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Bad Kissingen
Prozess gegen 29-Jährige aus dem Landkreis Bad Kissingen in Hochsicherheitssaal
Hanna S. aus dem Landkreis Bad Kissingen soll während eines Nazi-Aufmarschs in Ungarn einen Menschen verletzt haben. Ihre Anwälte kritisieren die Umstände des Prozesses und sehen eine „Stigmatisierung“.
Budapest, Tag der Ehre, Neonaziaufmarsch Hanna S       -  Diese Neonazis marschierten ebenfalls beim 'Tag der Ehre' in Budapest am 11. Februar 2023 auf. Auf ihrer Fahne steht 'Blood' (Blut), 'Honour' (Ehre) und 'Combat 18'. Die Zahlen eins und acht stehen im Alphabet für A und H. Somit kann übersetzt werden, dass hier die 'Kampfgruppe Adolf Hitler' unterwegs war.  Deren Mitglieder trafen sich auf dem Normafa-hügel, um von dort hinunter zur Budaer Burg zu wandern.
Foto: picture alliance/Martin Fejer/ est&ost (JOKER) | Diese Neonazis marschierten ebenfalls beim "Tag der Ehre" in Budapest am 11. Februar 2023 auf. Auf ihrer Fahne steht "Blood" (Blut), "Honour" (Ehre) und "Combat 18".
Susanne Will
 |  aktualisiert: 28.02.2025 02:40 Uhr

Jedes Jahr feiern Neonazis aus ganz Europa am 11. Februar den „Tag der Ehre“ in Budapest, nicht wenige in SS-Uniformen. Dagegen gibt es regelmäßig Demonstrationen von Antifaschisten mit Teilnehmern auch aus Deutschland. Darunter auch Frauen wie Hanna S. aus dem Landkreis Bad Kissingen .

Generalbundesanwalt: Versuchter Mord

Im Februar 2023 kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen in der Hauptstadt Ungarns. Im Mai 2024 wurde Hanna S. deshalb verhaftet, sie soll sich daran beteiligt haben. Die Anklage erhob der Generalbundesanwalt , er wirft ihr unter anderem versuchten Mord vor.

Hanna S. muss sich ab 19. Februar 2025 vor Gericht verantworten. Nun melden sich ihre Anwälte Yunus Ziyal und Dr. Peer Stolle zu Wort. Sie sehen eine „nicht hinnehmbare Stigmatisierung“ ihrer Mandantin. Denn die Verhandlung soll nicht wie ursprünglich geplant im Justizgebäude in München stattfinden. Sondern in einer Verhandlungszelle, in der „normalerweise Verhandlungen in Terrorismus-Verfahren gegen als besonders gefährlich eingestufte Angeklagte “ geführt werden, so der Anwalt in einer Pressemitteilung.

Unterirdisch mit explosionssicheren Mauern

Der Prozess sollte ursprünglich im Justizgebäude in der Nymphenburger Straße stattfinden. Nunmehr werde die Hauptverhandlung in einer an die JVA München-Stadelheim angeschlossenen „Verhandlungszelle“ stattfinden; Grund für den spontanen Umzug seien Sicherheitserwägungen, da Störungen des Verfahrens befürchtet werden würden. Es handle sich dabei um einen Hochsicherheitssaal in der Stettner Straße, der unterirdisch angelegt, über explosionssichere Mauern und einen direkten Zugang aus der JVA verfüge.  

„Vorverurteilung unserer Mandantin“

„Die Verlegung der Verhandlung in die ,Verhandlungszelle‘ setzt die Stigmatisierung und Vorverurteilung unserer Mandantin fort“, so Rechtsanwalt Peer Stolle. „Sie soll als Antifaschistin als besondere Gefahr für die Allgemeinheit dargestellt werden“, kritisiert er in einer Pressemitteilung.

Damit setze sich ein Verhalten der Justizbehörden, das schon gegenüber Maja T., einer weiteren Demonstrantin, gezeigt wurde, fort. Maja T. wurde nach einem „verfassungswidrigen Beschluss“ des Berliner Kammergerichts in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“, so der Anwalt, außer Landes nach Ungarn ausgeliefert. „Vorgeblich“, so Stolle, „weil mit Störaktionen der linken Szene gerechnet worden sei. Tatsächlich wurde so Maja T. Rechtsschutz beim Bundesverfassungsgericht vereitelt.“

Solidarität mit Hanna S. werde diskreditiert

„Das Verhalten der vielen sehr unterschiedlichen Menschen, die sich solidarisch mit Hanna S. und den anderen Betroffenen erklären, wird somit als Störung und Gefährdung des Verfahrens diskreditiert“, kritisiert Rechtsanwalt Yunus Ziyal.

Vorwurf Mordversuch „nicht haltbar“

Weiter heißt es in der Pressemitteilung, die Anklage entbehre jeglicher Grundlage. „Der Vorwurf des versuchten Mordes ist nicht haltbar.“ So habe der Bundesgerichtshof den dringenden Tatverdacht eines versuchten Mordes auch abgelehnt.  „Dass der Generalbundesanwalt an diesem Vorwurf festhält, zeigt, dass es ihm vorwiegend um die Dämonisierung unserer Mandantin geht“, so Rechtsanwalt Ziyal.

Hanna S. aus dem Landkreis Bad Kissingen ist noch immer Studentin an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg. In den vergangenen Wochen hatten sich sieben untergetauchte Mitbeschuldigte selbst gestellt. „Das ohnehin fragliche Argument für die Behauptung, dass Hanna sich dem Verfahren entzieht, weil es ein Netzwerk im Untergrund gebe, ist nun endgültig hinfällig“, heißt es in der Pressemitteilung.

Tag der Ehre sei „Neonazi-Disneyland“

Die beiden Verteidiger kündigen an, im Verfahren auch zu thematisieren, worum es sich bei dem „Tag der Ehre“ handelt: „Eine Art Neonazi-Disneyland, ein Erlebnisraum für rechtsterroristische Gruppen und Personen. Faschist*innen aus ganz Europa können dort ungestört in NS-Devotionalien aufmarschieren,  menschenverachtende Liedtexte auf Konzerten der hierzulande verbotenen Blood&Honour Struktur singen und Menschen bedrohen, die nicht in ihr rassistisches und antisemitisches Weltbild passen.“

Weiter heißt es in dem Schreiben: „Die  dort vertretenen Neonazi-Strukturen vertreten offensiv Konzepte des Terrorismus ; nach deren Blaupause hat auch der NSU gemordet. Die 220 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 sind brutale Realität – im Gegensatz zu einer herbeihalluzinierten Gefahr für die innere Sicherheit durch Antifaschist*innen.“

Angriff dauerte etwa 30 Sekunden

Der Generalbundesanwalt ist der Überzeugung, dass Hanna S. sich zusammen mit anderen an zwei Überfällen auf insgesamt drei Menschen beteiligt hat. „In beiden Fällen verfolgte die Gruppierung die Opfer zunächst für eine kurze Zeit unauffällig, um sodann mit Schlagwerkzeugen blitzartig einen (…) Angriff von etwa 30 Sekunden auszuführen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Generalbundesanwalts.

Opfer erlitt „erhebliche“ Kopfwunden

Mitglieder der linksextremen Gruppe hätten dann mit Schlagstöcken und anderen Gegenständen wiederholt „mit großer Wucht“ auf Kopf und Oberkörper eines Opfers geschlagen. Hanna S. soll mit anderen zusammen Beine und Arme des am Boden liegenden Menschen fixiert haben, um ihn daran zu hindern, eine Schutzhaltung einzunehmen. „Das Opfer erlitt dadurch erhebliche Kopfwunden, die zum Tode hätten führen können“, so der Generalbundesanwalt .

 
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Kommentare
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  • Johannes Metzger
    Dazu empfehle ich den Podcast:
    https://www.nn.de/abgrunde-der-true-crime-podcast-alle-folgen-und-streaming-links-1.14545677
    Von den Nürnberger Nachrichten. Die sind ja bekanntlich kein Revolverblatt.
    Man fragt sich, was die Generalbundesanwaltschaft da treibt.
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