhindern sie, ihr Lebensgefährte und sechs weitere in Obereschenbach tätigen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, dass die Tiere unkontrolliert auf die Straße hüpfen und während dem Überqueren von Autos überfahren werden. Das einzige Manko am Zaun im Hammelburger Stadtteil: „Die Einfahrt zum Feldweg mussten wir natürlich freilassen; aber damit müssen wir halt leben“, berichtet die gelernte IT-lerin.
30 Kröten in Obereschenbach bisher das Leben gerettet
Finden die beiden dann bei einem ihrer morgendlichen Kontrollgänge in den eingegrabenen Eimer Amphibien, tragen sie diese über die Straße und setzen sie in einer Rinne nahe den Fischteichen wieder aus.
An manchen Tagen sei ein halber Eimer voll mit Kröten, an anderen würden sie keine einzige Amphibie finden. „Damit Tiere – wie zum Beispiel Spitzmäuse – die aus Versehen in den Eimer fallen, wieder herauskommen, haben wir in jeden ein kleines Holzstück zum Hochklettern hineingelegt“, erklärt die Seniorin weiter.

Heuer haben die beiden Obereschenbacher bereits an die 20 Stunden in ihr Ehrenamt investiert. Knapp 30 Tieren konnten sie damit vermutlich schon das Leben retten. „2024 haben wir 101 Kröten über die Bundesstraße geholfen“, erinnert sich Gerhard Hopp. Knapp fünf Jahre zuvor seien es noch an die 700 gewesen.
Acht Ehrenamtliche in Obereschenbach tätig
Alleine meistern mussten die beiden Senioren das zum Glück aber nicht. „In Obereschenbach sind wir insgesamt acht ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Drei Schüler, ein Student, zwei Berufstätige und wir“, freut sich Meder. Denn: Lange dabei sind die beiden selbst noch nicht.
Nachdem sie und ihr Lebensgefährte im vergangenen Jahr allerdings mitbekommen haben, dass der Amphibienschutz in ihrem Ort hauptsächlich von Berufstätigen übernommen wird, war für sie sofort klar: „Wir haben die Zeit und können das deshalb morgens problemlos übernehmen“, sagt Meder.

Die übrigen sechs Ehrenamtler können sich die Kontrolle gegen 20 Uhr seitdem untereinander aufteilen. „Es ist ein schöner Spaziergang und wenn man dann auch noch ein paar Kröten findet, ist der Tag perfekt“, lacht die Oberschenbacherin. Anders als viele annehmen würden, seien Kröten nicht eklig, berichtet sie. „Ich dachte als Kind auch immer, dass die Tiere total schleimig sind. Sind sie aber in Wirklichkeit überhaupt nicht.“
Zehn Amphibienzäune über den Landkreis verteilt
Dass ohne dieses ehrenamtliche Engagement schon viele Populationen der bedrohten Tiere ausgestorben wären, ist Elisabeth Assmann, Geschäftsstellenleiterin des Bund Naturschutz (BN), durchaus bewusst. Über den gesamten Landkreis verteilt gebe es aktuell noch zehn solcher Zaun-Strecken, die allesamt von Tierschützerinnen und Tierschützern des BN betreut werden. „Wir hatten insgesamt mal über 30 Strecken“, berichtet die Expertin.

Die meisten Zäune konnten aufgrund fehlender Ehrenamtlicher nicht mehr aufgebaut werden. „Bei manchen haben wir aber auch festgestellt, dass es sich nicht mehr lohnt. Es kamen einfach zu wenig Tiere“, berichtet sie. Und das bestätigen auch die Zahlen, denn: Schon seit ein paar Jahren sinkt die Menge der erfassten Amphibien dramatisch.
Deshalb gibt es immer weniger Amphibien
„Die Klimaerwärmung trifft Tiere, die auf Wasser und Feuchtigkeit angewiesen sind als Erstes und am schlimmsten.“ Dort, wo Amphibienschutzzäune aufgestellt wurden – wie neben Obereschenbach zum Beispiel auch bei Waizenbach, Langendorf oder an der Staatsstraße von Hammelburg nach Westheim – seien die Zahl der erfassten Amphibien durchgehend rückläufig.
Assmann betont aber: „Neben der zunehmenden Trockenheit und dem Rückgang der natürlichen Lebensräume für Frösche, Molche und Kröten ist der steigende Autoverkehr der größte Feind der Amphibien auf ihren Laichwanderungen.“ Hinzu komme noch der Einsatz von Pestiziden und Mineraldüngern auf den immer größer werdenden Feldern. Dadurch würden an den meisten Übergängen selbst die robusteren Arten wie Erdkröte und Grasfrosch immer weniger werden. „Deshalb ist jede Hilfe wichtig“, verdeutlicht die Geschäftsstellenleiterin.
Eine Chronik über den Bund Naturschutz
Dass sich die Mitglieder des Bund Naturschutz schon lange für den Schutz der Amphibien einsetzen, zeigt auch die sechsbändige Chronik aus den Jahren 1978 bis 2013, welche von Friedrich Mährlein geführt wurde.
„Die Aufzeichnungen und die Gründung der Kreisgruppe 1973/74 startete mit den Amphibien in Obereschenbach“, erzählt Elisabeth Assmann. Umso mehr freut sich die Naturschützerin deshalb, dass der Amphibienzaun in dem Hammelburger Stadtteil noch heute aufgebaut wird.